Ein staubtrockener Weckruf

Sonia Seneviratne

Der Sommer 2022 hat uns vor Augen geführt, wie das Klima Jahr für Jahr extremer wird. Einfach weiter so und Anpassen wird nicht funktionieren. Nur ein schneller Ausstieg aus fossilen Energietr?gern kann Schlimmeres verhindern, sagt Sonia Seneviratne.

Bild eines ausgetrockneten Sees
Das Wasserland sitzt auf dem Trockenen. Lac de Brenets, im Sommer 2022. (Bild: Keystone / Laurent Gillieron)

Ausgetrocknete Flüsse und B?den in ganz Europa. Ernteverluste, verheerende Waldbr?nde und starke Gletscherschmelze. Tausende hitzebedingte Todesf?lle in den St?dten, notgeschlachtete Kühe in den Bergen. Das war der Sommer 2022 – einer der w?msten und der trockenste seit Messbeginn. H?tten Klimaforschende im Frühling vor solchen Extremen gewarnt – wir w?ren als Alarmist:innen verschrien worden. Dabei stimmt, was wir jetzt erleben, genau mit den Begutachtungen des Weltklimarats1 (IPCC) überein.

Wir wissen schon lange, was auf uns zukommt, und seit einigen Jahren sehen wir die ersten klaren Zeichen, dass wir die Krise ohne ernsthafte Massnahmen nicht bew?ltigen werden k?nnen. Jahrzehntelang wurde der Klimawandel von vielen als ferne Herausforderung bagatellisiert, an die wir uns problemlos anpassen k?nnten. Die letzten Monate haben uns gezeigt, dass die Realit?t eine andere ist.

Anpassen allein ist keine Option

Die Klimakrise ist da. Die Atmosph?re hat sich bereits um 1,2 Grad Celsius erw?rmt. Steigende Temperaturen und fehlender Regen trockneten diesen Sommer die B?den auf der Nordhalbkugel aus (vgl. ETH-News: ?Der Klimawandel machte die Sommerdürren 2022 wahrscheinlicher?, 06.10.2022). Wir haben berechnet, dass derartige Dürreverh?ltnisse im heutigen Klima etwa einmal in 20 Jahren zu erwarten sind – ohne menschgemachte Klimaerw?rmung w?ren es alle 400 Jahre. Die kombinierte Hitze-Dürre stellte auch die Schweiz vielerorts vor Probleme – selbst das Wasserschloss ist vor Wassermangel nicht gefeit. Zumal die Eisreserven in den Alpen in Rekordtempo schwinden.  

ETH-Klimarunde 2022

Die Sommerdürre 2022 ist auch Thema an der Klimarunde: ?Wetterextreme im Klimawandel: Wie gut sind wir vorbereitet?? Diskutieren Sie mit am Donnerstag, 20. Oktober 2022, von 15 bis 19 Uhr im Hauptgeb?ude der ETH Zürich.

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Erw?rmt sich die Erde weiter, ist in Zukunft mit noch st?rkeren und h?ufigeren Extremereignissen zu rechnen, als wir in den vergangenen Jahren gesehen haben: Hitzewellen, Trockenheit, Starkniederschl?ge und extreme Wirbelstürme. Der letzte IPCC-Bericht zeigt auch, dass wir rasch an Grenzen der Anpassung stossen, wenn nichts unternommen wird.

Fest steht: Jede Tonne CO2 heizt das extreme Klima weiter auf. Um das zu vermeiden braucht es eine radikale Abkehr von Erd?l, Gas und Kohle – und zwar so rasch wie m?glich. Denn jedes Zehntelgrad Erw?rmung z?hlt.

Die Wende ist m?glich

Der n?tige Ausstieg aus fossilen Energietr?gern ist machbar: Es gibt Alternativen in fast allen Sektoren – erneuerbare Energien, W?rmepumpen, Elektromobilit?t. Die CO2-Emissionen in der Schweiz stammen zu 93 Prozent aus der Verbrennung von Erd?l und Gas. Wenn es die Schweiz schafft, ihren CO2-Ausstoss bis 2030 zu halbieren, w?ren wir bereits auf Kurs mit dem Pariser Klimaziel, das die Erw?rmung auf rund 1,5 Grad stabilisieren will. Dazu müssen wir unseren Erd?l- und Gasverbrauch bis 2030 um 55 Prozent reduzieren.

?Unsere Abh?ngigkeit von Erd?l und Gas schadet dem Klima, kostet viel und macht Demokratien erpressbar durch Schurkenstaaten.?
Sonia Seneviratne

Das kürzlich verabschiedete ?Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die St?rkung der Energiesicherheit?2 wird den Weg zu netto null CO2 ebnen. Private, Firmen und Beh?rden k?nnen aber schon jetzt die Initiative ergreifen, um die Wende zu beschleunigen.

Vom Ausstieg aus den Fossilen wird die Schweiz nicht zuletzt geopolitisch profitieren, kann sie doch ihre Abh?ngigkeit von exportierenden autokratischen Regimen reduzieren. Unsere Abh?nigkeit von Erd?l und Gas schadet nicht nur dem Klima, sie kostet auch viel und macht Demokratien erpressbar durch Schurkenstaaten.

Mit den bisherigen Klimafolgen müssen wir allerdings leben. Sie werden in einer Netto-Null-Welt nicht verschwinden. Wir k?nnen die Erderw?rmung bestenfalls stabilisieren, aber kaum rückg?ngig machen. Beim Klima gibt es kein Zurück: Viele Konsequenzen sind unumkehrbar.

Ein trockener Weckruf für das Wasserschloss Schweiz

Dieser Sommer hat uns vor Augen geführt, wie das Klima Jahr für Jahr extremer wird. Dagegen k?nnen wir etwas tun, global und in der Schweiz. Jetzt handeln lohnt sich. Der Sommer 2022 soll uns ein Weckruf sein.

Sonia Seneviratne verfasste diesen Text auf der Basis eines Autorenbeitrags, der zuerst in der externe SeiteNZZ vom 10.10.2022 erschienen ist.
 

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