Wie ein legendäres Apfelbild die Verbesserung der Zellanalyse anregte

Unter mehreren Millionen Zellen eine kleine Zahl von Krankmachenden zu identifizieren, ist knifflig. Forscher der ETH Zürich haben nun eine Technologie weiterentwickelt, die riesige Mengen von Zelleigenschaften im kleinen Massstab detailgenau und einzeln erfassen kann.

Vergr?sserte Ansicht: Eine bewährte Methode vereinfacht: viele Zellen fliessen durch parallele Schlaufen. Dabei werden sie miteinander statt einzeln nacheinander gemessen. (Bild: de-Mello Group / Chem)
Eine bew?hrte Methode vereinfacht: viele Zellen fliessen durch parallele Schlaufen. Dabei werden sie miteinander statt einzeln nacheinander gemessen. (Bild: deMello Group / Chem) 

Alle Lebensprozesse von Menschen, Tieren und Pflanzen sind abh?ngig von Zellaktivit?ten. Allein der menschliche K?rper umfasst über 210 Zelltypen mit bestimmten Eigenschaften und Funktionen, die seine Entwicklung und seine Gesundheit beeinflussen. Jede einzelne dieser Zellen und ihre Eigenschaften genau zu kennen, ist eine wichtige Grundlage für Biologie und Medizin. Die gesuchte Zellinformation herauszufiltern, ist manchmal eine gewaltige Herausforderung – besonders wenn von einer Million Zellen knapp ein Dutzend die Eigenschaft hat, die eine Krankheit ausl?st.

Ein bew?hrtes Verfahren, wie Chemie, Biologie oder Medizin die Eigenschaften von einzelnen Zellen schnell und in grosser Anzahl feststellen, ist die Durchflusszytometrie. Mit dieser Zellmesstechnologie lassen sich zum Beispiel Krebszellen bestimmen oder T-Zellen, jene weissen Blutzellen, die für die Immunabwehr wichtig sind.

Erfunden wurde die Technologie 1968. Herk?mmliche Durchflusszytometer messen normalerweise das Streulicht und die Fluoreszenz, wenn die Zellen durch einen Laserstrahl fliessen. Die resultierenden Signale unterscheiden sich in Abh?ngigkeit der Gr?sse, Form, Struktur oder F?rbung der Zellen. T-Zellen etwa sind sehr glatt und streuen weniger Licht als andere.

Gut kombiniert

Der Forschungsgruppe von Andrew deMello, ETH-Professor für Biochemische Ingenieurwissenschaften, ist es nun gelungen, die Durchflusszytometrie entscheidend weiterzuentwickeln. Ihre bildgestützte Zytometrie-Plattform misst die Zellen und ihre Eigenschaften schneller, in h?heren Mengen und viel genauer als heutige Durchflusszytometer. Wie die Methode funktioniert, haben die ETH-Forscher soeben im Wissenschaftsjournal ?Chem? dargelegt.

Den Ansatz haben die Forscher nicht neu erfunden. Vielmehr haben sie bestehende Technologien geschickt kombiniert: Ihr Durchflusszytometer verknüpft die M?glichkeiten der Mikrofluidik, die das mit Verhalten kleiner Mengen von Flüssigkeiten auf engstem Raum untersucht, mit hochempfindlichen optischen Erkennungsmethoden und ultraschneller Bildgebung.

Damit erzielen sie einen Ultra-Hochdurchsatz von über 50'000 Zellen pro Sekunde. Marktübliche, fluoreszenzbasierte Durchflusszytometer messen zuverl?ssig zwischen 100 und 20'000 Zellen pro Sekunde; mikrofluidische Durchflusszytometer sogar nur bis zu 4000 Zellen pro Sekunde. In der Praxis werden jedoch normalerweise erheblich weniger Zellen vermessen, da diese sonst verklumpen.

