Ein komplexes Zusammenspiel führt zu grosser Hitze

Ungew?hnlich heisses Wetter in Indien und Pakistan Ende M?rz, ein langer, ¨¹berdurchschnittlich warmer Sommer in Mitteleuropa, extreme Dezember-Temperaturen in Nord-Argentinien, Uruguay und Paraguay ¨C das Jahr 2022 machte auch mit etlichen Hitzewellen von sich reden. Und unter den Klimaforscher:innen besteht heute ein weitgehender Konsens, dass solche Extremereignisse k¨¹nftig markant h?ufiger vorkommen werden als heute.

Dabei sind es im Wesentlichen drei Mechanismen, die das Thermometer auf ungew?hnlich hohe Werte klettern lassen: entweder gelangt Luft aus w?rmeren Regionen in k¨¹hlere, beispielsweise aus der Sahara nach Mitteleuropa; die Luft sinkt in einem Hochdruckgebiet ab und erw?rmt sich dabei durch Kompression; oder die Sonne heizt den Boden ungew?hnlich stark auf, so dass die dar¨¹ber liegende Luft st?rker als ¨¹blich erw?rmt wird.

Welcher Prozess dominiert?

?Diese drei Prozesse sind einfach zu verstehen und lassen sich gut mit physikalischen Formeln beschreiben?, erkl?rt Matthias R?thlisberger, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur f¨¹r Atmosph?rendynamik der ETH Z¨¹rich. Umso bemerkenswerter findet er, dass es zu diesen drei Prozessen dennoch eine intensive Kontroverse gibt. Die Fachwelt ist sich n?mlich nicht einig, wie wichtig jeder dieser drei Prozesse ist und welcher letztlich entscheidet, ob es an einem Ort eine Hitzewelle gibt oder nicht.

Dabei gehe es nicht einfach um eine akademische Frage, meint R?thlisberger: ?Es ist wichtig zu verstehen, wie gross die Anteile der einzelnen Mechanismen sind. Denn nur so l?sst sich absch?tzen, wie verl?sslich die Projektionen der Klimamodelle sind.? Diese sagen die H?ufigkeit und Dauer von Hitzewellen unter den heutigen Bedingungen zwar sehr genau voraus. ?Doch wir verstehen noch nicht gut genug, ob die Modelle Hitzewellen tats?chlich aus den physikalisch richtigen Gr¨¹nden korrekt abbilden.?

Umfangreicher Datensatz

R?thlisberger will diese Wissensl¨¹cke nun zusammen mit seinem Kollegen Lukas Papritz aus der gleichen Gruppe schliessen. Um die strittige Frage zu kl?ren,  haben die Forscher ausgehend von einer Hitzewelle in Kanada, bei der Ende Juni 2021 Temperaturen von fast 50 Grad gemessen wurden, Hitze-Extreme auf der ganzen Welt analysiert.

F¨¹r ihre Analyse nutzten die Wissenschaftler den neusten Datensatz des European Centre for Medium-Range Weather Forecasts (ECMWF), der dreidimensionale globale Wetterdaten in hoher zeitlicher und r?umlicher Aufl?sung enth?lt. Aus diesem umfangreichen Datensatz haben sie zun?chst an jedem Ort der Welt den heissesten Tag in jedem der letzten 40 Jahre herausgefiltert. Anschliessend haben sie in akribischer Rechenarbeit ermittelt, welchen Weg die bodennahe Luft am jeweiligen Ort in den vergangenen 15 Tagen zur¨¹ckgelegt hatte und an welcher Stelle diese Luft letztmals eine normale Temperatur hatte.

Der Weg der Luft ist entscheidend, weil dieser auf den Hauptmechanismus der Erw?rmung hinweist. Stammt die Luft aus einer klimatisch w?rmeren Region, dann tr?gt W?rmetransport substantiell zur Hitzewelle bei. Stammt die Luft hingegen aus einer klimatisch vergleichbaren Region, dann sind es eher die beiden anderen Faktoren, welche die Temperaturen in die H?he treiben.

Grosse regionale Unterschiede

R?thlisberger und Papritz haben f¨¹r ihre Studie insgesamt 250 Millionen Luftpakete untersucht. Die Auswertung der Daten zeigt: Das Zusammenspiel der drei Faktoren ist regional extrem unterschiedlich. Jeder der Faktoren dominiert in gewissen Regionen der Welt, aber sehr oft entstehen Hitzewellen durch ein komplexes Zusammenspiel aller drei Mechanismen.

Bei der erw?hnten Hitzewelle in Kanada beispielsweise konnten die Forscher zeigen, dass eine Kombination aller drei Faktoren zur ungew?hnlichen Wettersituation f¨¹hrte. Dabei gibt es auch innerhalb dieser einzelnen Hitzewelle regionale Unterschiede: In den k¨¹stennahen Zonen f¨¹hrte vor allem der W?rmetransport aus dem S¨¹den und das Absinken der Luft zu grosser Hitze, w?hrend im Landesinneren die Erw?rmung der Luft durch den trockenen und daher aufgeheizten Boden f¨¹r extreme Temperaturen sorgte.

F¨¹r Zentraleuropa hingegen stellen die Forscher fest, dass heisse Sahara-Luft h?ufig nur einen indirekten Einfluss hat. Wenn heisse Luft von Afrika nach Europa gelangt, verdr?ngt sie meistens nicht die k¨¹hlere Luft am Boden, sondern gleitet ¨¹ber diese hinweg. ?Die Sahara-Luft erw?rmt also nicht die unteren, sondern die mittleren und oberen Schichten der Atmosph?re?, erkl?rt Papritz. ?Die heisse Luft am Boden kommt hingegen meistens vom Atlantik her zu uns und wird dann hier durch das Aufheizen am Boden und Kompression erhitzt.? Dennoch spielt die Sahara-Luft eine wichtige Rolle: Weil sie die h?heren Schichten aufheizt, entstehen trotz der bodennahen Erw?rmung keine Gewitter, welche f¨¹r die dringend erhoffte Abk¨¹hlung sorgen w¨¹rden.