Nutzen wir das soziale Umfeld

Bei Entscheidungen lassen wir uns vom sozialen Umfeld beeinflussen. Dies l?sst sich gezielt nutzen, um Menschen zum Umdenken zu einem gesünderen Lebenswandel zu bewegen, schreibt Suchita Srinivasan.

Suchita Srinivasan

Um zu Kochen stellen wir die elektrische Herdplatte an oder entzünden den Gasherd. Viele Menschen in Entwicklungsl?ndern Südostasiens und Afrikas kochen in ihren H?usern jedoch auf einem offenen Feuer oder einem rauchenden Ofen, den sie mit Holz befeuern.

Oft sind sich diese Menschen nicht bewusst, dass der Rauch, der von solchen Feuern ausgeht, Schadstoffe enth?lt und ihre Gesundheit gef?hrdet. Die WHO sch?tzt, dass weltweit 3,8 Millionen Menschen wegen der Luftverschmutzung durch das Kochen frühzeitig an Herzkreislauf- oder Lungenerkrankungen sterben. Nach einer Sch?tzung ist es ?hnlich sch?dlich, in der Küche ein offenes Feuer zu unterhalten wie 400 Zigaretten pro Stunde zu verbrennen1. Dennoch ist Brennholz für viele Haushalte in Entwicklungsl?ndern ist die noch immer die einzige Energiequelle zum Kochen. Dazu kommt, dass das Sammeln von Brennholz und die Belastung durch das Einatmen von giftigem Rauch unverh?ltnism?ssig stark auf Frauen und Kinder entf?llt, die sich l?nger in den R?umen aufhalten.

Traditionelles Kochen in Indien
Millionen von Frauen weltweit verbringen t?glich mehrere Stunden vor einem offenen Feuer und atmen mit dem Rauch Schadstoffe ein. Hier ein Bild aus Indien. (Bild: Shutterstock)

Um die negativen Auswirkungen der Luftverschmutzung in Innenr?umen zu mindern, braucht es dringend effizientere Kochherde, die mit sauberen Energiequellen funktionieren. Wie in vielen l?ndlichen Regionen von Entwicklungsl?ndern fehlt auch im l?ndlichen Indien eine zuverl?ssige Stromversorgung. Die praktikabelste Alternative zu einem Holzfeuer ist daher ein Gasherd. Seit Flüssiggas in den 1970er Jahren in Indien eingeführt wurde, hat seine Verwendung erheblich zugenommen, vor allem in den St?dten. Die l?ndlichen indischen Haushalte sind jedoch immer noch stark auf Brennstoffe auf Biomassebasis angewiesen. Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage unter l?ndlichen Haushalten in einigen der ?rmsten Bundesstaaten Indiens verwenden 2018 nur 37 Prozent der Haushalte Flüssiggas als Hauptbrennstoff zum Kochen2.

Warum Haushalte in Indien nur zurückhaltend von Brennholz auf Gas umstellen, hat viele Gründe, zwei davon stehen im Vordergrund: Einerseits sind Flüssiggasflaschen noch immer nicht in allen Regionen einfach verfügbar. Andererseits ist das Kochen mit Flüssiggas immer noch teurer, obwohl es seit vielen Jahren von der Regierung subventioniert wird.

Von Nachbarn und Freunden beeinflusst

Mit meinem Kollegen Stefano Carattini von der Georgia State University bin ich in den vergangenen fünf Jahren der Frage nachgegangen, inwieweit sich Haushalte bei der Umstellung auf Flüssiggas gegenseitig beeinflussen. Experten sprechen von einem Spillover-Effekt, wenn sich Haushalte bei ihren Kaufentscheidungen durch andere Haushalte, die im selben Dorf oder Stadtteil wohnen, positiv beeinflussen lassen (?ich kaufe eher Flüssiggas, wenn meine Nachbarn dies tun?).

