Im Schlaf schaukeln

Im April kam ein an der ETH Zürich entwickeltes Spezialbett namens Somnomat bei einer Studie mit Kindern, die an der Schlafbezogenen Rhythmischen Bewegungsst?rung leiden, zum Einsatz. Die Kinder reisten im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit extra aus England an.

Studienteilnehmer im Somnomat
Basil empfindet eine langsame Seitw?rtsbewegung am angenehmsten. Es scheint, dass die Studienteilnehmer die Art von Bewegung bevorzugen, die sie selber in der Nacht machen. 

Bis auf das kleine rote Licht der 3D-Kamera ist es stockdunkel im Schlaflabor. Basil hat damit kein Problem, er mag es sogar. Der 14-j?hrige aus Somerset ist tagsüber oft müde. Er ist sogar schon im Unterricht eingeschlafen. Grund dafür ist seine Schlafbezogene Rhythmische Bewegungsst?rung. Mit 18 Monaten fing es bei ihm an. Seitdem wiegt er phasenweise seinen K?rper auf allen Vieren stehend in der Nacht heftig hin und her. Seine Mutter Denise erz?hlt, dass es Jahre gedauert habe, bis die St?rung diagnostiziert und er an eine Spezialistin an das Universit?tsspital nach Southampton verwiesen wurde. Dank der externe Seite?rztin Cathy Hill liegt Basil nun als Teilnehmer einer Studie in einem automatisch angetriebenen Bett des Sensory-Motor Systems Lab, dem Somnomat, in Zürich.

Die Studienleiterin Rachel van Sluijs, Doktorandin bei ETH-Professor Robert Riener, versucht mit Basil herauszufinden, welche Frequenz und Richtung der Schaukelbewegung ihm angenehm ist. Bei Basil ist das einfacher als bei den anderen Studienteilnehmern, von denen der jüngste erst fünf Jahre ist.

Vergr?sserte Ansicht: Smiley-Tabelle
Selbstentwickelte Bewertungstabelle mit Smileys. (ETH Zürich / Stefan Schneller)

 ?Wir haben im Vorfeld mit den Kindern unserer Laborkollegen trainiert, es ist schliesslich etwas Anderes, ob man einem Erwachsenen etwas erkl?rt oder einem Kind.?, sagt van Sluijs. Sie hat auch ihre Schwester, eine Grafikdesignerin, eingespannt, weil sie eine Bewertungstabelle mit Smileys brauchte. Denn so konnten auch die Kinder, welche noch nicht lesen konnten, die Schaukelbewegung des Bettes bewerten.

Wenig untersucht, selten diagnostiziert

Cathy Hill arbeitet seit vielen Jahren mit Kindern, die an der Rhythmischen Bewegungsst?rung leiden. Bisher ist die St?rung wenig untersucht, aber sie belastet Kinder und Eltern stark. ?Ich habe Kinder gesehen, die durch ihre unkontrollierten Bewegungen ihr Bett durchs ganze Zimmer schieben. Die K?rperbewegungen sind also sehr heftig. Sie k?nnen den Kindern schaden und das nicht nur bei der Schlafqualit?t?, erkl?rt Hill.

Als sie einen BBC-Bericht über den Somnomat im Fernsehen sah, dachte sie sofort, das k?nnte eine interessante Methode sein, um die Schlafbezogene Rhythmische Bewegungsst?rung zu behandeln. Daher nahm sie Kontakt mit den Forschenden der ETH Zürich auf. Der erste Gedanke war die Studie mit Betroffenen aus der Schweiz durchzuführen. Hierzulande überweisen Haus?rzte aber kaum Patienten an Spezialisten, da sie der Meinung sind, die Symptome wachsen sich aus. Aus diesem Grund ist Hill jetzt mit sechs ihrer Patienten aus England nach Zürich gekommen.  

