Wie Sehnen steifer und stärker werden

Forschende der ETH Zürich und der Universit?t Zürich entschlüsselten die zellul?ren Mechanismen, dank denen sich Sehnen mechanischen Belastungen anpassen k?nnen. Menschen, die eine bestimmte Variante eines Schlüsselgens dieses Mechanismus tragen, k?nnen besser springen als andere.

Illustration Sehnen
Die Genetik beeinflusst die Steifigkeit der Sehnen und die Leistung von Athleten. (Grafik: ETH Zürich / Viktor Koen)

Sehnen verbinden die Muskeln mit den Knochen. Sie sind verh?ltnism?ssig dünn, müssen aber gewaltige Kr?fte aushalten. Sind die Sehnen leicht elastisch, k?nnen sie hohe Belastungen wie zum Beispiel einen Stoss aufnehmen ohne dabei zu reissen. In Sprint- und Sprung-betonten Sportarten sind allerdings steife Sehnen ein Vorteil, denn sie übertragen die in den Muskeln entfalteten Kr?fte direkter auf die Knochen. Entsprechendes Training führt denn auch zu einer optimalen Versteifung der Sehnen.

Forschende der ETH Zürich und der Universit?t Zürich, die an der Universit?tsklinik Balgrist in Zürich t?tig sind, haben nun entschlüsselt, wie die Zellen der Sehnen mechanische Belastungen wahrnehmen und die Sehnen an die Anforderungen des K?rpers anpassen k?nnen. Sie haben ihre Erkenntnisse in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins externe SeiteNature Biomedical Engineering ver?ffentlicht.

Kern des neuentdeckten Mechanismus ist ein molekularer Kraftsensor in den Zellen der Sehnen, ein sogenanntes Ionenkanal-Protein. Dieses erkennt, wenn sich die Kollagenfasern, aus denen die Sehnen bestehen, gegeneinander in L?ngsrichtung verschieben. Kommt es zu einer starken solchen Scherbewegung, l?sst der Sensor Kalziumionen ins Innere der Sehnenzellen str?men. Dies f?rdert die Produktion bestimmter Enzyme, welche die Kollagenfasern miteinander verbinden. Die Sehnen verlieren dadurch an Elastizit?t, sie werden steifer und st?rker.

Genvariante mit überschiessender Reaktion

Interessanterweise kommt das dafür verantwortliche Ionenkanal-Protein bei Menschen in verschiedenen genetischen Varianten vor. So haben andere Wissenschaftler vor wenigen Jahren gezeigt, dass eine bestimmte Variante mit dem Namen E756del bei Personen mit westafrikanischer Abstammung geh?uft vorkommt. Damals war die Bedeutung dieses Proteins für die Sehnensteifigkeit noch nicht bekannt. Ein Drittel der Personen mit afrikanischer Abstammung tr?gt diese Genvariante, w?hrend sie in anderen Bev?lkerungsgruppen nur selten ist. Diese Genvariante schützt ihre Tr?ger vor schweren Verl?ufen der Tropenkrankheit Malaria. Die Wissenschaft geht davon aus, dass sich die Variante wegen dieses Vorteils in dieser Bev?lkerungsgruppe durchsetzen konnte.

Die Forschenden unter der Leitung von Jess Snedeker, Professor für orthop?dische Biomechanik an der ETH Zürich und der Universit?t Zürich, konnten nun zeigen, dass M?use mit dieser Genvariante steifere Sehnen haben. Sie halten es für wahrscheinlich, dass diese Genvariation dazu führt, dass die Anpassungsreaktion der Sehnen auf Training ?überschiesst?.

Grosser Leistungsvorteil

Dies wirkt sich auch direkt auf die Sprungkraft bei Menschen aus, wie die Wissenschaftler in Untersuchungen mit 65 freiwilligen afroamerikanischen Studienteilnehmenden zeigten. Von den Teilnehmenden trugen 22 die Variante E756del, bei den restlichen 43 kam diese Variante nicht vor. Weil die Sprungkraft einer Person von sehr vielen Faktoren abh?ngt, unter anderem von K?rperbau, Training und allgemeiner Fitness, verglichen die Forschenden die Leistung der Probanden w?hrend eines langsamen und eines schnellen Sprungs. Sehnen spielen w?hrend langsamen Sprüngen nur eine kleine Rolle, sind aber bei schnellen Sprüngen besonders wichtig. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler den Einfluss der Genvariante auf die Sprungleistung untersuchen.

Dabei zeigte sich, dass Tr?ger der Variante E756del im Schnitt 13 Prozent besser abschnitten. ?Es ist faszinierend, dass eine Genvariante, die sich aufgrund einer Anti-Malaria-Wirkung herausgebildet hat, gleichzeitig mit besseren sportlichen F?higkeiten verbunden ist. Das hatten wir zu Beginn des Projekts nicht erwartet?, sagt Fabian Passini, Doktorand in Snedekers Gruppe und Erstautor der Studie. So k?nne es sein, dass diese Genvariante teilweise erkl?rt, warum Athleten mit Abstammung aus L?ndern, wo E756del sehr h?ufig ist, bei sportlichen Wettk?mpfen brillieren, etwa im Sprint, im Weitsprung oder beim Basketball. Bis jetzt gibt es noch keine wissenschaftliche Untersuchung, ob diese Genvariante unter Spitzenathleten geh?uft vorkommt. Eine entsprechende Untersuchung w?re jedoch wissenschaftlich interessant, sagt Passini.

Dass nun der Kraftsensor und der Mechanismus bekannt sind, mit dem sich Sehnen an k?rperliche Anforderungen anpassen k?nnen, ist auch für die Physiotherapie wichtig. ?Wir verstehen nun besser, wie Sehnen funktionieren. Das dürfte auch helfen, Sehnenverletzungen in Zukunft besser therapieren zu k?nnen?, sagt Snedeker. Mittelfristig sei ausserdem die Entwicklung von Medikamenten denkbar, welche an den neuendeckten Kraftsensor andockten. Solche k?nnten dereinst helfen, Sehnen- und andere Bindegewebserkrankungen zu heilen.

Diese Studie wurde vom externe SeiteSchweizerischen Nationalfonds unterstützt.

Literaturhinweis

Passini FS, Jaeger PK, Saab AS, Hanlon S, Chittim NA, Arlt MJ, Ferrari KD, Haenni D, Caprara S, Bollhalder M, Nieder?st B, Horvath AN, G?tschi T, Ma S, Passini-Tall B, Fucentese SF, Blache U, Silván U, Weber B, Silbernagel KG, Snedeker JG: Shear-stress sensing by PIEZO1 regulates tendon stiffness in rodents and influences jumping performance in humans Nature Biomedical Engineering 2021, doi: externe Seite10.1038/s41551-021-00716-x

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