ETH-Forschende vermessen Gravitationskonstante neu

ETH-Forschende haben mit einer neuen Messtechnik die Gravitationskonstante G neu bestimmt. Obwohl der gemessene Wert noch eine hohe Unsicherheit aufweist, hat die Methode ein grosses Potenzial, um eines der fundamentalsten Naturgesetze zu überprüfen.

Messgeräte im Labor
Mit dieser Versuchsanordnung gelang es ETH-Forschenden, die Gravitationskonstante neu zu bestimmen. (Bild: Jürg Dual / IMES / ETH Zürich)

Die Gravitationskonstante G bestimmt die St?rke der Schwerkraft. Diese sorgt dafür, dass ?pfel zu Boden fallen, oder dass die Erde um die Sonne kreist. Isaac Newton hat vor über 300 Jahren das Gravitationsgesetz formuliert, in dem diese Naturkonstante vorkommt. Sie l?sst sich nicht mathematisch herleiten, sondern nur experimentell ermitteln.

Obwohl Wissenschaftler:innen im Lauf der Zeit zahlreiche Experimente durchgeführt haben, um den Wert der Gravitationskonstante zu bestimmen, befriedigt der derzeit gültige Wert die Fachwelt nicht. Er ist noch immer ungenauer als der Wert jeder anderen fundamentalen Naturkonstante, zu denen etwa die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum geh?rt.

Dass die Schwerkraft nur ?usserst schwer zu fassen ist, hat damit zu tun, dass sie nur sehr schwach ist und sich auch nicht abschirmen l?sst: Misst man die Schwerkraft zwischen zwei K?rpern, misst man auch die Wirkung aller anderen K?rper der Welt mit.

?Die einzige M?glichkeit diese Situation aufzul?sen, besteht darin, die Gravitationskonstante mit m?glichst vielen verschiedenen Methoden zu ermitteln?, erkl?rt Jürg Dual, Professor am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich. Er und seine Mitarbeitenden stellen nun in der Fachzeitschrift ?Nature Physics? ein neues Experiment vor, mit dem sie die Gravitationskonstante erneut bestimmt haben.

Neuartiges Experiment in alter Festung

Um St?rquellen m?glichst auszuschliessen, baute Duals Team die Messeinrichtung in der ehemaligen Festung Furggels bei Pf?fers ob Bad Ragaz auf. Der Versuchsaufbau besteht aus zwei in Vakuumkammern aufgeh?ngten Balken. Den einen versetzen die Forschenden in Vibration. Durch die Gravitationskopplung begann auch der zweite Stab minim (im Pikometerbereich – also ein Billionstel Meter) zu vibrieren. Die ETH-Forschenden massen schliesslich mit Lasermessger?ten die Bewegung der beiden vibrierenden Balken und die Messung dieses dynamischen Effekts erlaubte Rückschlüsse auf die Gr?sse der Gravitationskonstante.

Der Wert, den die Forschenden auf diese Weise ermittelten, liegt um 2,2 Prozent h?her als die derzeit offizielle Gr?sse, welche das Committee on Data for Science and Technology angibt. Allerdings ist der neue Wert mit einer grossen Unsicherheit behaftet, r?umt Dual ein: ?Für einen zuverl?ssigen Wert muss diese Unsicherheit noch deutlich reduziert werden. Wir sind bereits daran, Messungen mit einem leicht ver?nderten Versuchsaufbau durchzuführen, um die Konstante G noch genauer bestimmen zu k?nnen. Erste Resultate sind verfügbar, aber noch nicht publiziert. ?Wir sind auf dem richtigen Weg?, best?tigt Dual.

Das Experiment l?uft ferngesteuert von Zürich aus. Das reduziert St?rungen durch Personal, das vor Ort anwesend ist, auf ein Minimum. Die Forschenden k?nnen die Messdaten jederzeit in Echtzeit anschauen.

Die Messgeräte im Labor
Für das Experiment wird ein orangener Stab in Vibration versetzt, was einen blauen Stab auf Grund von Gravitationskr?ften in Bewegung versetzt. Die ?usserst geringen Vibrationen der St?be werden von vier Laserger?ten hochpr?zise erfasst. (Bild: Jürg Dual / IMES / ETH Zürich)

Einblick in die Geschichte des Universums

Für ihn liegt der Vorteil der neuen Methode darin, dass die Schwerkraft über die vibrierenden St?be dynamisch gemessen werde. ?Bei dynamischen Messungen spielt es im Gegensatz zu statischen keine Rolle, dass sich die von anderen K?rpern wirkende Schwerkraft nicht abschirmen l?sst?, erkl?rt er. Er hofft daher, dass er und sein Team mit dem Experiment dazu beitragen k?nnen, das R?tsel der Gravitation zu knacken. Die Wissenschaft hat diese Naturkraft oder die Experimente, die sich darauf beziehen, noch immer nicht vollst?ndig verstanden.

Ein besseres Verst?ndnis der Gravitation würde es beispielsweise erlauben, die Signale von Gravitationswellen besser zu interpretieren. Solche Wellen konnten im Jahr 2015 in den LIGO-Observatorien in den USA erstmals nachgewiesen werden. Sie waren das Resultat von zwei sich umkreisenden Schwarzen L?chern, die in rund 1,3 Milliarden Lichtjahren Entfernung zur Erde verschmolzen waren. Seither konnten Wissenschaftler:innen dutzende solche Ereignisse dokumentieren. K?nnte man solche Ereignisse detailliert nachzeichnen, liessen sich neue Einblicke in das Universum und dessen Geschichte gewinnen.

Kr?nender Karriereabschluss

Jürg Dual besch?ftigt sich seit 1991 mit Methoden zur Messung der Gravitationskonstante, stellte die Arbeit daran zwischenzeitlich aber wieder ein. Die Beobachtung von Gravitationswellen am LIGO verlieh seiner Forschung neuen Schub, und 2018 nahm er die Gravitationsforschung wieder auf. 2019 richtete die Gruppe das Labor in der Festung Furggels ein und setzte neue Experimente auf. Am Projekt beteiligt waren nebst den Wissenschaftlern aus Duals Gruppe auch Infrastrukturpersonal wie Reinraumspezialisten, ein Elektroingenieur und ein Mechaniker sowie eine Statistikerin. ?Dieses Experiment ist nur dank eines jahrelangen Team-Efforts zustande gekommen.?.

Dual wird Ende Juli dieses Jahres emeritiert, seine Abschiedsvorlesung hat er bereits gehalten. ?Dieses gelungene Experiment ist ein sch?ner Abschluss meiner Laufbahn?, sagt er.

Dieser Text basiert auf der Keystone-SDA-Meldung von Stephanie Schnydrig.

Literaturhinweis

Brack T, Zybach B, Balabdaoui F, et al. Dynamic measurement of gravitational coupling between resonating beams in the hertz regime. Nature Physics, 11. Juli 2022, doi: externe Seite10.1038/s41567-022-01642-8

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert