Sicherheit in Asien betrifft auch Europa

Europa muss sich mit Asien befassen, weil es von Stabilit?t und Sicherheit in diesen Raum profitiert. Dabei lohnt sich ein differenzierter Blick auf die verschiedenen asiatischen L?nder, davon ist Linda Maduz überzeugt.

Linda Maduz

Asiens geopolitisches Gewicht w?chst rasant, was Europa zu einer verst?rkten Auseinandersetzung mit der Region zwingt. Asien beherbergt nicht nur die schnellst wachsenden M?rkte der Welt, sondern auch sicherheitspolitische Brennpunkte von globaler Bedeutung, wie zum Beispiel das Südchinesische Meer. Letztere gewinnen durch den amerikanisch-chinesischen Weltkonflikt, der Asien zum Hauptschauplatz hat, an neuer Brisanz. Welche Trends gilt es für europ?ische L?nder also zu beachten in ihrem zukünftigen Engagement mit Asien?

Die Regionalordnung in Asien befindet sich im Umbruch und ist von einer neuen grundlegenden Instabilit?t gekennzeichnet. Seit gut zehn Jahren macht die aufsteigende Weltwirtschaftsmacht China auch verst?rkt einen politischen Führungsanspruch geltend und fordert die seit 1945 von den USA angeführten regionale Architektur heraus. Insbesondere Pekings milit?risch ausschweifendes Gebaren in der Nachbarschaft befeuert alte und neue Konflikte. Seine wachsende wirtschaftliche Dominanz schürt zudem die Angst vor einer zu grossen Abh?ngigkeit. Die amerikanischen Bemühungen der letzten Jahre – zusammen mit Alliierten und Partnern – die bisherige Ordnung und damit die eigene Führungsrolle in der Region zu sichern, tragen ebenfalls zum zunehmend konfrontativen Umfeld bei.

Weltkarte
Der asiatische Raum – grosse Player und kleine Staaten (Bild: Lesniewski / Adobe Stock)

Besonders negativ betroffen von den gegenw?rtigen Konfliktdynamiken sind Asiens Klein- und Mittelm?chte, wie Singapur oder Südkorea. Mit Blick auf die Region fokussieren Forschung und Politik jedoch oft auf China und die USA. Aufmerksamkeit erhalten auch Mittelm?chte mit neuen regionalen Ambitionen, die die entstehende Ordnung in Asien mitgestalten wollen und dazu auch Partnerschaften mit europ?ischen L?ndern suchen. Dazu geh?ren Australien, Indien und Japan. Sie spielen eine aktive Rolle, wenn es darum geht, unter dem Begriff ?Indopazifik?, die ganze Region konzeptionell neu zu denken. Vor diesem Hintergrund werden Kooperationsformate, wie der Quadrilaterale Sicherheitsdialog oder die AUKUS-Sicherheitspartnerschaft reaktiviert oder neu kreiert. Das heisst, wir sehen einen Trend weg von multilateralen hin zu minilateralen L?sungen – diese halte ich aber für problematisch, weil sie oft intransparent und weniger inklusiv sind. Sprich, sie sind nicht unbedingt im strategischen Interesse kleinerer L?nder Asiens.

Polarisierung auch in den L?ndern selber

Die schnellen regionalen Umw?lzungen werden von destabilisierenden, innenpolitischen Entwicklungen begleitet. ?ber die L?nder Asiens hinweg betrachtet, nimmt die Polarisierung entlang ethnisch-nationalistischer, religi?ser und ideologischer Linien zu. Zudem erleben L?nder wie Indonesien, die Philippinen oder Thailand, die lange als zuverl?ssige internationale Partner galten, einen drastischen demokratischen Zerfall und eine deutliche Verschlechterung der Menschenrechtslage. Sie sind damit Teil eines Trends, der weltweit seit gut 15 Jahren beobachtbar ist und der politischen Stabilit?t dieser L?nder abtr?glich ist.

?W?hrend der Pandemiejahre 2020 und 2021 haben illiberale und autorit?re Praktiken zugenommen.?Linda Maduz

Unter der aktuellen thail?ndischen Regierung kam es in den letzten Jahren beispielsweise zu gezielten T?tungen von Oppositionellen und der politisch motivierten Aufl?sung einer grossen Oppositionspartei. W?hrend der Pandemiejahre 2020 und 2021 haben illiberale und autorit?re Praktiken zugenommen - insbesondere auch in autorit?ren Regimen wie in Kambodscha. Doch sind all diese Entwicklungen wenig bekannt und was mich erstaunt: Reaktionen aus Europa sind entweder sehr moderat oder sie fehlen ganz.

Alle im gleichen Boot

Dies erstaunt umso mehr, weil w?hrend der Pandemie das Bewusstsein in Europa gewachsen ist, dass eigene strategische Interessen eng mit Entwicklungen in Asien verknüpft sind. Die negativen Folgen eines Unterbruchs von Handelsrouten und Lieferketten in und von der Region – zum Beispiel infolge eines Konfliktausbruchs – w?ren auch in Europa empfindlich spürbar. Diese strategische Verflechtung wird auch in Indopazifik-Positionspapieren von L?ndern wie Frankreich, Deutschland, Holland oder der EU anerkannt. In diesem Sinne sitzen wir alle im gleichen Boot.

Ich bin überzeugt, dass Europa einen konstruktiven Beitrag zu Frieden, Stabilit?t und Sicherheit in Asien leisten kann. Einzelne, grosse geopolitische Gesten, wie das Entsenden von Kriegsschiffen in die Region – wie 2021 gesehen – sollten dabei nur ein Element eines ausgewogeneren und zielführenden europ?ischen Engagements darstellen. Als besonders wichtig erachte ich Massnahmen, welche kleinere L?nder, wie diejenigen Südostasiens, vor Ort st?rken und diese in gesamtregionale L?sungen einbinden. Dabei k?nnte Europa auf bestehendes Knowhow im Bereich der F?rderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Multilateralismus zurückgreifen. Wichtig w?re die St?rkung politischer und gesellschaftlicher Stabilit?t und Vielfalt dieser L?nder. Ihre Resilienz wird mitentscheiden, wie sich Asien innerhalb komplexer Konfliktkonstellationen und unter dem Vorzeichen grosser geopolitischen Verschiebungen entwickeln wird.

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