Bringt viel und ist grundsätzlich möglich

Sonia Seneviratne und Andreas Fischlin erkl?ren, ob und wie es m?glich ist, und warum es sich lohnt, die Erderw?rmung auf 1.5 Grad Celsius zu beschr?nken.

Sonia Seneviratne und Andreas Fischlin

Wir sind gerade aus Südkorea zurückgekommen, wo wir an einer Tagung des Weltklimarats IPCC waren. Als einzige Schweizer Forschende haben wir am neuen IPCC-Sonderbericht über die Auswirkungen einer 1,5-Grad-Erw?rmung mitgearbeitet. Wie kam es dazu? Nur zur Erinnerung: Die Schweiz hat sich zusammen mit 193 anderen L?ndern in Paris dazu verpflichtet, die durchschnittliche globale Erw?rmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen und sich anzustrengen, diese Temperaturgrenze sogar m?glichst auf 1,5 Grad zu senken. Das klingt gut, und es leuchtet spontan ein, dass weniger globale Erw?rmung besser ist als mehr. Aber bringt der Unterschied von 0,5 Grad wirklich etwas? Und ist es überhaupt noch m?glich, die Erderw?rmung auf 1.5°C zu begrenzen? Genau um diese Fragen zu beantworten, wurde der IPCC gebeten, diesen Spezialbericht zu verfassen, der heute vorgestellt wurde.

Klimawandel Symbolbild
Bereits jetzt hat sich die Erde durchschnittlich um 1 Grad erw?rmt, und die Auswirkungen sind an vielen Orten spürbar. (Bild: iStock)

Ist ein halbes Grad entscheidend?

Wir leben bereits mit dem Klimawandel. Spielt es da eine Rolle, ob es 1,5 oder 2 Grad w?rmer wird? Der neue Bericht sagt klar: Ja, tut es. Eine weitere Erw?rmung um ein halbes Grad verst?rkt die Folgen erheblich. Hitzeextreme, Starkniederschl?ge in vielen Regionen und massive Dürren in einigen Gebieten w?ren deutlich st?rker und/oder h?ufiger. Auch die negativen Folgen für die Biodiversit?t, die ?kosysteme sowie für Gesundheit von Mensch und Tier w?ren betr?chtlich und in einigen F?llen irreversibel. Eigentlich ist das nicht verwunderlich: Bereits jetzt hat sich die Erde durchschnittlich um 1 Grad erw?rmt, und die Auswirkungen sind jetzt schon spürbar, wie beispielsweise der Sommer 2018 in der Schweiz und weltweit an vielen Orten gezeigt hat.   

Schneller auf null

Wie auch schon der letzte grosse Bericht des IPCC deutlich machte, l?sst sich der Klimawandel nur stoppen, wenn die Treibhausgasemissionen netto auf null gebracht werden. Wollen wir die globale Erw?rmung auf 1,5 Grad begrenzen, muss dieses Ziel früher erreicht werden als bei einer Grenze von 2 Grad, n?mlich etwa Mitte Jahrhundert. Das heisst, wir müssen heute und nicht erst morgen handeln. Der neue Bericht zeigt: Das kommende Jahrzehnt ist für die Trendwende ausschlaggebend. Dies bedeutet, dass insbesondere Investitionen in langlebige Infrastrukturen mit lang anhaltenden Auswirkungen auf die Emissionen m?glichst schnell zurückgefahren werden müssen.

?Eine Begrenzung der globalen Erw?rmung auf 1,5 Grad ist grunds?tzlich immer noch m?glich.?Sonia Seneviratne und Andreas Fischlin

Wenn wir z?gern, schr?nken wir nicht nur den Spielraum für die Politik und die Gesellschaft ein, sondern wir erh?hen auch die Folgerisiken. Die Emissionen heute auf null zu senken ist viel einfacher, als morgen eine negative CO2-Emissions-Bilanz anzustreben. Denn CO2 aus der Luft zurück in einen gesicherten Speicher, z.B. den geologischen Untergrund zu bringen, ist weitgehend Zukunftsmusik, resp. mit einem grossen Aufwand und Unsicherheiten verbunden.

Yes, we can…

Eines wollen wir hier festhalten: Eine Begrenzung der globalen Erw?rmung auf 1,5 Grad ist grunds?tzlich immer noch m?glich. Allerdings müssen wir dafür folgendes tun: Schnell und konsequent handeln, denn CO2 bleibt Tausende von Jahren in der Luft. Eine sofortige Dekarbonisierung einleiten, will heissen, wir müssen lernen so zu leben, dass wir jeglichen CO2-Ausstoss vermeiden. Hierzu braucht es Energie, sogar immer mehr – unsere Energieversorgung, die Industrie und vor allem st?dtische R?ume sollten deshalb tiefgreifend umgebaut werden; es muss sehr schnell und konsequent in eine Energieversorgung investiert werden, die wirklich nachhaltig, sprich erneuerbar ist. Wenn wir zur Energiegewinnung weiterhin so viel Kohle und Erd?l verbrennen wie bisher, l?sst sich der Klimawandel nicht stoppen.       

Und – auch wenn wir alle es nicht gerne h?ren – k?nnen wir auch individuell zur L?sung beitragen, indem wir unser Verhalten und unseren Lebensstil ver?ndern. Dies heisst nicht, dass man auf alles verzichten muss, aber der Wechsel zu einem Elektroauto oder das Geniessen von Zugfahrten k?nnen schon etwas bewirken. K?nnen solch grosse Ver?nderungen in der kurzen verfügbaren Zeit überhaupt gelingen? Das k?nnen wir zurzeit nur schwer absch?tzen, aber Entwicklungen k?nnen in der Gesellschaft auch sehr rasch ablaufen. Man bedenke zum Beispiel, wie schnell Smartphones unser Verhalten ver?ndert haben. Die bisher angekündigten Massnahmen der L?nder reichen zwar bei weitem noch nicht aus. Bei gezieltem und stetigem Umbau unserer Gesellschaft und unserer Infrastruktur haben wir aber noch eine Chance die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Die innovative Schweiz, mit ihren St?rken im High-Tech-Bereich kann viel dazu beitragen und von dieser Entwicklung sogar profitieren.

Sonia Seneviratne ist Professorin für Land-Klima Dynamik an der ETH Zürich. Andreas Fischlin ist Vizepr?sident der Arbeitsgruppe II des IPCC, emeritiert und hat bis 2015 die Terrestrische System?kologie an der ETH Zürich geleitet. Beide arbeiten seit Jahren beim IPCC mit. Der externe SeiteSonderbericht des IPCC (auf Englisch) wurde heute ver?ffentlicht.

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