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Tr?pfchen fliessen hintereinander. Eine Anwendung der Mikrofluidik betrifft Hochdurchsatz-Analysen chemischer Reaktionen. (Video: deMello Group / YouTube)

?Wir entwickeln Technologien, damit Chemiker, Biologen und Mediziner neue Forschung betreiben k?nnen?, sagt deMello. Von seiner Plattform verspricht er sich, dass sie künftig auch einfacher und viel preiswerter sein wird als die heutigen Apparaturen.

Im Prinzip besteht sein Duchflusszytometer aus drei Teilen: am Anfang werden die Zellen eng hintereinander aufgereiht. Ein Fluss aus Mikroflüssigkeiten führt sie dann durch einen schlangenlinienf?rmig gewundenen Mikrokanal (vgl. die Zeichnung oben) und in den Erkennungsbereich. Dort zeichnet eine hochaufl?sende Kamera ihre Gr?sse, Form und Struktur anhand der Lichteffekte auf. Zuletzt k?nnen sie nach ihren Eigenschaften sortiert werden.

Schnappschüsse auf Schlaufen

Ein Clou des Ansatzes ist, dass die Zellen mehrere parallele Schlaufen durchlaufen. So kann die Kamera eine grosse Zahl von Zellen pr?zis aufnehmen. Das beschleunigt deMellos Verfahren, und es erm?glicht die Ausführung bei ausserordentlich hohen Durchs?tzen. ?Die Kombination von Mikrofluidik mit Bildgebung erm?glicht die Anreicherung von Information?, sagt er. In herk?mmlichen Ans?tzen hingegen registriert ein Detektor an einem bestimmten Punkt jeweils eine Zelle nach der anderen.

Drei Arten von Bildern lassen sich mit seiner Technologie gewinnen: Dunkelfeld-Bilder mit Information über Form und Struktur einer Zelle (diese Bilder zeigen farbige Strukturen vor einem dunklen Hintergrund), Hellfeld-Bilder mit Information über die Zellgr?sse und leuchtfarbige Bilder mit Information zum Erscheinungsbild und der inneren Struktur einer Zelle. Besonders die Gewinnung morphologischer Information hebt deMellos Ansatz von anderen, fluoreszenz- oder mikrofluidbasierten Ans?tzen ab.

Bildgebung wie bei ?Papa Flash?

Bei einem Problem kam deMellos Gruppe die langj?hrige Erfahrung in der tr?pfchenbasierten Mikrofluidik und bei optischen Methoden zugute: Wenn Tr?pfchen, Zellen oder Kleinstpartikel sehr schnell fliessen, werden die Bildaufnahmen – wie bei Fotografien – mitunter verzerrt und unscharf.

Die L?sung des Problems entnahm die Forschungsgruppe der Geschichte: Zur Belichtung der Zellen setzen sie auf stroboskopische Belichtung, die den kontinuierlichen Fluss der Zellen – wie eine Zeitlupe – in eine Abfolge von Standbildern aufgliedert. Weltbekannt wurde diese Methode durch den Erfinder des Stroboskop-Blitzger?ts, Harold E. Edgerton, auch ?Papa Flash? genannt. Seine Kultfotos aus den 1960er-Jahren gingen um die Welt.

Dank der stroboskopischen Belichtung lassen sich einzelne Zellen, die sich mit einem halben Meter pro Sekunde und in grossen Mengen bewegen, scharf aufnehmen.

Um die Leistungsf?higkeit ihrer Methode zu testen, hat deMellos Mitarbeiter Stavros Stavrakis zusammen mit zwei Studierenden eine grosse Zellpopulation untersucht und dabei lebende, sterbende und tote Zellen anhand ihrer Fluoreszenz unterschieden. In einem n?chsten Schritt wollen die ETH-Forscher die Methode mit Blick auf bakterielle, nanowissenschaftliche und industrielle Anwendungen weiterentwickeln.

Literaturhinweis

Rane A S, Rutkauskaite J, deMello A, Stavrakis S. High-Throughput Multi-parametric Imaging Flow Ctyometry. Chem (2017), published online 12 October 2017. doi: externe Seitedx.doi.org/10.1016/j.chempr.2017.08.005

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