Wie das Strassennetz die Verkehrsleistung bestimmt

ETH-Forschende zeigen auf, dass sich die Verkehrskapazit?t von St?dten anhand der Struktur ihres Strassennetzes vorhersagen l?sst. Mit diesem Wissen k?nnen Stadtplaner künftig quantitativ bestimmen, wie bauliche Eingriffe die Verkehrsleistung beeinflussen.

Strassenverkehr in Zürich
Die Anzahl Fahrzeuge, die eine Stadt ertr?gt, bevor der Verkehrsfluss ins Stocken ger?t, l?sst sich künftig anhand der Infrastruktur absch?tzen. Im Bild: Rosengartenstrasse, Zürich. (Bild: Keystone/Ennio Leanza)

Autopendler haben erfahrungsbedingt eine Vorstellung davon, was der Begriff Verkehrskapazit?t bedeutet: Wenn frühmorgens Auto um Auto in eine Stadt hineinf?hrt, nimmt der Verkehrsfluss zun?chst zu. Solange, bis sich eine kritische Anzahl von Fahrzeugen im Strassennetz befindet. Ab diesem kritischen Punkt verringert jedes zus?tzliche Auto den Verkehrsfluss – der Verkehr beginnt zu stocken oder zu stauen. Dieser kritische Punkt entspricht der Verkehrskapazit?t oder maximalen Verkehrsleistung einer Stadt.

Wie viele Fahrzeuge ein Strassennetz ertr?gt, ist von Stadt zu Stadt verschieden. Was die unterschiedliche Verkehrskapazit?t bestimmt, war bis anhin unbekannt. ETH-Forschende um Kay Axhausen, Professor für Verkehrsplanung, und Professorin Monica Menendez (mittlerweile an der New York University Abu-Dhabi) haben nun anhand Milliarden von Verkehrsmessungen die Gesetzm?ssigkeiten aufgedeckt, mittels derer man die kritische Anzahl der Fahrzeuge und damit die Verkehrskapazit?t eines st?dtischen Strassennetzes auf einfache Weise absch?tzen kann.

Verkehrsdaten aus 41 St?dten analysiert

Für ihre Studie im Fachmagazin externe SeiteScientific Reports beschafften sich die Forschenden Milliarden von Fahrzeugbeobachtungen von station?ren Verkehrsdetektoren aus weltweit 41 St?dten, darunter Tokyo und Los Angeles, zahlreiche europ?ische Zentren wie Paris und London sowie Zürich, Basel, Bern und Luzern. Nachdem die Wissenschaftler die riesigen Datens?tze vereinfacht und nutzbar gemacht hatten, ermittelten sie zuerst die spezifische Verkehrskapazit?t für jede Stadt. Dabei fokussierten sie auf Autos und klammerten andere Verkehrsmittel explizit aus.

Anschliessend verglichen sie die Verkehrskapazit?ten der St?dte und suchten nach Eigenschaften, welche die Unterschiede erkl?ren. So fanden sie heraus, dass bestimmte topologische Merkmale des Strassen- und Busnetzes rund 90 Prozent der beobachteten Unterschiede in der Verkehrskapazit?t der verschiedenen St?dte erkl?ren k?nnen.

Vier charakteristische Netzwerkvariablen

Die Forschenden um Axhausen und Menendez identifizierten vier Faktoren, welche die r?umliche Beschaffenheit des Strassennetzes einer Stadt charakterisieren und letztlich die Verkehrsleistung definieren: die Netzwerkdichte, gemessen in Fahrspur-Kilometer pro Fl?che, die Redundanz des Netzes als Mass für alternative M?glichkeiten, ein Ziel zu erreichen. Weiter die H?ufigkeit von Lichtsignalanlagen, und schliesslich die Dichte von Bus- und Tram-Linien, welche mit dem Autoverkehr um Platz und Vortritt konkurrieren, zum Beispiel priorisierte Busse, wie sie in Zürich h?ufig vorkommen.

?Diese vier aus Bus- und Strassennetzen abgeleiteten Faktoren erfassen die beobachteten Kapazit?tsunterschiede von Stadt zu Stadt erstaunlich genau?, erkl?rt Axhausen. Mit dieser Erkenntnis habe sich eine Vermutung erh?rtet, die sie aufgrund früherer Simulationen und weniger empirischer Daten schon l?nger hegten: dass sich die Verkehrsleistung in Abh?ngigkeit der Fahrzeugdichte in verschiedenen St?dten stets ?hnlich, nach demselben Muster verh?lt, so Axhausen.

?Das bedeutet, dass sich der kritische Punkt und damit die Verkehrskapazit?t von St?dtenetzen anhand der jeweiligen Infrastruktur vorhersagen l?sst?, erg?nzt Lukas Ambühl, Doktorand in der Gruppe Strassenverkehrstechnik und einer der Erstautoren der Studie.

Die optimale Infrastruktur bestimmen

Der Zusammenhang zwischen Netzwerkbeschaffenheit und Verkehrskapazit?t mag Laien intuitiv erscheinen. Dass sich ein solch chaotisches System wie der urbane Verkehr mit tausenden individuell agierenden Teilnehmern in allen untersuchten St?dten tats?chlich nach demselben Muster verh?lt, ist für die ETH-Verkehrsexperten aber alles andere als selbstverst?ndlich. Umso mehr fasziniert sie das einfache Modell.

Die Resultate sind auch für die Praxis relevant: St?dteplaner k?nnen nun quantitativ vorhersagen, wie geplante Investitionen oder bauliche Eingriffe die Verkehrsleistung ihres Netzes f?rdern oder beeintr?chtigen. Baut man beispielsweise Fahrbahnen hinzu oder ab, ver?ndert man die Netzwerkdichte. F?llt eine zentrale Brücke wegen Sanierung aus, sinkt die Netzredundanz. Und verdichten die Verkehrsbetriebe den Taktfahrplan, fahren priorisierte Busse h?ufiger.

Die Autoren r?umen aber auch die Grenzen der Studie ein. Die Stichprobe sei mit 41 St?dten eher klein, und die meisten bef?nden sich in Europa. Zudem wurde die Steuerung der Lichtsignale an Kreuzungen nicht detailliert berücksichtigt. Schliesslich konzentriert sich die Studie nur auf die Infrastruktur und l?sst die Nachfrageseite, etwa wie Pendler auf ein ver?ndertes Verkehrsangebot reagieren – ausser Acht.

Dennoch k?nnten die Resultate St?dten helfen, ihre optimale Infrastruktur zu bestimmen. ?Unser neues Verst?ndnis der Verkehrskapazit?t von St?dtenetzen mag die Stauprobleme nicht l?sen, wohl aber entscheidend zur Verbesserung des Verkehrs beitragen?, ist Axhausen überzeugt.

Literaturhinweis

Loder A, Ambühl L, Menendez M, Axhausen K. externe SeiteUnderstanding traffic capacity of urban networks. Scientific Reports (2019), Published: 08 November 2019. doi: externe Seite10.1038/s41598-019-51539-5

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert