Vorteile einer Doppelgängerstadt

Es ist m?glich, Standortdaten von Smartphones zu analysieren, ohne die Privatsph?re der Nutzer zu verletzen. Pieter Fourie erkl?rt wie.

Pieter Fourie

Marketingfirmen besitzen riesige Mengen an Daten aus Smartphone-Apps, die genau zeigen, wo wir uns wann aufgehalten haben. Ein von der New York Times untersuchter Datensatz umfasst alleine für den Grossraum New York und den Zeitraum von drei Tagen 235 Millionen Standortdatenpunkte von 1,2 Millionen Mobilger?ten. In einem lesenswerten Artikel1 und einer Podcast-Episode2 zeigte uns die Zeitung im vergangenen Dezember auf, wie einzelne Personen verwundbar sind, wenn pers?nliche Daten massenhaft an den Meistbietenden verkauft werden. Sie offenbarte die pers?nlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dimensionen des Handels mit Standortdaten und wies drauf hin, dass es diesem Wirtschaftszweig an Regulation mangelt.

City by night
Daten von Smartphone-Apps erm?glichen genaue Bewegungsprofile von Millionen von Benutzern (Symbolbild). (Bild: Shutterstock)

Für manche, die dem Thema bislang eher gleichgültig gegenüberstanden, dürften die genannten grossen Zahlen einen Alptraum Orwell'schen Ausmasses darstellen. Als Mobilit?tsforscher im Zeitalter von Big Data gew?hnt man sich jedoch schnell an solche Gr?ssenordnungen. Anstatt gleich den Untergang der Privatsph?re heraufzubeschw?ren, kann man diese Daten auch als Chance sehen: Zum Beispiel für den Aufbau besserer Modelle, mit denen wir Mobilit?tsfragen untersuchen k?nnen. Es ist n?mlich m?glich, solche Trackingdaten zu nutzen und gleichzeitig die Privatsph?re der Menschen zu schützen.

Ein endloser Wettlauf

Es gibt mehrere Ans?tze, dies zu tun. Die Firmen, welche mit Standortdaten handeln, behaupteten gegenüber der New York Times, dass sie die Daten stets in aggregierter oder anonymisierter Form verwendeten. Konkret: Entweder werden Datenpunkte so gebündelt, dass Personen nicht mehr voneinander unterscheidbar sind, oder die identifizierende Informationen wird ?maskiert?, also bewusst ver?ndert.

Bei Bewegungsdaten von Personen ist die Anonymisierung jedoch gar nicht so einfach3. Wenn neue Anonymisierungs- und Maskierungstechnologien entwickelt werden, ist es oft auch m?glich, Algorithmen zur Deanonymisierung zu entwickeln, mit denen die Spuren einzelner Personen wieder rekonstruiert werden k?nnen. Das heisst, es ist nie auszuschliessen, dass meine Privatsph?re im endlosen Wettlauf zwischen Datenschutz und Hackerattacke irgendwann trotzdem verletzt wird.

Synthetische Daten als Alternative

In unserem Team im Future Cities Laboratory erforschen wir daher Alternativen zu den herk?mmlichen Methoden der Standortmaskierung. Wir fragten uns: Ist es m?glich, künstliche Ortsdatenstr?me zu erzeugen mit derselben zeitlichen und r?umlichen Aufl?sung wie das auch Smartphones machen, ohne jedoch einen echten, von einer Person zurückgelegten Bewegungspfad zu reproduzieren?

In der Praxis gibt es n?mlich nur sehr wenige F?lle, in denen man zur Analyse von Mobilit?tsdaten Zugang zu den detaillierten Originaldaten einer bestimmten Person ben?tigt. Oft ist es genauso gut m?glich, mit einem bewusst ver?nderten Datensatz zu arbeiten. Wir generieren solche synthetischen Datenstr?me aus Rohdaten, wobei die Rohdaten nur vom Computer bearbeitet werden und für die Anwender unsichtbar bleiben.

?In einer ?Doppelg?nger-Stadt? k?nnen Verkehrsmassnahmen getestet werden, w?hrend die Menschen in der realen Welt unbehelligt bleiben.?Pieter Fourie

Synthetische Daten entstehen in mehreren Schritten: Die Standortrohdaten der Mobilger?te werden sicher und verschlüsselt übertragen und in geprüfter und zertifizierter Weise zu Datenaggregaten zusammengefasst. Diese Aggregate kann man anschliessend verwenden, um synthetische Mobilit?tsdaten zu erzeugen, die sich in ihren statistischen Eigenschaften nicht von den realen Daten unterscheiden. In unserem Labor arbeiten wir derzeit an zwei verschiedenen Methoden, um dies umzusetzen4,5.

Diese Techniken sind nicht nur ein Fortschritt bei der Wahrung der Privatsph?re, sondern sie erweitern auch das Potenzial der Verkehrsmodellierung: Man kann die synthetischen Daten in moderne Mobilit?tssimulationen einspeisen. So ist es m?glich, eine ganze ?Doppelg?nger-Stadt? zu schaffen, in der die Auswirkungen politischer Entscheidungen erforscht und Verkehrsmassnahmen getestet werden k?nnen, w?hrend die Menschen in der realen Welt unbehelligt bleiben.

Referenzen

1 externe SeiteYour Apps Know Where You Were Last Night, and They’re Not Keeping It Secret, York Times, 10 December 2018
2
externe SeiteThe Business of Selling Your Location, The Daily podcast New York Times, 10 December 2018
3
Chow CY, Mokbel MR: Trajectory privacy in location-based services and data publication, ACM SIGKK Exploration Newsletter 2011, 13: 19, doi: externe Seite10.1145/2031331.2031335
4
Fourie PJ: Synthesizing high-dimensional, agent-based transport demand data from two-dimensional aggregates with iterative multiple histogram matching, ETH Zürich Research Collection 2016, doi: externe Seite10.3929/ethz-b-000118466
5
Cuauhtémoc A, Ordo?ez Medina SA: A time-space model of disaggregated urban mobility from aggregated mobile phone data, ETH Zürich Research Collection 2018, doi: externe Seite10.3929/ethz-b-000268852

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