Globale Zusammenarbeit in der Klimaforschung

Autor: Daniel Stehula

Der Klimawandel ist die grosse Herausforderung dieser Zeit. Die ETH spielt als Forschungsort und Vermittlerin von Wissen eine wichtige Rolle dabei, die Welt Richtung Netto-?Null-Treibhausgasemissionen zu führen.

Viele Forschende an der ETH Zürich engagieren sich im Kampf gegen den Klimawandel, eine davon ist Sonia Seneviratne. Die ETH-Professorin für Land-Klima-Dynamik hat zum aktuellen Sachstandsbericht des Weltklimarats beigetragen. ?ber 230 Expertinnen und Experten aus aller Welt legen im ersten Teil des Berichts die physikalischen Grundlagen des Klimawandels dar. ?ber drei Jahre lang arbeiteten sie daran – über Fachgebiete, L?ndergrenzen und Zeitzonen hinweg. Eine Zusammenfassung des Berichts wurde politischen Führerinnen und Führern weltweit zur Verfügung gestellt.

Seneviratne war koordinierende Hauptautorin des Kapitels über Wetter und Klimaextreme. Hitzewellen, Starkniederschl?ge, Dürren und Brandgefahr haben in den letzten Jahren so stark zugenommen, dass sie sagt: ?Ein Begriff wie Jahrhundertunwetter ist oft bereits jetzt schon obsolet.?

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Mit steigender H?ufigkeit der Extremereignisse ist die Expertise der Klimaforscherin stark gefragt. Sie kommuniziert dann, was sie auch im aktuellen Sachstandsbericht des Klimarats schreibt: Die beobachtete globale Klimaerhitzung, welche mehr Klimaextremereignisse begünstigt, ist menschengemacht. Die Menschheit muss schnell aufh?ren, fossile Brennstoffe zu nutzen. Eine Umkehr dieses Klimawandels ist nicht mehr m?glich, und jedes Zehntelgrad entscheidend. ?Das Klima mit 1,5 Grad globaler Erw?rmung ist viel risikoreicher als das jetzige Klima mit 1,1 bis 1,2 Grad?, sagt Seneviratne. Zwischen 1,5 und 2 Grad nehme die Wahrscheinlichkeit zu, dass das Klimasystem gef?hrliche globale Kipppunkte erreiche.

Der Gornergletscher und das Monte Rosa Gebiet vom Schwarzsee aus gesehen. (Bild: swisstopo und VAW / ETH Zürich)

Die Schweiz geh?rt zu den grossen Pro-Kopf-Verursachern von CO2-Emissionen. Im Inland fallen laut Bundesamt für Umwelt pro Person und Jahr mehr als vier Tonnen CO2 an. Rechnet man die Emissionen dazu, welche Importgüter aus dem Ausland verursachen, kommt das Land auf rund 14 Tonnen j?hrlich pro Person. Der globale Durchschnitt liegt bei fünf Tonnen pro Kopf und Jahr.

Die Auswirkungen des Klimawandels spürt die Schweiz stark. Mit einer Zunahme von mehr als zwei Grad Celsius ist die durchschnittliche Temperatur hierzulande doppelt so viel angestiegen als die globale mittlere Temperatur (1,1 Grad).

Luftbild, Traktor auf staubigem, trockenem Boden. Eine grosse, hellbraune Staubwolke verdeckt Teile des Ackers.
Ein Traktor f?hrt mit einer Drille über den staubtrockenen Ackerboden – es hat seit Wochen nicht mehr geregnet (Brandenburg, 18.08.2022). Der Sommer 2022 war einer der w?rmsten, der jemals in Europa aufgezeichnet wurde. (Bild: Keystone / Patrick Pleul)

Grosse Sorge bereitet Seneviratne, dass Geschehnisse zunehmen, die sich aus der Kombination von Ver?nderungen im Klimasystem ergeben. So werde es zu mehr ?berschwemmungen an den Küsten kommen, weil einerseits das Polareis schmelze und damit der Meeresspiegel steige. Andererseits regne es h?ufiger in st?rkerer Intensit?t. Oder: Es werde in vielen Gebieten vermehrt heiss und trocken. Dadurch steigt das Feuerrisiko, wie diesen Sommer in Europa. Durch die Erhitzung steige das Risiko von globaler Nahrungsknappheit, weil die landwirtschaftlichen Regionen der Welt ?fter gleichzeitig von extremen Klimaereignissen getroffen werden k?nnen.

