Seltene Erden schürfen - aus Elektroschrott

ETH-Forschende entwickeln ein von der Natur inspiriertes Verfahren, das Europium effizient aus alten Leuchtstofflampen zurückzugewinnt. Der Ansatz k?nnte zum lang erhofften Recycling von Seltenerdmetallen führen.

Eine Forscherin hält in der einen Hand eine spiralförmige Leuchtstofflampe und in der anderen Hand einen Behälter mit einer gelben Substanz.
In der linken Hand der Rohstoff ?Leuchtstofflampe?, in der rechten das gelbe Reagenz, das seltene Erden trennen kann: ETH-Doktorandin Marie Perrin pr?sentiert den neuen Recycling-Ansatz. (Bild: Fabio Masero / ETH Zürich)

In Kürze

  • Ein kleines Molekül, das natürlich in Enzymen als Bindungsstelle für Metalle dient, erweist sich auch als nützlich, um bestimmte Seltenerdmetalle voneinander zu trennen.
  • In einem Machbarkeitsnachweis gewinnt das Verfahren Europium direkt aus Leuchtstoffpulver von verbrauchten Energiesparlampen in viel h?herer Menge als bestehende Methoden.
  • Die Forschenden arbeiten nun daran, ihren Ansatz auf andere seltene Erden zu erweitern. Zudem sind sie daran, ein Start-up zu gründen um das Recycling dieser Rohstoffe in die Praxis zu bringen.

So selten, wie ihr Name suggeriert, sind seltene Erden zwar nicht. Für die moderne Wirtschaft sind sie aber unabdingbar. Denn diese 17 Metalle sind essenzielle Rohstoffe für die Digitalisierung und die Energiewende: Sie stecken in Smartphones, Computern, Bildschirmen und Batterien – ohne sie l?uft kein Elektromotor und dreht sich kein Windrad. Weil Europa fast vollst?ndig auf Importe aus China angewiesen ist, gelten diese Rohstoffe als ?kritisch?.

Kritisch sind seltene Erden aber auch wegen ihrer Gewinnung. In natürlichen Erzen kommen sie stets gemischt vor – doch da sich diese Elemente chemisch sehr ?hnlich sind, lassen sie sich nur schwer voneinander trennen. Traditionelle Trennverfahren sind daher sehr chemikalien- und energieintensiv und erfordern etliche Extraktionsschritte. Das macht die F?rderung und Reinigung der Metalle teuer, aufw?ndig und für die Umwelt enorm sch?dlich.

?Trotzdem werden seltene Erden in Europa noch kaum wiederverwertet?, sagt Victor Mougel, Professor am Laboratorium für Anorganische Chemie der ETH Zürich. Eine Team von Forschenden unter Mougels Leitung will das ?ndern. ?Es braucht dringend nachhaltige und unkomplizierte Methoden zur Trennung und Rückgewinnung dieser strategischen Rohstoffe aus unterschiedlichen Quellen?, fordert der Chemiker.

In einer kürzlich im Fachjournal externe SeiteNature Communications publizierten Studie pr?sentiert das Team eine überraschend einfache Methode, mit der sich das Seltenerdmetall Europium effizient aus komplexen Gemischen von anderen seltenen Erden abtrennen und wiederverwerten l?sst.

Von der Natur inspiriert

Marie Perrin, Doktorandin in Mougels Gruppe und Erstautorin der Studie, erkl?rt: ?Bestehende Trennverfahren beruhen auf Hunderten von sogenannten Flüssig-Flüssig-Extraktionsschritten und sind ineffizient, und das Recycling von Europium war bislang wenig praktikabel.? In ihrer Studie zeigten sie nun, dass ein einfaches anorganisches Reagenz diese Trennung erheblich verbessern kann. ?Damit gewinnen wir Europium in wenigen einfachen Schritten – und das in Mengen, die mindestens 50-mal h?her sind als mit bisherigen Trennmethoden?, so Perrin.

