Die Materialien der Zukunft

In Paolo Ermannis Labor an der ETH Zürich werden die Verbundmaterialien der Zukunft entwickelt. Durch die Optimierung der Kernelemente von Sandwichstrukturen erschaffen die Forscher Werkstoffe, die extrem leicht, robust und anpassbar zugleich sind – und daher ideal für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt.

Leichtbaustrukturen in Sandwichbauweise. Die Kerne dieser Verbundmaterialien enthalten ein Fachwerk aus Carbon-Stäben. Durch die Anordnung der Stäbe kann das Material für bestimmte Anwendungen massgeschneidert werden. (Bild ETH Zürich / Christoph Karl, CMASLab)
Leichtbaustrukturen in Sandwichbauweise. Die Kerne dieser Verbundmaterialien enthalten ein Fachwerk aus Carbon-St?ben. Durch die Anordnung der St?be kann das Material für bestimmte Anwendungen massgeschneidert werden. (Bild ETH Zürich / Christoph Karl, CMASLab)

Materialien, die leicht und robust sind, formstabil und trotzdem flexibel anpassbar, und die obendrein noch rohstoffsparend und nachhaltig hergestellt werden k?nnen – was fast so unm?glich wie die Quadratur des Kreises scheint, wird in Paolo Ermannis Labor an der ETH Zürich Tag für Tag Wirklichkeit. ?Unsere Philosophie ist es, moderne Verbundmaterialien für adaptive Systeme zu entwickeln und dabei die strukturelle Effizienz zu optimieren – also weniger Rohstoffverbrauch bei gleicher Leistung oder mehr Funktionalit?t mit demselben Materialeinsatz zu erreichen?, sagt Paolo Ermanni, Professor für Verbundwerkstoffe und adaptive Strukturen an der ETH. Zugleich forschen er und seine Mitarbeiter an entsprechenden Fertigungsprozessen, welche die neuen Materialien auch für praktische Anwendungen interessant machen.

Fachwerk im Sandwich

Mit dem Aspekt ?strukturelle Effizienz? dieser Zukunftsmaterialien befasst sich Ermannis Doktorand Christoph Karl. ?Aufgrund ihrer hohen Steifigkeit und Festigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht benutzt man für Leichtbaustrukturen h?ufig die Sandwichbauweise?, erkl?rt er. Sandwichstrukturen bestehen typischerweise aus zwei dünnen Deckschichten mit hoher Steifigkeit und einem Kernmaterial geringer Dichte. ?In unserer Forschung entwickeln wir hochleistungsf?hige Sandwichverbunde aus carbonfaserverst?rkten Kunststoffen, auch als CFK oder Carbon bekannt. Der Kern besteht dabei aus einem Fachwerk aus Carbon-St?ben ?, sagt Karl. Durch die guten mechanischen Eigenschaften von Carbon k?nnen solche Kernstrukturen eine h?here Steifigkeit und Festigkeit als herk?mmliche Honigwaben- und Schaumkerne erzielen.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Fachwerkkerne besteht laut Karl in der M?glichkeit der lastgerechten Auslegung: ?Die mechanischen Eigenschaften des Sandwichverbunds h?ngen sehr stark von der Kerntopologie, also der Anordnung und Orientierung der St?be im Kern ab. Mittels numerischer Optimierungen k?nnen wir die Ausrichtung der St?be gezielt auf die ?usseren Lasten massschneidern und somit – je nach Anwendung – die strukturelle Effizienz maximieren.?

Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt

Der Kern eines so aufgebauten und optimierten Sandwich-Materials wiegt weniger als 30 Kilogramm pro Kubikmeter (zum Vergleich: ein Kubikmeter Stahl bringt fast 8000 Kilogramm auf die Waage). ?Damit sind unsere Materialien besonders für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt interessant, wo strukturelle Effizienz von entscheidender Bedeutung ist?, sagt Karl. ?Zudem kann man zus?tzliche Funktionen, wie zum Beispiel eine Vibrationsd?mpfung, direkt in die Kernstruktur integrieren.? Der Einsatz der neuen Sandwichstrukturen wird konkret im Rahmen des EU-Projektes ALTAIR untersucht, das vom franz?sischen Luft- und Raumfahrtforschungszentrum Onera geleitet wird. Ermannis Forschungsgruppe beteiligt sich dort an der Entwicklung der lasttragenden Strukturen neuer Tr?gersysteme für kleine Satelliten.

Futuristische Autoteile

Um flexible und adaptive Strukturen wiederum kümmert sich Oleg Testoni. Innerhalb des Strategischen Fokusbereichs ?Advanced Manufacturing? des ETH-Rates entwickelt der Doktorand Techniken, mit denen sich Sandwichstrukturen flexibel und dynamisch anpassen lassen. Damit k?nnte man zum Beispiel futuristische Spoiler oder Radk?sten für Sportwagen bauen, die man w?hrend der Fahrt verformen kann, um so die Aerodynamik des Autos passgenau für eine bestimmte Geschwindigkeit oder Reifenstellung bei der Kurvenfahrt zu optimieren.

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Oleg Testoni erkl?rt seine Forschung im Bereich adaptive Strukturen. (Video: ETH Zürich / Industry Relations)

Schalter im Material

Um eine derartige Flexibilit?t bei gleichzeitiger Robustheit des Materials zu erreichen, werden in die Sandwichstrukturen semi-aktive Elemente, so genannte mechanische Schalter, eingebaut. ?Damit k?nnen die St?be im Kern vorübergehend gelockert werden, um die Form anzupassen. Danach werden sie wieder arretiert, sodass das Material seine ursprüngliche Steifigkeit erreicht?, erkl?rt Testoni.

Solche mechanischen Schalter k?nnen mit ?intelligenten Materialien? wie zum Beispiel Formged?chtnislegierungen gebaut werden. Ein Bauteil aus solchen Legierungen kann je nach Temperatur zwei verschiedene Formen annehmen. Oberhalb einer bestimmten kritischen Temperatur ?ndert sich seine Form, doch beim Abkühlen nimmt es wieder exakt die ursprüngliche Form an. Baut man viele solcher mechanischen Schalter in die St?be einer Sandwichstruktur ein, so kann man damit die Form des gesamten Materials ver?ndern.

3D-Druck für Carbon-Kerne

Ermanni und seine Mitarbeiter befassen sich jedoch nicht nur mit der Material-Grundlagenforschung. In der Spin-Off Firma 9T Labs, die Ermannis Doktorand Martin Eichenhofer mitgegründet hat, wird ein 3D-Druckverfahren entwickelt, mit dem sich qualitativ hochwertige Carbon-Teile, wie etwa die St?be für die Kerne von Sandwichstrukturen, robust und flexibel herstellen lassen. ?Es geht in erster Linie darum, den Einsatzbereich solcher Werkstoffe durch neue Herstellungsverfahren zu vergr?ssern und somit die Fertigung auch kleineren Firmen zu erm?glichen. Das ?demokratisiert? sozusagen die Leichtbautechnologie?, sagt Eichenhofer. Erste Produkte für den 3D-Druck sollen bereits 2019 auf den Markt kommen. ?Dieses Verfahren er?ffnet zudem die M?glichkeit, in Zukunft auch aktive Elemente direkt in den Druckprozess zu integrieren, also einen 4D-Druck zu realisieren?, erg?nzt Ermanni.

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