Kriminalitätsmuster mit Standortdaten aufdecken

Wie sich Menschen in St?dten bewegen, l?sst darauf schliessen, wann und wo besonders viele Delikte geschehen. Das haben ETH-Forschende anhand von Millionen anonymisierter Standort-Daten gezeigt.

Satellitenbild
Satellitenbild der Stadt Philadelphia. Wo die Forschenden anhand der Standortdaten mehr Mobilit?t feststellten, fanden sie auch mehr Kriminalit?t. (Bild: ?Halina - stock.adobe.com)

Wann und wo entsteht in St?dten Kriminalit?t? Um diese Frage zu beantworten, stützten sich Kriminalisten bisher auf recht statische Modelle. Kriminalit?t wurde etwa in Verbindung gebracht mit der Zusammensetzung der Wohnbev?lkerung eines Viertels oder mit der Nutzung der jeweiligen Gebiete. Welchen Einfluss die Mobilit?t auf die Entstehung von Kriminalit?t hat, wusste man bisher nicht.

Forschende der ETH Zürich, der University of Cambridge und der New York University konnten jetzt erstmals beweisen, dass die Kriminalit?t in einem direkten Zusammenhang damit steht, wo in einer Stadt sich wie viele Menschen aufhalten und wohin sie sich bewegen. Die Informatikerin Cristina Kadar, ehemalige Doktorandin am Mobiliar Lab für Analytik der ETH, hat die Studie geleitet. Kürzlich pr?sentierte Sie die Resultate an einer (virtuell abgehaltenen) Konferenz zu Computergestützten Sozialwissenschaften.

Bewegungsflüsse analysiert

Die Bewegungsflüsse errechneten die Forschenden aus aggregierten und anonymisierten Standortdaten. Sie verwendeten dafür drei komplette anonymisierte Datens?tze der Standortdaten-Plattform Foursquare aus den St?dten San Francisco, Chicago und Philadelphia aus den Jahren 2012 und 2013. Diese bestehen aus Millionen sogenannter Check-ins, also von Nutzerinnen und Nutzern aktiv geteilten Standorten. Bevor die Firma die Daten den Wissenschaftlern zur Verfügung stellte, wurden personenbezogene Angaben und s?mtliche Check-ins an der Heimadresse der Nutzer gel?scht.

Diese Datens?tze verglichen die Forschenden mit Kriminalit?tsstatistiken aus demselben Zeitraum. Konkret berücksichtigten sie in ihren Analysen die Straftaten Diebstahl, Raub, K?rperverletzung, Einbruch und Fahrzeugdiebstahl.

Mehr Aktivit?t, mehr Kriminalit?t

Das Resultat: Je mehr Aktivit?t die Daten der Plattform für eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Bezirk anzeigten, desto mehr Delikte fanden die Forscher auch.

Als Aktivit?t z?hlten die Forschenden zum einen Check-ins, welche zum Beispiel Aufenthalten in Restaurants, L?den oder Sportst?tten entsprechen und zum anderen Durchquerungen, wenn Personen einen bestimmten Bezirk zwischen zwei Check-ins nur passierten. Die Pfade zwischen zwei Check-ins kalkulierten die Forschenden aus den Annahmen, dass die Nutzer jeweils den kürzesten Weg w?hlen und sich an bestehenden Verkehrswegen orientieren.

Gefahr lauert unterwegs

Den gr?sseren Einfluss auf die Kriminalit?tsraten haben dabei sogar die Durchquerungen. Mit anderen Worten: Kriminalit?t entsteht am h?ufigsten dort, wo Menschen zwischen zwei Routine-Aktivit?ten durchreisen. Also zum Beispiel auf dem Weg zwischen Arbeit, Einkauf und Freizeitaktivit?ten. Die Ergebnisse belegen eine bekannte Theorie aus der Kriminalistik, wonach Delikte dort geschehen, wo sich die Wege von T?tern und Opfern kreuzen.

Cristina Kadar sagt: ?Ich bin begeistert, dass sich mit Daten, die prim?r nichts mit Kriminalit?t zu tun haben, Kriminali?t so gut beschreiben l?sst?. Noch nie habe man den Zusammenhang zwischen der Mobilit?t von Menschen und Kriminalit?t zeitlich und r?umlich so feink?rnig aufzeigen k?nnen.

Die Forschenden schlüsselten die Analyse auch auf verschiedene Aktivit?tstypen und Delikte auf. Dabei zeigte sich, dass an Orten und in Zeitfenstern, wo viele Freizeitaktivit?ten stattfanden, auch mehr Kriminalit?t verzeichnet wurde, w?hrend dies etwa beim Shopping nicht zutraf. Bei den Delikten fanden die Forschenden den st?rksten Zusammenhang zwischen Aktivit?t und Diebst?hlen, den schw?chsten zwischen Aktivit?t und Raubüberf?llen.

Auch Prognosen m?glich

Zus?tzlich prüften die Forschenden, ob es mit Hilfe der Mobilit?tsdaten auch m?glich ist, mittels maschinellem Lernen Kriminalit?t vorherzusagen. Dazu trainierten sie verschiedene Modelle einmal mit den Foursquare-Datens?tzen und einmal nur mit Daten zu vergangenen Delikten. Danach prüften sie die Prognosegenauigkeit anhand der effektiv verzeichneten Delikte. Das Resultat: Die Vorhersagemodelle mit Mobilit?tsdaten schnitten deutlich besser ab als Vorhersagen, die auf Deliktdaten beruhen.

Beitrag zur Forschung

Kadar sieht ihre Studie prim?r als Beitrag zur Forschung. Indem sie Beweise für die Crime-Pattern-Theorie liefere, helfe sie, die Entstehung von Kriminalit?t besser zu verstehen. Zudem zeige sie die Nützlichkeit von Big Data für die computergestützte Sozialwissenschaft.

Bevor jedoch die ?ffentliche Hand die Erkenntnisse dafür nutzen kann, um St?dte sicherer zu gestalten, müssten sie durch weitere Studien validiert werden. Um m?gliche Verzerrungen im Datensatz auszugleichen, müsste die Analyse demnach mit einer Reihe von zus?tzlichen Datens?tzen überprüft werden. Zudem würden die Aussagen für Grossst?dte gelten, wom?glich aber nicht für kleinere.

Literaturhinweis

Kadar C, Feuerriegel S, Anastasios N, Mascolo C: Leveraging Mobility Flows from Location Technology Platforms to Test Crime Pattern Theory in Large Cities. externe SeiteProceedings of the International Conference on Web and Social Media 2020.

Weitere Informationen

Das Mobiliar Lab für Analytik ist eine von der ETH Zürich und der Mobiliar Versicherung gemeinsam getragene Forschungsgruppe am Departement für Management, Technologie und ?konomie.

www.mobiliarlab.ethz.ch

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert