Wundermaterial mit Langzeitfolgen

Fast 270‘000 Tonnen Kunststoffmüll treibt in den Weltmeeren. Plastik ist zu einem Umweltproblem unfassbaren Ausmasses geworden, das bis in die letzten Ecken der Erde vorgedrungen ist.

Vergr?sserte Ansicht: Plastik Treibgut
Plastikmüll s?umt die Str?nde unserer Ozeane, wie hier im Norden Norwegens. (Foto: Bo Eide / flickr CC BY-NC-ND 2.0)

In den Weltmeeren unseres Planeten hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Ph?nomen abgespielt, das sich unserer Vorstellungskraft und unseren Handlungsm?glichkeiten zu entziehen scheint: Die Entstehung stetig wachsender Strudel kleinster Plastikteilchen. Der gr?sste von fünf bekannten und durch Meeresstr?mungen verursachte Müllstrudel befindet sich im Nordpazifik. Er besitzt eine Ausdehnung von der Gr?sse Zentraleuropas [1]. Der Chemiker und Kapit?n Charles Moore hatte ihn 1997 zum ersten Mal beschrieben. Bei der Entnahme von Wasserproben in dem Gebiet fand er schon damals sechsmal mehr Plastikteilchen als Planktonpartikel. 2007 fand er 46mal mehr Plastik als Plankton, Tendenz rasant steigend [2]. Laut einer neueren Studie der amerikanischen Forschungsgruppe um den Umweltschützer Marcus Erikson [3], treiben über fünf Billionen Plastikteilchen in unseren Weltmeeren mit einem gesch?tzten Gewicht von fast 270‘000 Tonnen.

Von den Flüssen ins Meer

Das Plastik gelangt gr?sstenteils über unsere Flüsse und B?che ins Meer. Und auch in diesen Gew?ssern sieht es nicht besser aus. ETH-Professor Christoph Girot konnte mit seinem Forschungsteam am Future Cities Laboratory in Singapur nachweisen, dass der Ciliwung River, der in Jakarta in die Javasee fliesst, am Boden eine meterdicke Schicht von Plastikabf?llen aufweist. Teile davon werden regelm?ssig in der Regenzeit in den Ozean gespült [4]. Doch auch in Europa kann man dieses Ph?nomen beobachten: So berichten ?sterreichische Forscher im Fachjournal ?Environmental Pollution?, das zumindest an einigen Stellen der Donau zwischen Bratislava und Wien mehr Plastikpartikel als Fischlarven zu finden sind. Insgesamt spült der Fluss 4,2 Tonnen Plastikmüll pro Tag ins Schwarze Meer. Dabei soll es sich um 80 Prozent industriellen Müll handeln und nur 20 Prozent kommunale Abf?lle [5].

Vergr?sserte Ansicht: Plastikteilchen
Plastikmüll wird durch Wellengang und UV-Licht in immer kleinere Teilchen zerrieben, die von Tieren mit Nahrung verwechselt und geschluckt werden. (Foto: Sustainable Coastlines / flickr CC BY-NC 20)

Einmal im Meer angelangt, zerbr?ckeln Plastikgegenst?nde durch Wellenbewegungen und UV Licht in immer kleinere Stücke. Nur ein sehr geringer Teil treibt an der Oberfl?che, wie die spanische externe SeiteMission Malaspina 2010  feststellte. Kleinere Teile schweben oder sinken in tiefere Gew?sser. Gef?hrlich sind hierbei drei bis fünf Millimeter grosse Stücke (Pellets genannt), da sie immer h?ufiger in den M?gen von toten Meeresbewohnern und V?geln gefunden werden. Die Tiere verwechseln die Kunststoffe mit ihrer natürlichen Nahrung. An den Küsten Australiens kann man heute bereits im K?rper jedes zweiten Seevogels Plastikteile finden, wie die Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) externe Seitemitteilt. Insgesamt war die Anzahl der gemessenen Plastikpartikel, welche an der Meeresoberfl?che treiben, jedoch geringer als von den Wissenschaftlern der CSIRO erwartet. Die Messresultate legen eine These nahe, nach der die Kunststoffpartikel kleinste Feinheitsstufen erreichen und mit oder anstatt der Nahrung von einfachen Meeresbewohnern wie Plankton aufgenommen und sogar in ihren Organismus eingebaut werden. Einige Plastikmaterialien – beziehungsweise ihre Zus?tze wie Weichmacher – setzen bei ihrem Zerfall krebserregende Stoffe frei. Ausserdem haben die Plastikteilchen die Tendenz wasserunl?sliche Toxide wie DDT oder PCB im Meer an sich zu binden. ?ber die Nahrungskette gelangen diese Gifte wiederum in gr?ssere Tiere und so, zum Beispiel über den Verzehr von Fischen, auch in den Nahrungskreislauf des Menschen [6].