Wir haben einen solchen Effekt festgestellt3, und interessanterweise ist er bei Haushalten, die Mitglieder bestimmter sozialer Netzwerke sind, besonders ausgepr?gt: Frauengruppen, Landwirtschaftskooperativen und NGO spielen eine wichtige Rolle bei der Beschleunigung des ?bergangs zu Flüssiggas. Solche Netzwerke spielen in Indien eine entscheidende Rolle bei der Beeinflussung des Verhaltens von Menschen in vielen Lebensbereichen, einschliesslich ihrer Konsumentscheidungen. In diesem Fall glauben wir, dass der Spillover-Effekt vor allem damit zu tun hat, dass Informationen zu Nutzen (und auch den Kosten) von Flüssiggas innerhalb solcher Netzwerke besonders gut verbreitet werden.

Effizientes politisches Instrument

Zugang zu Flüssiggas und dessen Erschwinglichkeit sind nach wie vor entscheidend, um dessen Verbreitung zu begünstigen. Um die ?rmsten Haushalte zum Umsteigen auf Flüssiggas zu bewegen, sind Subventionen wahrscheinlich zwingend erforderlich. Ausschliesslich auf Subventionen zu setzen, ist auf lange Sicht jedoch problematisch. Zum einen führen Subventionen zu hohen ?ffentlichen Ausgaben, die den Staatshaushalt gerade in L?ndern wie Indien stark belasten. Andererseits ist es politisch anspruchsvoll, einmal gew?hrte Subventionen gegen den Wiederstand einer wachsenden Mittelschicht, die von den Subventionen profitiert, sp?ter wieder abzuschaffen.

?Eine Politik, welche gesellschaftliche Netzwerke berücksichtigt, ist weit kosteneffektiver als eine, welche solche Strukturen ausser Acht l?sst.?Suchita Srinivasan

Es braucht daher weitere politische Instrumente. Wenn die Konsumenten einmal den ersten Anstoss erhalten haben, eine saubere Energiequelle zu nutzen (zum Beispiel mit einer Subvention), werden sie diese wahrscheinlich eher nutzen, wenn sie davon überzeugt sind, dass die Vorteile der Nutzung die Kosten überwiegen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass soziale Effekte nicht nur die anf?ngliche, sondern auch die langfristige Akzeptanz positiv beeinflussen, da die Haushalte den Brennstoff weiterhin kaufen, wenn ihre Nachbarn dies tun.

Wenn es darum geht, die Bev?lkerung zum Umdenken zu bewegen, lohnt es sich, den Spillover-Effekt als politisches Instrument zu nutzen. Eine Politik, welche gesellschaftliche Netzwerke berücksichtigt, ist weit kosteneffektiver als eine, welche solche Strukturen ausser Acht l?sst4. Denkbar w?re auch, Subventionen gezielt einzusetzen, zum Beispiel bei Haushalten, die in ihrer jeweiligen Nachbarschaft mehr Einfluss haben, oder für Mitglieder bestimmter Gruppen oder Vereine.

Nicht nur für Indien sind diese Ergebnisse relevant, sondern auch für L?nder, die in Bezug auf die Einführung von sauberem Kochbrennstoff hinter Indien zurückliegen: In Benin, Burkina Faso, Guinea und Mali kochen weit mehr als 90 Prozent der Bev?lkerung immer noch mit festen Brennstoffen. Wenn Netzwerke und das soziale Umfeld effizient genutzt werden, k?nnen Millionen von Menschen in Entwicklungsl?ndern zur Nutzung von weniger sch?dlichen Energiequellen bewogen werden und damit von einer besseren Gesundheit und Lebensqualit?t profitieren.

Referenzen

1 Smith, Kirk, zitiert in externe SeiteClean household energy can save people’s lives, World Health Organization 2014.

2 Jain A, Saurabh T, Sunil M, Sasmita P, Shahidi T, Karthik G: externe SeiteAccess to Clean Cooking Energy and Electricity Survey of States. Council on Energy, Environment and Water 2018.

3 Srinivasan S, Carattini S: Adding Fuel to Fire? Social spillovers in the adoption of LPG in India. Ecological Economics 2020, 167: 106398. 2020, doi: externe Seite10.1016/j.ecolecon.2019.106398

4 Spencer G, Carattini S, Howarth RB: Short-term interventions for long-term change: spreading stable green norms in networks. Review of Behavioral Economics 2019, 6: 53-93, doi: externe Seite10.1561/105.00000095

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