Wo sollen Windräder in der Schweiz stehen?

Bis 2050 sollen rund sieben Prozent des Stroms in der Schweiz mit Windenergie gedeckt werden. Gem?ss Energiestrategie sind dies rund 4,3 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Von diesem Ziel ist die Schweiz heute noch weit entfernt: Die knapp 40 bestehenden Windanlagen produzieren lediglich 0,14 TWh und damit 0,3 Prozent unseres Stroms.

Die Politik will nun den Ausbau der Windkraft beschleunigen. Vor allem im Winter, wenn Photovoltaikanlagen und Wasserkraftwerke nicht ausreichen, um den hohen Bedarf zu decken, soll der Strom aus Windturbinen eine Mangellage vermeiden. Doch wo soll der Windstrom in der Schweiz am besten erzeugt werden? In den Alpen, im flachen Mittelland, oder aber in den Voralpen und im Jura?

Eine Studie von ETH-Forschenden um Adrienne Gr¨ºt-?Regamey, Professorin f¨¹r Planung von Landschaften und Urbanen Systemen (PLUS), zeigt nun erstmals unterschiedliche Szenarien auf, wie Windkraftanlagen regional verteilt werden k?nnten, um das Ziel der Energiestrategie 2050 so effizient wie m?glich zu erreichen.

Die Studienautor:innen ber¨¹cksichtigen dabei erstmals auch Fl?chen, auf denen aktuell keine Windkraftanlagen gebaut werden d¨¹rfen. ?Indem wir besonders gutes Ackerland, sogenannte Fruchtfolgefl?chen, im windstarken Mittelland neben der Nahrungsmittelproduktion auch f¨¹r die Erzeugung von Windstrom nutzen w¨¹rden, m¨¹ssten wir deutlich weniger Windkraftanlagen im alpinen Raum bauen?, erkl?rt Gr¨ºt-?Regamey.

Rund 760 Windturbinen im Referenzszenario

Das Referenzszenario der Studienautoren orientiert sich am g¨¹ltigen Windenergiekonzept der Schweiz, wo m?gliche R?ume zur Nutzung von Windenergie definiert werden. So d¨¹rfen etwa in W?ldern, auf Fruchtfolgefl?chen und im Umkreis von sch¨¹tzenswerten Ortsbildern keine Windkraftanlagen gebaut werden.

Um im Jahr 4,3 TWh Windstrom zu erzeugen, br?uchte es in diesem Szenario rund 760 Windturbinen. Bei ihren Berechnungen gehen die Forschenden davon aus, dass m?glichst wenig Windturbinen an m?glichst wenigen, besonders windstarken Orten gebaut werden sollten.

Da es weder sinnvoll noch technisch m?glich ist, an allen Standorten die gleichen Anlagen zu bauen, ber¨¹cksichtigt die Studie f¨¹r die Alpen eher kleine (100 Meter hoch, 39 Meter Rotorradius), f¨¹r die Voralpen und den Jura mittelgrosse (125 Meter hoch, 67 Meter Rotorradius) und f¨¹r das flache Mittelland die gr?ssten und leistungsst?rksten Windturbinen (150 Meter hoch, 73 Meter Rotorradius). Dabei gilt: Eine grosse Anlage in der Ebene des Mittellandes erzeugt bei voller Auslastung ¨¹ber doppelt so viel Strom, wie eine kleine Anlage in den Alpen.

Starker Ausbau in den Alpen notwendig

Von den rund 760 Windturbinen bef?nden sich 40 Prozent in den B¨¹ndner und Walliser Alpen. Diese 300 kleinen Anlagen w¨¹rden aber nur gegen 20 Prozent der Jahresleistung produzieren. ?Dies ist nicht optimal, da die Bau- und Betriebskosten von Windanlagen in den Bergen tendenziell h?her sind als in der Ebene. Zudem empfindet die Schweizer Bev?lkerung Windanlagen in unber¨¹hrten, alpinen Naturlandschaften als besonders st?rend?, erkl?rt ETH-Professorin Gr¨ºt-?Regamey.