?Die neuesten Erkenntnisse der Klimaforschung zeigen, dass kein Weg an einer Welt mit Netto-Null-Treibhausgasemissionen vorbeiführt?, sagt Seneviratne. Gleichzeitig h?lt sie fest, die Zukunft müsse nicht düster sein: ?In einer dekarbonisierten Welt k?nnen wir eine hohe Lebensqualit?t haben: Wir würden eine weitere Vermehrung von Extremereignissen vermeiden, h?tten weniger Luftverschmutzung und w?ren nicht mehr abh?ngig von Erd?l- und Gas-exportierenden L?ndern.?

Breite Allianz schmieden für das Klima

Die Probleme aufzeigen und helfen, den richtigen Weg zu finden, dafür setzt sich auch ETH-Professor Reto Knutti ein. Der Experte für Klimaphysik war Leitautor bei den zwei vorhergehenden Sachstandsberichten des Klimarats. Aktuell bemüht er sich, eine grosse Allianz zugunsten des Klimas zu schmieden: Unter dem Titel ?SPEED2ZERO? sollen die verschiedenen Disziplinen und Institutionen des ETH-Bereichs mit der Privatwirtschaft und der Politik zusammenarbeiten. Die Zeit, um das Klima zu stabilisieren, wird knapp. Die Initiative SPEED2ZERO will deshalb sicherstellen, dass alle an einem Strang ziehen. Alle Beteiligten sollen eng und kontinuierlich in das Projekt einbezogen sein. So soll der Wissenstransfer an die politischen Entscheidungstr?gerinnen und -tr?ger gelingen, ein Austausch stattfinden und Beratung helfen, um die Klima-, Energie- und Biodiversit?tsziele bis 2030 und anschliessend jene bis 2050 zu erreichen.

Die Themen des Projekts sind vielf?ltig und praxisnah, zum Beispiel:

  • Was braucht es an Technologie, Politik, Finanzinstrumenten und Strategien, damit die Schweiz ihre CO2-Emissionen bis 2030 halbieren und bis 2050 Netto-Null erreichen kann?
  • Wie sehen Roadmap und Aktionsplan für Infrastrukturen und Technologien aus, die bis 2030 und darüber hinaus eingesetzt werden sollen?
  • Welche Baumaterialien sind kohlenstoffnegativ und wie lassen sie sich einsetzen?

Positionspapier zur Unabh?ngigkeit von fossilen Brennstoffen

Wie die Schweiz in den n?chsten Jahren ihre Unabh?ngigkeit von fossilen Brennstoffen erh?hen und in der Folge ein fossilfreies Energiesystem mit Netto-Null-Treibhausgasemissionen realisieren kann, dazu hat das Energy Science Center (ESC) der ETH 2022 ein Positionspapier ver?ffentlicht.

Eine Erkenntnis ist, dass die Schweiz auch in Zukunft nicht zu jedem Zeitpunkt genug Strom produzieren wird, um ihren gesamten inl?ndischen Bedarf zu decken. Hinzu kommt: Die Schweiz importiert rund die H?lfte ihres Prim?renergiebedarfs über fossile Energietr?ger wie Erd?l, Erdgas und Kohle. Das belegen Zahlen des Bundesamts für Energie für das Jahr 2020. Der Ausbau der heimischen Wind- und Solarenergie als Ersatz für fossile Energie würde die Abh?ngigkeit vom Ausland verringern und die CO2-Bilanz verbessern.

Vergr?sserte Ansicht: Infografiken: Energieträger Verkehr vs. Energieträger Haushalte: Markante Datenpunkte: Erdölprodukte 92.5% vs. 27.2%, Elektrizität 4.1% vs. 31.7%, Ergas 0.4% vs. 21.6%
Prozentualer Anteil der Energietr?ger zur Deckung des schweizerischen Energiebedarfs im Verkehr und in den Geb?uden im Jahr 2020 (angepasst nach Bundesamt für Energie) (Grafik: ETH Zürich / FS Parker)

Der Ausstieg aus fossilen Energietr?gern ist n?tig und machbar, das zeigt die Forschung. Es gibt bereits Alternativen wie erneuerbare Energien, Elektroautos oder W?rmepumpen. Der Effekt einer Umstellung w?re gross. Der Grossteil aller CO2-Emissionen in der Schweiz wird durch Verbrennen von Gas oder Erd?l verursacht. Durch eine Halbierung des CO2-Ausstosses bis 2030 w?re die Schweiz auf Kurs, das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen.

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