Studienleiterin Rachel Van Sluijs erklärt Basil die Funktionen des Somnomats
Studienleiterin Rachel van Sluijs erkl?rt Basil die Funktionen des Somnomats. (ETH Zürich / Stefan Schneller)

Wenig Schlaf für die Studienleiterinnen

Für van Sluijs und ihre Kolleginnen Quincy Rondei und Elisabeth Wilhelm bedeutet die zweiw?chige Studie wenig Schlaf. Jedes der Kinder verbringt drei aufeinanderfolgende N?chte im Schlaflabor. Zuerst übernachten sie in einem normalen Bett, um sich an die Umgebung zu gew?hnen. Die zweite und dritte Nacht verbringen sie im Somnomat: zuerst mit Schaukelbewegung und dann ohne. 

Vergr?sserte Ansicht: Studienleiterinnen
Rachel van Sluijs und Elisabeth Wilhelm im ?berwachungsraum. Die Tasse Kaffee ist wichtig bei ihren Nachtschichten. (ETH Zurich / Stefan Schneller)

W?hrend der drei N?chte werden sie die ganze Zeit von van Sluijs, Rondei und Wilhelm überwacht. Wilhelm ist als Ingenieurin für die technischen Aspekte zust?ndig. Sie hat viel Erfahrung mit dem Somnomat aus anderen Projekten. Das bekannteste ist die Nutzung des Somnomats als Antischnarch-Bett, das in absehbarer Zukunft zu kaufen sein wird. Dort kann aber auf mechanische Systeme zurückgegriffen werden, die es bereits im Handel gibt. Bei der aktuellen Studie hat das Bett deutlich mehr Prototypenstatus. Die bewegliche Mechanik, die an der ETH entwickelt wurde, ist frei zug?nglich. Gef?hrlich bei einer Studie mit Kindern. Deshalb liegen um das Bett Matten, die sofort einen Notstopp ausl?sen, sobald ein Kind aus dem Bett steigt und allenfalls die Mechanik anfasst oder ein Elternteil ans Bett l?uft.

Die technische Herausforderung liegt laut Wilhelm darin, das System m?glichst leise zu machen, damit es beim Schlafen nicht st?rt. Das Bett kann mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten entweder seitw?rts schaukeln oder in Schlafrichtung, je nach Wunsch der Probanden.

Neu mit 3D-Kamera

Die aktuelle Studie bietet ausserdem Forschenden des Austrian Institute of Technology externe Seite(AIT) die M?glichkeit, ein neues 3D-Kamera-Verfahren zu testen, das die Bewegungen der Schlafenden registriert. Der Vorteil: keine Verkabelung der Probanden. Bei Schlafstudien ist das oftmals ein kritischer Aspekt, da dadurch das normale Schlafverhalten beeinflusst wird. Van Sluijs ist optimistisch, dass die Daten, die sie w?hrend der Studie gesammelt haben, die Entwicklung des Somnomats und auch die Erforschung der Schlafbezogenen Rhythmischen Bewegungsst?rung voranbringen werden.

Schlafbezogene Rhythmische Bewegungsst?rung

Die Schlafbezogene Rhythmische Bewegungsst?rung zeigt unterschiedliche Auspr?gungen. Es gibt Patienten, die nur heftig den Kopf hin-und her bewegen, andere gehen nachts auf alle Viere und schlagen ihren Kopf gegen das Bett oder die Wand. Die St?rung zeigt sich bei Kindern meist im ersten Lebensjahr und ist nicht zu verwechseln mit den sanften rhythmischen Bewegungen, wie z.B. das Hin-und Herrollen des Kopfes, die manche Kinder beim Einschlafen machen. Wenn Eltern das Verhalten beobachten und ?rztlichen Rat suchen, wird ihnen meist gesagt, dass die Kinder aus dem Verhalten herauswachen. Ob das wirklich so ist, l?sst sich verl?sslich nicht sagen, da gr?ssere Studien mit einer aussagekr?ftigen Zahl von Betroffenen fehlen. Standardisierte Behandlungsm?glichkeiten gibt es bisher nicht, es bleibt nur ausprobieren. Manchen Kindern hilft es zum Beispiel, wenn sie in einer H?ngematte schlafen, andere sprechen gut auf Medikamente wie Melatonin an.

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