In Gebirgen breiten sich gebietsfremde Pflanzen rasch aus

Bisher blieben Gebirgsregionen von biologischen Invasionen weitgehend verschont. Doch jetzt zeigt eine neue Monitoringstudie, dass sich weltweit gebietsfremde Pflanzen entlang von Verkehrswegen rasch in gr?ssere H?hen ausbreiten.

Eine Frau untersucht Pflanzen neben einer Strasse im Gebirge.
Eine Forscherin der ETH Zürich erfasst gebietsfremde Pflanzenarten entlang einer Bergstrasse im Wallis . (Bild: Fiona Schwaller / ETH Zürich)

Viele Gebirge sind naturnahe und durch den Menschen wenig beeintr?chtigte Lebensr?ume. Sie beherbergen viele, teilweise hoch spezialisierte und endemische Tier- und Pflanzenarten. Auch von Invasionen durch gebietsfremde Pflanzenarten (Neophyten) sind Gebirge bisher weitgehend verschont geblieben.

Doch nun zeigt eine neue Studie, dass der Druck von Neophyten auf Gebirge und ihre einmalige Vegetation weltweit steigt: Die Invasion von gebietsfremden Pflanzen in h?here Lagen hat in vielen Gebirgen der Erde zwischen 2007 und 2017 zugenommen. Die Studie unter Federführung der ETH Zürich ist soeben in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution erschienen.

Die Forscher stellten fest, dass die Zahl der untersuchten gebietsfremden Pflanzenarten in jeder Region innerhalb von zehn Jahren im weltweiten Durchschnitt um 16 Prozent zugenommen hat. Zudem trafen die Wissenschaftler:innen in zehn von elf Untersuchungsgebieten Neophyten in deutlich gr?sseren H?hen an als noch vor zehn oder sogar fünf Jahren.

Invasive Pflanzen füllen ihre Nische

Dass die Neophyten h?her oben vorkommen, hat Erstautorin Evelin Iseli vom Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich indes nicht überrascht. ?Erstaunt waren wir aber, dass sich diese Pflanzen so schnell ausbreiten und dass die Zahl der gebietsfremden Arten innerhalb eines Jahrzehnts so stark gestiegen ist?, sagt die Doktorandin. ?Normalerweise dauert es mehrere Jahrzehnte, bis sich Arten in einem Gebiet etablieren und weit verbreiten k?nnen.?

Dem Klimawandel k?nne dieser Trend jedoch nicht zugeschrieben werden. Gebietsfremde Pflanzen werden in der Regel im Tiefland eingeführt. Von da breiten sie sich so lange in h?here Lagen aus, bis es ihnen zu kalt wird, um sich fortzupflanzen. Die Neophyten besiedeln also lediglich die Nischen, die ihren klimatischen Vorlieben entsprechen. ?Die Pflanzen schaffen dies auch ohne die Erderw?rmung?, betont Iseli.

Zwar habe sich das Klima in einigen Gebieten w?hrend des Untersuchungszeitraums erw?rmt. Die Temperaturzunahme deckt sich jedoch nicht mit dem Ausmass der Ausbreitung der Neophyten. ?Steigende Temperaturen schaffen aber die Grundlage dafür, dass diese Arten künftig noch weiter hochsteigen k?nnen, weil sich ihre ?kologische Nische ebenfalls nach oben verschiebt.?

Strassenr?nder als Einfallstor

Gebietsfremde Pflanzen werden oft vom Menschen willentlich oder unbeabsichtigt im Tiefland eingeführt und breiten sich von da in gr?ssere H?hen aus, besonders entlang von Strassen, weshalb sich die Forschenden auf Verkehrswege konzentrieren. Entlang von Strassen haben Neophyten leichtes Spiel, weil der Mensch unter anderem deren Samen verbreitet und die natürliche Vegetation gest?rt ist. Die Konkurrenz mit angestammten Arten, die sich an das vorherrschende Klima angepasst haben, ist deshalb geschw?cht.

In intakten Gebirgslebensr?umen fernab von Strassen haben biologische Invasoren hingegen einen schweren Stand, wie Iseli betont. ?Ist die ursprüngliche Vegetation intakt, dauert es viel l?nger, bis sich Neophyten durchsetzen und ausbreiten.?

Daten aus aller Welt

Die Daten, die der Studie zugrunde liegen, umfassen fast 15'000 Beobachtungen von 616 nicht einheimischen Pflanzenarten aus 651 Untersuchungsfl?chen und werden weltweit nach dem gleichen Vorgehen erhoben. So erfassen die Forschenden die gebietsfremden Arten in T-f?rmigen Untersuchungsfl?chen, also einen 50 Meter langen Streifen entlang von Bergstrassen sowie einem dazu senkrecht stehenden 100 Meter langen Streifen, der von der Strasse wegführt. Die Untersuchungsfl?chen sind in regelm?ssigen H?henabst?nden entlang verschiedener Bergstrassen in jeder Region verteilt.

Vergr?sserte Ansicht: Oben zeigt sich ein Berg, der die Verbildlichung von Schritt (a) zeigt. Unten links zeigt es eine Skizze zur Situation, wie (b) sie verlangt und unten rechts gibt es ein Bild, das den Forscher zeigt, wie er Proben entnimmt (c).
    

Vorgenommen wurden die Vegetationsaufnahmen in Süd- und Mittel-Chile, zwei Regionen in Australien, auf Teneriffa, in der Schweiz, zwei Gebieten im Westen der USA, auf Hawaii, in Kaschmir und in Norwegen.

Vergr?sserte Ansicht: Übersichtskarte zu den Orten, wo die Vegetationsaufnahmen durchgeführt wurden.

Im Jahr 2007 wurden die Vorkommen gebietsfremder Pflanzen in sechs Gebirgsregionen erstmals erhoben, 2012 in den restlichen fünf. Alle fünf bis zehn Jahre werden die Vegetationsaufnahmen wiederholt. Die Forschenden beteiligen sich freiwillig an diesem Projekt und finanzieren es aus eigenen Mitteln.

Durchgeführt wird diese Studie durch das Mountain Invasion Research Network (MIREN), das 2005 gegründet wurde. Es hat zum Ziel, die die Neuverteilung von gebietsfremden und angestammten Pflanzenarten in Berggebieten wissenschaftlich zu untersuchen und Grundlagen für den Umgang mit Neophyten zu schaffen. Von 2015 bis 2019 war Jake Alexander, Senior Scientist in der Gruppe für Pflanzen?kologie der ETH Zürich, Co-Vorsitzender des Netzwerks.

?Die aktuelle Studie macht klar, dass wir ?berwachungsprogramme für die Biodiversit?t weltweit ausdehnen und Massnahmen ergreifen müssen, um m?gliche negative Folgen für Gebirgs?kosysteme und ihre Flora und Fauna abzuwenden?, betont Alexander. ?Wir müssen jetzt handeln, denn wir k?nnen regelrecht dabei zuschauen, wie sich unsere Bergwelten ver?ndern.?

Literaturhinweis

Iseli E, Chisholm C, Lenoir J, et al. Rapid upwards spread of non-native plants in mountains across continents. Nature Ecology and Evolution, Jan 26th 2023. doi: externe Seite10.1038/s41559-022-01979-6

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