ETH-Professor neuer Leiter der Science Task Force

ETH-News: Herr Ackermann, Sie werden der neue Pr?sident der Nationalen Science Task Force ¨C wie kam es dazu?
Martin Ackermann: Als ich als Vizepr?sident angefragt wurde, ob ich neu das Pr?sidium ¨¹bernehmen m?chte, habe ich gerne zugesagt, weil ich davon ¨¹berzeugt bin, dass die Task Force eine wichtige und sinnvolle Aufgabe erf¨¹llt. Die Task Force, das sind rund 70 Forschende ¨C darunter 12 Kolleginnen und Kollegen aus der ETH Z¨¹rich ¨C die sich alle freiwillig und unentgeltlich engagieren, um die Schweiz m?glichst gut durch diese Krise zu bringen. Es ist ein Privileg, ein solch ausserordentliches Netzwerk zu pr?sidieren, aber gerade, weil die Situation so einmalig ist, habe ich nat¨¹rlich auch grossen Respekt vor der Aufgabe. Ich bin zudem froh, dass wir in den letzten Monaten unglaublich viel gelernt haben, zum Beispiel wie wir am besten mit den Beh?rden zusammenarbeiten. Darauf k?nnen wir aufbauen.      

Die Coronakrise hat sich in der Schweiz entsch?rft. Warum braucht es die Task Force noch?
Wir haben die Krise noch nicht ¨¹berstanden. Jetzt m¨¹ssen wir uns Gedanken machen, wie wir diese Krise nicht nur eind?mmen sondern l?ngerfristig l?sen. Welche Strategie soll die Schweiz f¨¹r die n?chsten Monate entwickeln und umsetzen? Diese Frage wird meiner Meinung nach noch zu wenig diskutiert und genau hier setzt die Task Force an ¨C in einem externe SeiteGrundlagenpapiercall_made hat sie erarbeitet, welches die wichtigsten Fragen sind, die aus wissenschaftlicher Sicht angegangen werden sollten.

Und wo m?chten Sie mit der Task Force die Schwerpunkte setzen?
Es gibt drei wesentliche Punkte: Erstens geht es um die Frage, wie wir die aktuelle Situation gut im Griff behalten. Konkret bedeutet das: Wir m¨¹ssen bei gr?sstm?glicher Freiheit die am wenigsten schmerzhaften Massnahmen treffen, um die Fallzahlen tief zu halten. Zweitens ist es wichtig, dass wir neue Erkenntnisse laufend analysieren, beurteilen und in eine Strategie einbauen. Zum Beispiel verstehen wir mittlerweile viel besser, wie SARS-CoV-2 ¨¹bertragen wird, und k?nnen so ?bertragungen besser verhindern. Drittens m¨¹ssen wir damit anfangen zusammenzutragen, welches f¨¹r die Schweiz die wichtigsten Learnings aus den vergangenen Monaten sind. Ziel ist, L?sungen zu finden f¨¹r die aktuelle Krise und auf die n?chste Krise besser vorbereitet zu sein. 

Es f?llt auf, dass die Task Force im neuen Papier wirtschaftliche Aspekte sehr betont ¨C warum?
Wir haben festgestellt, dass in der ?ffentlichen Diskussion h?ufig Wirtschaft und Gesundheit gegeneinander abgewogen wurde. Diese Abw?gung beruht auf der Vorstellung, dass allein die konkreten Massnahmen die Wirtschaft schw?chen, doch diese Idee hat sich als falsch herausgestellt: Auch die Angst der Bev?lkerung vor Corona l?hmt die Wirtschaft. Deshalb m?chten wir in der Task Force diese Mechanismen besser verstehen. Wirtschaft und Gesellschaft k?nnen sich nur erholen, wenn wir das Virus unter Kontrolle halten.   

Nun hat die Task Force auch ein neues Mandat bekommen ¨C was ?ndert sich?
Da der Krisenstab des Bundesrats aufgel?st wurde, ist neu die Verbindung zwischen Task Force und BAG viel direkter. So sind regelm?ssige Treffen geplant, bei denen wir uns einen ?berblick ¨¹ber den aktuellen Erkenntnisstand und auch die offenen Fragen auf beiden Seiten verschaffen k?nnen. Damit sollten wir f?hig sein, noch schneller zu reagieren. Ein weiterer wichtiger Punkt: Wir haben einen noch besseren Datenaustausch vereinbart ¨C das ist essenziell, denn aussagekr?ftige Forschung beruht auf einer guten Datenbasis.   

Ihr Vorg?nger Matthias Egger war sehr pr?sent in der ?ffentlichkeit und hat teilweise das Vorgehen der Beh?rden auch kritisiert ¨C sind Sie aus dem gleichen Holz geschnitzt?
Ich bin beeindruckt, was Matthias Egger mit der Task Force auf die Beine gestellt hat ¨C aus meiner Sicht war er genau der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt. Die letzten Monate waren aber unglaublich intensiv und anstrengend ¨C dass er sich jetzt wieder vermehrt seinen Aufgaben beim SNF widmen m?chte, kann ich gut verstehen. Um die Frage zu beantworten: Ich fand es schon immer gut, dass viele Mitglieder der Task Force mit ihrer grossen Expertise auf einzelnen Gebieten in den Medien pr?sent sind. Ich werde in den Medien die Gesamtsicht der Task Force vertreten. Mein Eindruck ist, dass der Konsens in der Bev?lkerung zum Beispiel ¨¹ber die Massnahmen eher abgenommen hat, es kann deshalb gut sein, dass die Sicht der Task Force zu einzelnen Punkten noch mehr gefragt ist.

Und was passiert, wenn Sie und das BAG nicht einer Meinung sind?
Das ist gut! Wenn wir etwas durch die Coronakrise gelernt haben, dann doch, dass wir die Probleme nur gemeinsam l?sen k?nnen. Anderer Meinung zu sein und sich dar¨¹ber auszutauschen, ist in einer so aussergew?hnlichen Situation absolut zentral ¨C sonst w¨¹rde man sich wom?glich in die eine oder andere Richtung verrennen. Also diskutiert die Task Force intensiv mit den Beh?rden und kommuniziert dann ihre Betrachtungsweise und Argumente auch der ?ffentlichkeit.

Aus Ihrer Sicht: Wo steht die Schweiz in der Coronakrise?
Wir sind ¨C alle zusammen und mit vereinten Kr?ften ¨C bislang vergleichsweise gut durch diese Krise gekommen. Wir sind alle froh, dass wir die Fallzahlen in der Schweiz auf ein so tiefes Niveau gebracht haben und sie sich nun trotz eines neuen Anstiegs offenbar wieder stabilisieren. Es ist viel einfacher und weniger kostspielig, die Epidemie bei tiefen Fallzahlen unter Kontrolle zu halten als bei h?heren Fallzahlen. Nun sind wir in einer Phase, in der wir uns ¨¹berlegen m¨¹ssen, wie es weiter geht. Zentral ist f¨¹r mich der Glaube daran, dass wir es zusammen hinbekommen, diese Krise zu meistern.