Rund die H?lfte der 4,3 TWh w¨¹rden durch circa 260 der gr?ssten Anlagen in den Ebenen des Mittellandes produziert werden. 80 Prozent davon bef?nden sich in den Kantonen Bern, St. Gallen, Luzern und Fribourg. Die verbleibenden 30 Prozent des bis 2050 j?hrlich geplanten Windstroms w¨¹rden durch rund 180 Anlagen in den Voralpen gedeckt werden. Ein Grossteil dieser w¨¹rden in den Kantonen Bern, Fribourg, St. Gallen und Appenzell-Ausserrhoden stehen.

Basierend auf diesen Berechnungen haben die Forschenden eine Karte erstellt, welche die ungef?hre Verteilung der Windanlagen zeigt. ?Die Punkte sollten als nationale Fokusgebiete und nicht als genaue Standorte f¨¹r Windturbinen gelesen werden?, sagt Reto Spielhofer, der Erstautor der Studie, der auch in der Forschungsgruppe von Gr¨ºt-?Regamey forscht.

Besonders windstarke Gebiete nutzen

Als Teil des Referenzszenarios haben die Forschenden ausserdem 36 Standorte identifiziert, die sich besonders gut f¨¹r die Erzeugung von Windstrom eignen w¨¹rden. Ohne die Raumplanung anpassen zu m¨¹ssen, k?nnten diese Standorte zusammen knapp 5 Prozent des j?hrlichen Bedarfs abdecken. Neun dieser Standorte liegen in den Kantonen Graub¨¹nden und Wallis, sechs in St. Gallen, f¨¹nf in Bern, jeweils zwei in der Waadt und in Fribourg und einer im Kanton Uri.

Dank Fruchtfolgefl?chen 300 Windturbinen weniger

Die Studie der ETH-Forschenden untersucht auch, welche Auswirkung eine Lockerung raumplanerischer Vorgaben auf die regionale Verteilung von Windkraftanlagen h?tte. So nehmen sie in einem Szenario an, dass auch Fruchtfolgefl?chen f¨¹r die Windkraft genutzt werden d¨¹rfen. ?Uns ist bewusst, dass die Nutzung dieser Fl?chen ?usserst umstritten ist, da es sich um sehr gutes Agrarland handelt, das hohe landwirtschaftliche Ertr?ge abwirft?, sagt ETH-Professorin Gr¨ºt-Regamey.

Nichtsdestotrotz wollten die Forschenden aufzeigen, welche Spielr?ume sich beim Ausbau der Windkraft ergeben, wenn man Fruchtfolgefl?chen vor allem dort nutzen k?nnte, wo der Wind h?ufig und stark weht. Im Vergleich zum Referenzszenario w?ren schweizweit rund 300 Windturbinen weniger notwendig, um den geplanten Windstrom im Umfang von 4,3 TWh pro Jahr zu erzeugen.

Starke Konzentration im Westschweizer Mittelland

?Lockern wir die Raumplanungsvorschriften f¨¹r Fruchtfolgefl?chen, br?uchten wir in den B¨¹ndner und Walliser Bergen knapp 200 Windanlagen weniger als im Referenzszenario?, erkl?rt Gr¨ºt-?Regamey.

Nur etwas mehr als drei Prozent des j?hrlichen Zieles von 4,3 TWh Windstrom m¨¹ssten in den Alpen und weniger als ein Prozent in den Voralpen und im Jura produziert werden. ?ber 96 Prozent w¨¹rden hingegen von den gr?ssten Turbinen in den Ebenen ¨C vor allem im Westschweizer Mittelland ¨C stammen. Von den insgesamt rund 460 Windturbinen in diesem Szenario bef?nden sich knapp ¨¹ber 40 Prozent im Kanton Waadt und je etwa 13 Prozent in den Kantonen Fribourg und Bern.

Dazu ETH-Professorin Gr¨ºt-?Regamey: ?Es gibt einen Trade-off zwischen der Anzahl Windturbinen und ihrer Verteilung: Wollen wir m?glichst wenig Windanlagen ¨C sowohl generell als auch speziell in den Alpen ¨C m¨¹ssen wir grosse, gut sichtbare Windturbinen dort bauen, wo es am meisten Wind hat: im westlichen Mittelland. Priorisieren wir hingegen den Schutz von Fruchtfolgefl?chen, werden wir um den Ausbau in den Alpen nicht herumkommen.?