Vergr?sserte Ansicht: Fischlarve mit Plastikteilchen
Eine Fischlarve mit Plastikteilchen im Verdauungstrakt. (Foto: Reinhard Krusch / Universit?t Wien)

Herstellung und Zerfall

Plastik ist ein Sammelbegriff für verschiedene Kunststoffe. Kunststoffe sind wiederum synthetisch hergestellte langkettige Polymere, die bei einer bestimmten Temperatur formbar sind. Die kleinste Baueinheit solcher Polymere sind Monomere: organische Moleküle, die überwiegend aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen und heute noch immer mehrheitlich aus Erd?l gewonnen werden. Mithilfe chemischer Katalysatoren setzen sich solche Monomere zu Polymeren zusammen.

Um spezifische Eigenschaften der verschiedenen Kunststoffe zu erzielen, fügen die Hersteller weitere chemische Zusatzstoffe, wie zum Beispiel Weichmacher, Farbstoffe oder manchmal auch schwermetallhaltige Stabilisatoren hinzu. Am Ende der Einsatzdauer des Plastikobjekts zersetzt sich diese Mixtur wieder. Im besten Fall setzt es dabei die Ausgangstoffe – also die Monomere – wieder frei. Oder es entstehen neue unvorhersehbare Verbindungen – leider oft toxischer Natur.

Bis in die 80iger und 90iger Jahre hinein glaubten Wissenschaftler, dass Plastikmüll nicht umweltrelevant sei. Doch kann man heute Plastikteilchen in allen Weltmeeren, an allen Küsten und Str?nden nachweisen und somit auch in deren Fauna. Zudem hat man festgestellt, dass einige Algenarten Mikroplastikteilchen an sich binden und somit von der Meeresoberfl?che auch in Lebensr?ume in grossen Tiefen der Meere transportieren, wo sie für den Zugriff des Menschen unerreichbar und unberechenbar werden.

Im zweiten Teil meines Blogbeitrags (am 15. Januar) werde ich verschiedene Ans?tze vorstellen, mit denen Wissenschaftler versuchen, des Umweltproblems Plastik Herr zu werden.

(Teil 2: Bioplastik und eine Müllabfuhr für die Weltmeere)

Weiterführende Informationen

[1] Kathy Marks, Daniel Howden (2008). externe SeiteThe world’s rubbish dump: a tip that stretches from Hawaii to Japan, The Independent

[2] Peter Haffner (2009). externe SeiteEine Ahnung von Apokalypse, NZZ Folio

[3] Eriksen M, Reisser J, Galgani F, Moore C, Ryan P, Carson H, Thiel M (2014): "Plastic Pollution in the World's Oceans: More than 5 Trillion Plastic Pieces Weighing over 250,000 Tons Afloat at Sea." PLOS One, doi: externe Seite10.1371/journal.pone.0111913

[4] für mehr Informationen: Jakarta Study

[5] Lechner A, Keckeis H, Lumesberger-Loisl F, Zens B, Krusch R, Tritthart M, Glas M, Schludermann E (2014). "The Danube so colourful: A potpourri of plastic litter outnumbers fish larvae in Europe's second largest river." Environmental Pollution, doi: externe Seite10.1016/j.envpol.2014.02.006

[6] Güven Purtul (2010). externe SeitePlastik im Magen, Süddeutsche Zeitung

Zum Autor

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert