Den «Schweizer Weg» der Innovationsförderung weitergehen

Hans Gersbach und Martin W?rter sagen, weshalb die Schweiz nicht in den zunehmenden internationalen Subventionswettlauf einsteigen sollte. Die Weiterführung des bisher erfolgreichen ?Schweizer Wegs? ist deutlich erfolgversprechender.

Innovationen von privaten Unternehmen in Form von neuartigen Produkten, Dienstleistungen oder Produktionsverfahren sind die wichtigsten Triebkr?fte für eine langfristige Verbesserung des materiellen Wohlstands. Sie sind mithin auch entscheidend für die L?sung grosser gesellschaftlicher Herausforderungen wie der Bek?mpfung des Klimawandels, der Entwicklung neuer Antibiotika gegen resistente Bakterien oder der Bereitstellung von L?sungen gegen Cyberangriffe.

Diese Aktivit?ten des privaten Sektors h?ngen zu wichtigen Teilen von wissenschaftlichen Fortschritten in der Grundlagenforschung ab und werden durch die ?ffentliche Hand unterstützt und gef?rdert. In den westlichen Industriel?ndern geschieht dies normalerweise auf drei Wegen:

  • Erstens werden der gr?sste Teil der Grundlagenforschung und ein kleinerer Teil der angewandten Forschung entweder direkt vom ?ffentlichen Sektor durchgeführt oder von ihm finanziert. Die Grundlagenforschung unterstützt die angewandte Forschung in der Privatwirtschaft, indem sie offen forscht, ihr Wissen und ihre Technologien in die Unternehmen transferiert, die Ansiedlung innovativer Unternehmen ausl?st und eigene Neugründungen f?rdert.
  • Zweitens k?nnen die L?nder innovative Aktivit?ten des Privatsektors durch Subventionen oder steuerliche Anreize für Forschung und Entwicklung (F&E) f?rdern. In letzter Zeit haben diese Formen von Industriepolitik weltweit an Bedeutung gewonnen.
  • Drittens k?nnen Regierungen Infrastrukturen wie Technologiezentren oder Mittel für spezifische Forschungsaktivit?ten bereitstellen, um F&E-Aktivit?ten auf bestimmte Technologien oder Anwendungen zu lenken.

Das einzigartige Schweizer System

Die ?ffentliche Hand unterstützt das Schweizer Innovationssystem, indem es sich auf die Grundlagen- und die angewandte Forschung fokussiert und dies kombiniert mit Programmen, die Hochschulen und Industrie miteinander verbinden. Die Schweiz vergibt vergleichsweise wenige direkte Subventionen an die Industrie, um deren Innovationsf?higkeit zu f?rdern.

?Die Schweiz ist das innovativste Land der Welt. Ihr Vorsprung ist aber kleiner geworden.?
Hans Gersbach, Martin W?rter

Die Gründe für diesen ?Schweizer Weg? der Zurückhaltung bei direkten Subventionen: Hierzulande gibt es immer noch viele Unternehmen mit relativ viel eigener Forschung und Entwicklung, so etwa in der Pharma- und Medtech-Industrie, im verarbeitenden Gewerbe allgemein und den Industrien der Informations- und Kommunikationstechnologie. Unser Land hat zudem eine lange Tradition in Bezug auf freien Handel und Kapital. Schliesslich ist ihre exportorientierte Industrie es gewohnt, sich im intensiven internationalen Wettbewerb mit technologisch führenden Unternehmen zu behaupten.

Der Schweizer Vorsprung schrumpft

Die Schweiz ist gem?ss verschiedenen Innovationsindices das innovativste Land der Welt. Ihr Innovationsvorsprung ist aber kleiner geworden. Das Schweizer Innovationssystem und die Schweizer Wirtschaft stehen zudem vor mehreren Herausforderungen: Erstens betreiben immer weniger Firmen eigene Forschungs- und Entwicklungsaktivit?ten, Innovationsaktivit?ten sind teuer und die internationale Konkurrenz holt auf. Zweitens haben China, die EU als Ganzes, einzelne EU-L?nder und die USA gross angelegte Industriesubventionsprogramme aufgelegt, um ihre Abh?ngigkeit vom Ausland zu reduzieren und die einheimische Wirtschaft zu st?rken. Drittens haben die OECD-L?nder beschlossen, eine Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne einzuführen. Das k?nnte die Attraktivit?t des Standorts Schweiz mindern, da ein betr?chtlicher Teil der Wertsch?pfung in der Schweiz von einer solchen Steuer betroffen ist.

Nicht in den Subventionswettlauf einsteigen

Wie soll die Schweiz auf diese ver?nderte Ausgangslage reagieren? Ein Einstieg in den Subventionswettlauf der oben erw?hnten L?nder ist aus unserer Sicht keine erfolgversprechende Option für unser Land. In der Regel ist der Nutzen einer noch so sorgf?ltig konzipierten Industriepolitik recht gering. Zudem ist die Schweiz zu klein, um in Schlüsseltechnologien oder auch nur einzelnen Produktkategorien autark zu werden. Jeder Versuch mit h?heren Subventionen w?re ?usserst kostspielig und letztlich zum Scheitern verurteilt.

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Natürlich ist es sinnvoll, durch Diversifizierung und Lagerhaltung die Versorgungssicherheit für einige wenige Schlüsselprodukte und -komponenten zu gew?hrleisten. Dazu sollte sie ihr Konzept für Versorgungssicherheit überarbeiten und es auf Widerstandsf?higkeit und Flexibilit?t ausrichten. Ein gutes Innovationssystem ist dabei hilfreich, da es die Widerstandsf?higkeit der Schweizer Wirtschaft verbessert und flexible Reaktionen auf Engp?sse bei bestimmten Produkten erm?glicht.

Von Wissens- und Technologietransfer profitiert die Wirtschaft

Ein starker ?ffentlicher Forschungssektor, kombiniert mit einer stetigen Verbesserung seiner Wissens- und Technologietransferkapazit?ten bleibt die beste Strategie im neuen Umfeld. Der Transfer von Wissen und Technologie aus dem ?ffentlichen in den privaten Bereich verschafft den Unternehmen Zugang zu den ?Rohstoffen? qualifizierte Arbeitskr?fte, fortschrittliches Wissen und neueste Technologien sowie zur Infrastruktur der Schweizer Hochschul- und Forschungsinstitutionen. Er hat das Potenzial, die meisten Herausforderungen zu bew?ltigen.

?Die Schweiz sollte weiterhin in ihr funktionierendes Forschungs- und Innovationssystem investieren.?
Hans Gersbach, Martin W?rter

Im Bereich Forschung und Entwicklung gibt es zudem mehrere M?glichkeiten, auf die OECD-Mindeststeuer zu reagieren: Neben der F?rderung des Transfers kommen eine Erweiterung der kantonalen Steuergutschriften für Forschung und Entwicklung durch Unternehmen sowie eine Anpassung der F?rderbedingungen bei Innosuisse in Frage.

Zusammenfassend l?sst sich sagen, dass die Beibehaltung und St?rkung des bestehenden Schweizer Innovationssystems ein wesentlicher Teil einer angemessenen Antwort auf die aktuellen Herausforderungen ist. Das Bereitstellen von Wissen und Technologien durch die ?ffentlichen Bildungsinstitutionen und der Wissenstransfer in die private Wirtschaft sind ein wichtiger Rohstoff für die Schweizer Wirtschaft.  Deshalb sollte – trotz angespannter Finanzlage des Bundes – weiter in das funktionierende Forschungs- und Innovationssystem der Schweiz investiert werden. Ebenso zentral ist natürlich, dass das Unternehmertum gedeiht und Rahmenbedingungen wie der offene Zugang zu internationalen M?rkten für Waren, Dienstleistungen und Forschende beibehalten oder wenn m?glich noch verbessert werden.

Dieser Blogbeitrag erscheint auch als Meinungsbeitrag in der externe SeiteNZZ vom 07.02.2024.

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