Der Schlüssel zu dieser Technik liegt in kleinen anorganischen Molekülen mit vier Schwefelatomen, die um ein Wolfram- oder Molybd?natom herum angeordnet sind: Tetrathiometallate. Die Forschenden liessen sich dabei von der Welt der Proteine inspirieren. Tetrathiometallate kommen oft als Bindungsstelle für Metalle in natürlichen Enzymen vor und dienen als Wirkstoff gegen Krebs und St?rungen des Kupferstoffwechsels.

Erstmals werden Tetrathiometallate nun auch als Liganden für die Trennung von Seltenerdmetallen eingesetzt. Dabei kommen seine einzigartigen Redox-Eigenschaften zum Tragen, die Europium in seinen ungew?hnlichen zweiwertigen Zustand reduzieren und so die Trennung von den anderen dreiwertigen Seltenerdmetallen vereinfachen.

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Recycling von Europium aus Leuchtstofflampen im Schnelldurchlauf. (Video: Marie Perrin / ETH Zürich)

?Das Prinzip ist dabei so effizient und robust, dass wir es direkt auf verbrauchte Leuchtstofflampen anwenden k?nnen, ohne dass die sonst üblichen Vorbehandlungsschritte erforderlich sind?, h?lt Mougel fest.

Europium im Kreislauf führen

Elektronikschrott stellt eine wichtige, aber bislang wenig genutzte Quelle für Seltenerdmetalle dar. ?Würde diese Quelle erschlossen, dann k?nnten die Lampenabf?lle, welche die Schweiz derzeit ins Ausland schickt, um sie in Deponien zu entsorgen, stattdessen hier in der Schweiz recycelt werden?, meint Mougel. So k?nnten Lampenabf?lle als urbane Minen für Europium dienen und die Schweiz unabh?ngiger von Importen machen.

Porträtfoto von Victor Mougel
?Unser Recycling-Ansatz ist deutlich umweltfreundlicher als alle herk?mmlichen Methoden zur Gewinnung von Seltenerdmetallen aus Mineralerzen.?
Porträtfoto von Victor Mougel
Victor Mougel

In der Vergangenheit wurde Europium haupts?chlich als Leuchtstoff in Leuchtstofflampen und Flachbildschirmen verwendet, was zu hohen Marktpreisen führte. Da Leuchtstofflampen nun sukzessive aus dem Verkehr gezogen werden, ist die Nachfrage gesunken, so dass die bisherigen Recyclingmethoden für Europium wirtschaftlich nicht mehr rentabel sind. Effizientere Trennstrategien sind dennoch wünschenswert und k?nnten helfen, die Unmengen an günstigen Leuchtstofflampenabf?llen zu verwerten, deren Gehalt an Seltenerdmetallen etwa 17-mal h?her ist als in natürlichen Erzen.

Die Nachfrage senken

Umso dringlicher erscheint es, seltene Metalle am Lebensende von Produkten zurückzugewinnen und im Kreis zu führen – doch die Rückgewinnungsrate von Seltenerdelementen liegt in der EU weiterhin unter ein Prozent.

Im Prinzip ist jedes Trennverfahren für seltene Erden sowohl bei der F?rderung aus Erzen als auch bei der Rückgewinnung aus Abf?llen einsetzbar. Die Forschenden konzentrieren sich mit ihrer Methode aber bewusst auf das Recycling der Rohstoffe, weil dies ?kologisch und ?konomisch viel sinnvoller sei. ?Unser Recycling-Ansatz ist deutlich umweltfreundlicher als alle herk?mmlichen Methoden zur Gewinnung von Seltenerdmetallen aus Mineralerzen?, sagt Mougel.

Die Forschenden haben ihre Technologie patentiert und sind daran ein Start-up namens Reecover zu gründen, um sie künftig zu vermarkten. Derzeit arbeiten sie daran, das Trennverfahren für weitere Seltenerdmetalle wie etwa Neodym und Dysprosium, die in Magneten vorkommen, anzupassen. Wenn das gelingt, will Marie Perrin nach ihrem Doktorat das Start-up aufbauen und das Recycling seltener Erden in der Praxis etablieren.

Literaturhinweis

Perrin MA, Dutheil P, W?rle M & Mougel V. Recovery of europium from E-waste using redox active tetrathiotungstate ligands. Nat Commun 15, 4577 (2024). doi: externe Seite10.1038/s41467-024-48733-z

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