Präzise Schneemessung dank KI und Satelliten

So genau und schnell war die Schneemessung noch nie: ETH-Forschende haben eine künstliche Intelligenz entwickelt, die anhand von Satellitenbildern die Schneeh?he in der ganzen Schweiz bestimmen kann.

Verschneite Berglandschaft
Dank der Technologie der ETH-Forschenden k?nnen Tourengeher:innen in Zukunft die Schneeh?he in einem Gebiet genauer einsch?tzen als bisher. (Bild: Keystone)

In Kürze

  • ETH-Forschende haben zusammen mit der Schweizer Firma ExoLabs ein KI-gestütztes Schneemesssystem entwickelt, das die Schneeh?he t?glich und genauer als bisher bestimmen kann.
  • Durch die Verwendung von Satellitenbildern kann die Schneeh?he sogar aktualisiert werden, ohne dass dafür neue Messdaten am Boden ben?tigt werden.
  • Ein weiterer Vorteil der neuen Technologie ist, dass sie etwa Wintersportler:innen oder Kraftwerksbetreibern die Unsicherheit der Sch?tzung mitliefert.

Wie viel Schnee liegt wo in den Bergen? Diese Frage ist für den Wintertourismus und Betreiber von Wasserkraftwerken gleichermassen relevant wie für Wintersportler:innen, die die Lawinengefahr einsch?tzen wollen. Doch die Messung der Schneeh?he ist mit einigen Herausforderungen verbunden: Sie kann sich je nach Wetterlage schnell ?ndern, h?ngt stark vom Gel?nde ab und ist auf Luftbildern nicht direkt erkennbar.

Die Schneeüberwachung in der Schweiz stützt sich heute vor allem auf die Daten von Messstationen. Da es für die ganze Schweiz nur rund 400 Stationen gibt, sind die Schneeangaben für viele Orte eher ungenau. Das k?nnte sich nun ?ndern: ETH-Forschende um Konrad Schindler, ETH-Professor für Photogrammetrie und Fernerkundung, haben zusammen mit der Schweizer Firma ExoLabs, einem Spin-off der Universit?t Zürich, eine Technologie entwickelt, die mit Hilfe von Satellitenbildern und künstlicher Intelligenz die Schneeh?he schneller und genauer als bisher ermittelt.

?W?hrend die besten bestehenden Schneekarten der Schweiz eine effektive Aufl?sung von etwa 250 mal 250 Meter haben, kann man in unsere Karten bis auf 10 mal 10 Meter hineinzoomen, um die Schneeh?he abzulesen?, sagt Schindler. Zudem sind regelm?ssige Aktualisierungen zur Schneeh?he in Zukunft nicht mehr unbedingt auf neue Messdaten am Boden angewiesen. ?ffentlich zug?ngliche Satellitenbilder reichen bei gutem Wetter aus.

Vergr?sserte Ansicht: Satellitenbilder im Vergleich
Die Technologie der ETH-Forschenden erzeugt für die ganze Schweiz h?her aufgel?ste Schneekarten als bisher m?glich. (Bild: ETH Zürich)

Satellitendaten der Europ?ischen Weltraumorganisation

Schindlers Forschungsgruppe hat viel Erfahrung mit Satellitenbildern: Sie nutzt sie, um die Bev?lkerungsdichte in Krisengebieten vorherzusagen, um Kriegssch?den an Geb?uden in der Ukraine zu ermitteln oder um weltweit die H?he von W?ldern zu vermessen. Doch wie liest eine künstliche Intelligenz die Schneeh?he von Satellitenbildern ab?

Sie braucht dafür zun?chst Millionen von Beispielen: Für ihre Technologie verwendeten die Forschenden optische Aufnahmen und Infrarotbilder von Sentinel-2-Satelliten der Europ?ischen Weltraumorganisation (ESA). Diese Satelliten nehmen alle fünf Tage jeden Ort der Erde mit einer Aufl?sung von bis zu 10 mal 10 Metern pro Pixel auf. Das sind die detailliertesten Bilder, die derzeit kostenlos und unbeschr?nkt zug?nglich sind. Dadurch erkennt die KI, wann in der Schweiz wo Schnee liegt und wie sich die Schneegrenze w?chentlich ver?ndert.

