Ein dicht besiedelter Slum aus der Vogelperspektive

Schweizer Bevölkerung will Entwicklungszusammenarbeit ausbauen

Eine erstmals durchgeführte repr?sentative Umfrage zeigt: Die Schweizer Bev?lkerung sorgt sich um die globale Armut, setzt sich für deren Reduktion ein – und fordert ein st?rkeres Engagement der Schweiz.


(Bild: Peter H. Maltbie / Shutterstock)

ETH-Forschende haben Ende 2021 erstmals eine Umfrage zur Einstellung der Schweizer Bev?lkerung zur Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt. Rund 2800 Personen nahmen daran teil. Die Ergebnisse wurden heute publiziert. ?Mit dieser Befragung m?chten wir einen Beitrag zur ?ffentlichen Diskussion und Meinungsbildung leisten?, erkl?rt die Co-Leiterin des NADEL - Center for Development and Cooperation Prof. Isabel Günther.

Unterstützung für ein umfassenderes Engagement

Mehr als die H?lfte (55%) der Befragten ist der Meinung, dass die ?ffentlichen Ausgaben der Schweiz für die Entwicklungszusammenarbeit erh?ht werden sollten.

Gleichzeitig übersch?tzen die meisten (80%) diese Ausgaben. Wird offengelegt, dass j?hrlich 350 bis 400 Franken pro Einwohner:in (insgesamt 3.3 Milliarden) für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt werden, unterstützen gar 71 Prozent der Befragten eine Erh?hung der ?ffentlichen Ausgaben zur Reduktion der globalen Ungleichheit.

Neben dem finanziellen Engagement hat auch die Schweizer Politik einen Einfluss auf globale Armut. ?Steuerpolitik, Handelspolitik oder Klimapolitik k?nnen die internationale Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz unterstützen oder untergraben?, sagt Dr. Fritz Brugger, Co-Leiter der Studie. Die Umfrage zeigt, dass die Bev?lkerung auch politische Massnahmen unterstützt, die mit potenziellen Einbussen für die Schweizer Wirtschaft verbunden sind. So würden 70 Prozent der Befragten den Patentschutz für Covid-Impfstoffe im Interesse ?rmerer L?nder tempor?r aufheben. Ebenfalls werden Massnahmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung durch Schweizer Unternehmen (90%), eine wirksame Klimapolitik (76%) und Massnahmen, die verhindern, dass multinationale Unternehmen Gewinne zur Steueroptimierung in die Schweiz verschieben (74%), als wichtig für die Bek?mpfung der globalen Armut angesehen.

Schweizer Bev?lkerung ist besorgt über globale Armut

Laut Umfrage sind 70 Prozent der Befragten besorgt über das Ausmass der globalen Armut. Dabei übersch?tzen sie die globalen Einkommensverh?ltnisse. Nur jede vierte befragte Person ist sich bewusst, dass mehr als 60 Prozent der Weltbev?lkerung von weniger als zehn Dollar am Tag lebt. Deshalb wird auch die eigene Position in der globalen Einkommensverteilung oft nicht richtig wahrgenommen: Lediglich eine von zehn befragten Personen gab an, dass sie selbst zu den reichsten zehn Prozent der Weltbev?lkerung geh?rt; tats?chlich z?hlen aber kaufkraftbereinigt 60 Prozent der in der Schweiz lebenden Personen zu dieser Bev?lkerungsgruppe.

Auf der anderen Seite werden Fortschritte in der Bek?mpfung der extremen Armut von 97 Prozent untersch?tzt. Die Anzahl der Menschen, die von weniger als zwei Dollar am Tag leben müssen, ist in den letzten zwei Jahrzehnten um mehr als die H?lfte zurückgegangen. ?Heute leben weniger als 800 Millionen Menschen in extremer Armut, w?hrend es im Jahr 2000 noch über 1.6 Milliarden waren?, sagt Prof. Isabel Günther.

Die Umfrage zeigt auch: Informationen zur globalen Ungleichheit beziehen die Befragten vor allem aus den Medien. Schulbildung wurde nur von jeder zehnten Person angegeben. Ein Drittel der Befragten gab an, dass sie gerne besser über die Lebensumst?nde in anderen Teilen der Welt informiert werden m?chten.

Grosses privates Engagement

Die Befragten ?ussern nicht nur eine hohe Unterstützung für die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz. Sie sch?tzen auch multilaterale Organisationen wie die UNO, die WHO und die Weltbank als besonders effektiv in der Armutsbek?mpfung ein. Und sie engagieren sich privat: Weit verbreitet sind das Spenden an Organisationen, die sich für die globale Armutsbek?mpfung einsetzen (36%) wie auch der Verzicht auf bestimmte Produkte (53%). Zum Vergleich: In den Nachbarl?ndern Deutschland und Frankreich spenden nur etwa 20 Prozent der Bev?lkerung für diese Zwecke oder verzichten auf Produkte. Weniger als 20 Prozent der Befragten in der Schweiz gaben an, sich im Jahr 2021 nicht mit dem Thema globale Armut und Ungleichheit auseinandergesetzt zu haben. In anderen reichen L?ndern waren es etwa 30 Prozent.

Umfrage soll j?hrlich durchgeführt werden

Die Umfrage erg?nzt die drei bereits bestehenden j?hrlich durchgeführten schweizweiten ETH-Umfragen Schweizer Studie Sicherheit (CSS / Milak), Schweizer Umweltpanel (ISTP/BAFU) und Schweizer Mobilit?tspanel (ISTP). Bis 2030 soll die Umfrage Swiss Panel Global Cooperation j?hrlich durchgeführt werden: Bis dahin sollen auch die UNO Ziele für Globale Nachhaltige Entwicklung erreicht werden. Die Schweiz hat sich 2015 zu diesen Zielen verpflichtet und sie zur Grundlage für ihre Strategie ?Nachhaltige Entwicklung 2030? gemacht.

Kontakt

Fritz Brugger

ETH Zürich
NADEL – Center for Development and Cooperation

Anna Maltsev

ETH Zürich
Medienstelle

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