Wie Vögel lernen

Singv?gel k?nnen sowohl durch Beobachten als auch mittels Experimentieren neue F?higkeiten erlernen. Durch Experimentieren erworbene F?higkeiten k?nnen sie allerdings besser an neue Situationen anpassen, wie Wissenschaftler der ETH und der Universit?t Zürich zeigen konnten. Die Forscher sehen auch Parallelen zum Lernen bei Kindern.

Zebrafinken können durch Beobachten lernen, eine Aufgabe zu lösen. (Grafik: Nadja Baltensweiler / Narula G et al. Nature Communications 2018)
Zebrafinken k?nnen durch Beobachten lernen, eine Aufgabe zu l?sen. (Grafik: Nadja Baltensweiler / Narula G et al. Nature Communications 2018)

Kinder lernen st?ndig Neues. Das Gelernte zu verallgemeinern und es auch in unbekannten Situationen anzuwenden, f?llt ihnen aber je nach Lernweise unterschiedlich leicht. Ganz ?hnlich geht es Singv?geln. Auch sie müssen in den ersten Monaten ihres Lebens vieles lernen, beispielsweise den charakteristischen Gesang ihrer Artgenossen. Und auch V?gel bedienen sich wie der Mensch verschiedener Lernweisen. Wie sich diese auf die F?higkeit zu verallgemeinern auswirken, haben Wissenschaftler unter der Leitung von Richard Hahnloser, Professor an der ETH Zürich und der Universit?t Zürich, nun bei Zebrafinken untersucht.

In Experimenten (siehe Kasten) konnten die Forschenden zeigen, dass Zebrafinken durch das Beobachten eines Artgenossen lernen k?nnen. Die V?gel mussten durch Ausprobieren und Feedback lernen, Vogelgesangsvarianten nach ihrer L?nge in zwei Klassen zu unterscheiden. Ohne spezielle Vorbereitung beherrschten die V?gel die Aufgabe im Mittel nach 4700 Wiederholungen. Konnten die Finken hingegen zuvor Artgenossen beim Lernen dieser Aufgabe beobachten, brauchten sie nur 900 Wiederholungen. Weil in dieser Versuchsanordnung aus statistischen Gründen 800 Wiederholungen ben?tigt werden, um das K?nnen der Tiere zu evaluieren, heisst das: Die zuvor beobachtenden V?gel beherrschten die Aufgabe praktisch von Anfang an.

Besser verallgemeinern

Anschliessend testeten die Forscher, wie gut die V?gel eine zweite, ?hnliche Aufgabe l?sen konnten. Die Zebrafinken mussten einen anderen Satz an Gesangsvarianten ebenfalls nach ihrer L?nge unterscheiden. Dabei zeigte sich: Die V?gel, welche die erste Aufgabe von Anfang an mittels Ausprobieren und Feedback lernten, konnten die zweite Aufgabe praktisch von Beginn an, nach im Mittel 800 Durchg?ngen. Die Artgenossen, welche die erste Aufgabe vor allem durch Beobachten lernten, brauchten für die zweite Aufgabe hingegen im Mittel 3600 Durchg?nge.

?Bei den Zebrafinken ist demnach das Lernen durch Ausprobieren die robustere Lernmethode?, fasst Hahnloser zusammen. ?V?gel, die eine F?higkeit durch Ausprobieren gelernt haben, k?nnen diese besser verallgemeinern und an neue Situationen anpassen als solche, welche die F?higkeit durch Beobachten lernten.?

Beide Lernmethoden haben ihre Vorteile

Gagan Narula, Postdoc in Hahnlosers Gruppe und Erstautor der Studie, weist auf die Parallelen zum Lernen von Kindern und Jugendlichen hin: ?Der handlungsorientierte Unterricht, bei dem das Ausprobieren und Experimentieren im Zentrum steht, setzt sich auch in den Schulen immer st?rker durch. Zunehmend wird sogar Mathematik in der Sekundarschule mit Hilfe von Experimenten unterrichtet.?

?Beide Lernmethoden haben jedoch ihre Vorteile?, sagt Hahnloser. ?Lernen durch Beobachten ist schneller.? Er weist darauf hin, dass in unserem Bildungssystem bewusst beide Lernmethoden zur Anwendung kommen: Einerseits der Frontalunterreicht und das Beobachten, andererseits Experimente, ?bungen und Hausaufgaben.

Gehirn unterschiedlich involviert

Neuronale Computermodelle halfen den Wissenschaftlern, ihre Ergebnisse zu interpretieren. Aufgrund der Modellrechnungen gehen die Forschenden davon aus, dass im Gehirn der V?gel beim Beobachten viele Nervenzellsynapsen beteiligt sind, diese allerdings verh?ltnism?ssig schwach. Beim Ausprobieren hingegen sind nur wenige Synapsen beteiligt, diese jedoch besonders stark, was sich in einer h?heren F?higkeit zur Verallgemeinerung auswirkt. Hahnloser drückt es so aus: ?Beim Beobachten merken sich die V?gel ganz viele Gesangsdetails, von denen viele für die L?sung des Lernproblems irrelevant sind. Beim Ausprobieren hingegen merken sich die V?gel weniger. Sie konzentrieren sich auf die pr?gnantesten Gesangsmerkmale wie die L?nge.?

Ob sich unterschiedliche Lernmethoden im Gehirn von Kindern und Jugendlichen ebenfalls auf diese Weise auswirken, bliebe zu untersuchen. ?In der Vergangenheit hat die Forschung bei Zebrafinken immer wieder wichtige Hinweise und Hypothesen für die Erforschung neurobiologischer Vorg?nge geliefert, auch dazu, wie Menschen ihre Sprache lernen?, sagt Hahnloser. ?Unsere neusten Erkenntnisse bei Finken führen ebenfalls zu Hypothesen, die man auf geeignete Weise bei Menschen untersuchen k?nnte, um Lernprozesse besser zu verstehen.?

Das Experiment

Für ihre Experimente benutzen die Wissenschaftler zwei benachbarte Vogelk?fige, die mit einem Sichtschutz voneinander abgetrennt sind. In beiden K?figen befindet sich je ein Zebrafink. Der eine hat die Aufgabe, durch Ausprobieren und Feedback zu lernen, zwei Klassen von Vogelges?ngen zu unterscheiden. Der andere Vogel beobachtet ihn dabei.

Jeder der beiden V?gel kann seinen Artgenossen nur sehen, wenn er in seinem K?fig auf einer bestimmten Sitzstange sitzt. Denn an dieser Stelle befindet sich im Sichtschutz ein Fenster. Weil die Zebrafinken soziallebende Tiere sind, haben sie einen inneren Antrieb, sich auf diese Stange zu setzen.

Fliegt der nach dem Prinzip des Ausprobierens lernende Vogel auf die bestimmte Stange, wird ihm automatisch eine von zehn Varianten eines Zebrafinkengesangs vorgespielt. Die Ges?nge variieren in der L?nge minim. Nach dieser L?nge teilten die Wissenschaftler die Ges?nge in zwei Klassen ein: Klasse A umfasst die kürzeren fünf Gesangsvarianten (0,9 bis 1,0 Sekunden), Klasse B die fünf l?ngeren (1,03 bis 1,13 Sekunden). Als Lernanreiz dient ein Luftstoss, der eine Sekunde nach Abspielen eines Gesangs der Klasse B den Vogel anbl?st.

Kann der Vogel die beiden Gesangsklassen unterschieden, schafft er es, vor dem leicht unangenehmen Luftstoss zu fliehen. Somit k?nnen auch die Wissenschaftler überprüfen, ob ein Vogel die Aufgabe gelernt hat.

Literaturhinweis

Narula G, Herbst J, Hahnloser RHR: Learning to perform auditory discriminations from observation is efficient but less robust than learning from experience. Nature Communications, 13. August 2018, doi: externe Seite10.1038/s41467-018-05422-y

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