Doch das allein reicht nicht: ?Von den weissen Fl?chen in den Satellitenbildern k?nnen wir nicht direkt auf die Schneeh?he schliessen. Dafür braucht es noch weitere Daten?, sagt ETH-Professor Schindler.

Lernen durch Vergleich mit Realit?t

Neben den Satellitenbildern fütterten die Forschenden der KI daher umfassende Gel?ndedaten der Schweiz. Denn an einem steilen Südhang schmilzt bei Sonnenschein mehr Schnee als in einer schattigen Mulde. Detaillierte Gel?ndedaten dieser Art sind in den ?ffentlichen Daten von Swisstopo sehr gut zug?nglich.

Die Forschenden trainierten das KI-System darauf, die Schneeh?he aus Satelliten- und Gel?ndedaten abzuleiten. Dazu liessen sie das System die Schneeh?hen sch?tzen und verglichen die Ergebnisse mit realen Schneemessungen. ?Wir haben an jedem Rasterpunkt festgestellt, wie weit die KI mit ihrer Sch?tzung daneben lag, und das System schrittweise so angepasst, dass die Fehler kleiner wurden?, erkl?rt Schindler. In der Fachsprache heisst diese Methode supervised learning.

In einer ersten Trainingsrunde verwendeten die ETH-Forschenden die Schneekarten von ExoLabs, die sehr gut mit den Daten der Schneemessstationen in der Schweiz übereinstimmen. Diese Karten basieren neben den Satellitenbildern von Sentinel-2 auch auf Bildern anderer Satellitenmissionen, die zwar r?umlich weniger genau sind, dafür aber t?gliche Aufnahmen liefern. Anhand der Schneekarten von ExoLabs pr?gte sich die KI vor allem die Muster der kleinr?umigen Schneeverteilung ein, die über das eher grobmaschige Netz an Messstationen nicht erfasst werden kann.

Finetuning mit Daten aus dem Dischmatal

Das Finetuning der KI erfolgte dann mit sehr detaillierten Schneedaten, die das WSL-Institut für Schnee-und Lawinenforschung SLF lediglich im Bündner Dischmatal erhebt. Durch diese Daten lernte die KI, dass sich die Schneeh?he je nach Gel?nde innerhalb von wenigen Metern ?ndern kann. Diese r?umlichen Zusammenh?nge kann sie dann in der ganzen Schweiz anwenden und auch dort die Schneeh?he genau vorhersagen, wo keine detaillierten Messdaten durch Messtationen vorliegen.

Ein weiterer Vorteil der neuen Technologie ist, dass sie den Nutzer:innen auch die Unsicherheit der Sch?tzung mitliefert. Wenn es zum Beispiel l?nger bew?lkt ist und neue Satellitenbilder keine brauchbaren Informationen liefern, steigt die Unsicherheit der Sch?tzung.

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Schneedaten aus dem All. (Video: ETH News for Industry)

Neuer Standard für die Schneeh?henmessung

Die ETH-Forschenden haben die KI-gestützte Schneemessung bereits w?hrend zweier Wintersaisonen erfolgreich getestet. ?Wir gehen davon aus, dass wir damit einen neuen Standard für die Schneeh?henmessung in der Schweiz setzen?, sagt Schindler.

Um die Vermarktung der Technologie kümmert sich die Schweizer Firma ExoLabs. Das Start-up bietet hochaufgel?ste Schneekarten in verschiedenen Apps an, unter anderem in den Anwendungen von Outdooractive, Strava, Skitourenguru, Hüttenbuch oder über die swisstopo-App. Geht es nach Reik Leiterer, CEO von ExoLabs, sollen die verbesserten Schneekarten in Zukunft auch für Gebiete ausserhalb der Alpen erh?ltlich sein, zum Beispiel in Skandinavien, den Pyren?en, oder für Nord- und Südamerika.

Innosuisse Projekt ?DeepSnow?

Dieses Forschungsprojekt wurde von Innosuisse finanziert. Weitere Projektpartner waren neben ExoLabs das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Outdooractive und MountaiNow.

externe SeiteWeitere Informationen zum Projekt

Literaturhinweis

Daudt R, Wulf H, Hafner E, Bühler Y, Schindler K, Wegner J: Snow depth estimation at country-scale with high spatial and temporal resolution, ISPRS Journal of Photogrammetry and Remote Sensing 197 (2023) 105–121: doi: externe Seite10.1016/j.isprsjprs.2023.01.017

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