Ein neues Netzwerk-Design für das «Internet aus dem Weltraum»

Eine neue Generation von tief fliegenden Satelliten verspricht ein ?Internet aus dem Weltraum?, das auch entlegene Weltregionen abdecken kann. Computerwissenschaftler der ETH Zürich schlagen nun ein neues Netzwerk-Design vor, das die Netzwerk-Kapazit?t solcher Systeme verdoppeln k?nnte.

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Wie die ETH-Informatiker Debopam Bhattacherjee und Ankit Singla das ?Internet aus dem Weltraum? verbessern. (Video: ETH Zürich / Bhattacherjee, D & Singla, A)

Noch spielen Satelliten keine tragende Rolle für die globale Internet-Infrastruktur. Das k?nnte sich bald ?ndern. Innerhalb der n?chsten zehn Jahre dürfte eine neue Generation von Satelliten die Voraussetzungen schaffen für ein eigentliches ?Internet aus dem Weltraum?, sagt Ankit Singla, Professor des Network Design & Architecture Lab der ETH Zürich. Sein Team untersucht, wie sich die Leistung grosser Rechennetzwerke einschliesslich des Internets verbessern l?sst.

Dank den kostensenkenden, technologischen Fortschritten des Raumfahrtsektors k?nnten die neuen Satellitensysteme Tausende von Satelliten einsetzen statt bloss Dutzende wie die bisherigen Systeme. Diese Satelliten liessen sich über Laserlicht so miteinander verlinken, dass sie ein Netzwerk bilden. Damit k?nnte die Abdeckung dieser Satelliten auch abgelegene Regionen erreichen, die heute keinen oder nur einen erschwerten Zugang zum Internet haben, weil sie nicht oder nur schlecht an die interkontinentalen Glasfaserkabel angebunden sind, die heute das Internet versorgen.

Wettlauf ums fliegende Internet

Die M?glichkeiten der erdnahen Satelliten (engl. ?low-Earth orbit satellites (LEO)?) haben einen heiss umk?mpften ?Wettlauf ums Weltall? (engl. ?space race?) ausgel?st, an dem sich namhafte Unternehmen wie Elons Musks SpaceX oder Jeff Bezos Amazon beteiligen. Sie entwickeln grosse Satellitenkonstellationen mit Tausenden von Satelliten. Mit 27'000 km/h umkreisen die LEO-Satelliten die Erde auf rund 500 Kilometern H?he (geostation?re Satelliten: 35'768 km).

Eine Rakete mit 60 Satelliten für das Starlink-Breitbandnetz von SpaceX startet am 23. Mai 2019 in Cape Canaveral (USA). (Bild: AP Photo/John Raoux)
Eine SpaceX-Rakete startet mit 60 Satelliten. (Bild: AP Photo/John Raoux)

SpaceX hat bereits seine ersten 120 Satelliten lanciert und plant, ab 2020 einen satellitenbasierten Breitband-Internetdienst anzubieten. Neben der globalen Abdeckung verspricht die Technologie des ?Internets aus dem Weltraum? hohe Datenübertragungsraten ohne grosse Verz?gerungen in der Datenübermittlung – die Verz?gerung oder ?Latenz?, wie die Computerwissenschaftler sagen, ist deutlich geringer als bei traditionellen, geostation?ren Satelliten oder Glasfasern am Boden.

?Wenn diese Pl?ne erfolgreich sind, w?re das ein grosser Sprung für die weltweite Internet-Infrastruktur?, sagt Debopam Bhattacherjee. Der Doktorand von Ankit Singla untersucht, wie man die Netzwerke fürs satellitenbasierte Breitband-Internet optimal gestaltet, sodass eine hohe Bandbreite und ein verz?gerungsfreier Datenfluss gew?hrleistet sind. Seine Ergebnisse stellt er heute an der Internationalen Konferenz für neue Netzwerk-Technologien externe SeiteACM CoNEXT 2019 in Florida vor.

Neues Design für dynamische Netzwerke

Da sich die Satelliten bewegen, l?st das ?Internet aus dem Weltraum? neue Forschungsfragen aus. Die Satelliten stellen Knoten dar, die die Daten durchlaufen. Die satellitenbasierten Knoten ver?ndern st?ndig ihre Stellung zueinander und bilden ein hochdynamisches Netzwerk. Hingegen ?ndern die Durchgangsknoten des ?Internets am Boden? weder ihren Standort noch ihre Position. Für die heute weitgehend statische Infrastruktur des ?Internets am Boden? gelten daher nicht die gleichen Anforderungen wie für diejenige des ?Internets aus dem Weltraum?.

?Um ein satellitenbasiertes Breitband-Internet zu realisieren, müssen wir praktisch jeden Aspekt des heutigen Internet-Designs neu denken?, sagt Ankit Singla. Weil die Satelliten sehr schnell und in sehr dichten Schw?rmen fl?gen, seien für das Satelliten-Internet effizientere Ans?tze des Netzwerkdesigns erforderlich. Auch Ans?tze für mobile Netzwerke mit Hochgeschwindigkeitszügen, Drohnen und Flugzeugen liessen sich nicht einfach auf Satelliten übertragen.

Nun haben Debopam Bhattacherjee und Ankit Singla ein mathematisches Modell entwickelt, wie man das Netzwerk-Design im Weltraum grunds?tzlich verbessern kann – ihren Ansatz haben sie anhand von SpaceX und Amazon überprüft, er l?sst sich jedoch unabh?ngig von der Technologie eines jeweiligen Unternehmens anwenden.

Muster für einen fliessenden Datenverkehr

Die Schlüsselfrage, die Debopam Bhattacherjee und Ankit Singla zuerst stellten, war: Wie lassen sich Tausende von Satelliten so miteinander verbinden, dass man die bestm?gliche Netzwerkleistung erreicht? Die Antwort ist nicht einfach, da jeder Satellit nie mehr als vier Verbindungen zu anderen Satelliten aufnehmen kann.

Intuitiv denkt man wom?glich, dass die Satelliten nur eine Verbindung zu den n?chstliegenden Satelliten aufbauen. Diese Annahme sei zu einschr?nkend, sagt Bhattacherjee. Die Satelliten k?nnten sich durchaus mit weiter entfernten Satelliten verbinden.

Um die Effizienz der Datenübertragung zu steigern, w?re es sogar wirksamer, wenn die Daten l?ngere Verbindungen nutzten und weniger Knoten (Satelliten) kreuzten. Schliesslich verbrauche es Ressourcen, wenn der Datenverkehr einen Knoten durchquere, und das reduziere die Ressourcen für andere Verbindungen.

Die Zahl der Zwischenknoten zu reduzieren, um die Effizienz zu erh?hen, dürfe jedoch nicht die L?nge des Pfads insgesamt beeintr?chtigen. Andernfalls verschlechtere sich die Latenz. Ausserdem dürften sich die Verbindungen zwischen den Satelliten nicht zu oft ?ndern, da der Aufbau neuer Verbindungen mehrere zehn Sekunden dauern k?nne und in dieser Zeitspanne kein Datenaustausch m?glich sei.

Neu an Bhattacherjees und Singlas Ansatz ist, dass sie die Verbindungen zwischen den Satelliten auf der Grundlage spezieller, sich wiederholender Muster aufbauen. Welches Muster jeweils am besten geeignet ist, h?ngt von der Geometrie der Satellitenkonstellation und dem Eingangsdatenverkehr des Netzwerks ab. Ein Schlüsselfaktor ist, dass sich das Verbindungsmuster auf jedem Satelliten im Netzwerk wiederholt, sodass alle Satelliten genau gleich verbunden sind und die Verbindungen über die Zeit stabil bleiben.

Im Vergleich zu heutigen Ans?tzen erh?ht der neue Design-Ansatz die Netzwerk-Effizienz bei SpaceX um 54 Prozent und bei Kuiper (Amazon) um 45 Prozent. ?Unser Ansatz k?nnte die Effizienz des satellitengestützten Internets verdoppeln?, schliesst Bhattacherjee.

Literatur

Debopam B, Singla S. Network topology design at 27,000 km/hour. The 15th International Conference on emerging Networking EXperiments and Technologies (CoNEXT ’19), 9.–12. Dezember 2019, Orlando, USA. doi: externe Seite10.1145/3359989.3365407.

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