Warum Daten unter die Kontrolle der Bürger gehören

Gesellschaft und Forschung profitieren, wenn wir die Kontrolle über unsere pers?nlichen Gesundheitsdaten behalten und die Daten genossenschaftlich verwalten, argumentiert Ernst Hafen.

Ernst Hafen

Im Zuge der Digitalisierung werden pers?nliche Daten zur gesuchten Ressource. Das Zusammenführen solcher Daten und die Analyse von Datensammlungen versprechen neue Zug?nge für die medizinische Forschung. So k?nnen Smartphones und Sensoren (beispielsweise zur Messung des Blutzuckers oder des Blutdrucks) Real-Life-Daten liefern für Gesundheitspr?vention, Therapie und Forschung.

Es ist zentral, dass das Zusammenführen solcher Daten bei den Bürgerinnen und Bürgern selbst erfolgt. Nur sie k?nnen so viele relevante Datens?tze zusammenbringen, und gerade in der Kombination steigt der Wert einer Datensammlung. Weder ein Arzt, noch Google oder Facebook werden bei Gesundheits-, Umwelt-, Ern?hrungs- und medizinischen Daten je eine so weitgehende Datenaggregation erreichen k?nnen wie das Datensubjekt, jede einzelne Person selbst.

Ally Science App
Mit der neuen App von Ally Science k?nnen Allergiker zu einem umfassendes Pollenallergie-Mapping der Schweiz beitragen. (Bild: ETH Zürich / Peter Rüegg)

Ausserdem ist es Zeit, dass die Bürgerinnen und Bürger die Kontrolle über ihre pers?nlichen Daten zurückgewinnen. Wie auch der jüngste Skandal von Facebook und Cambridge Analytica zeigt, haben wir uns in die Abh?ngigkeit von Anbietern von vermeintlichen Gratisdienstleistungen gestellt, die wir mit unseren Daten bezahlen. Die Kontrolle über unsere Daten haben wir weitgehend verloren.

Aus dieser digitalen Abh?ngigkeit gibt es jedoch einen Weg. Daten sind n?mlich kopierbar. Im kommenden Monat wird die Europ?ische Datenschutzgrundverordnung in Kraft treten. Dank dem Artikel zur Datenportabilit?t wird jede Firma verpflichtet, Bürgern eine digitale Kopie der personenbezogenen Daten auszuh?ndigen. Bürgerinnen und Bürgern kommt damit eine neue Macht zu. Jede und jeder wird souver?n entscheiden k?nnen, ob und mit wem er oder sie Daten teilt, und wozu sie verwendet werden dürfen.

?Pers?nliche Daten geh?ren zu den wenigen Werten, die auf der Welt gleichm?ssig verteilt sind.?Ernst Hafen

Midata zeigt den Weg

Vor drei Jahren gründete ich zusammen mit anderen Wissenschaftlern die Nonprofit-Genossenschaft externe SeiteMidata. Sie betreibt eine Datenplattform, agiert als Treuh?nderin der Datensammlung und garantiert die Souver?nit?t der Bürgerinnen und Bürger über die Verwendung ihrer Daten (auch in anonymisierter Form).

Bürgerinnen und Bürger k?nnen auf der Plattform ihre Gesundheitsdaten sammeln und verschiedene Datendienstleistungen nutzen. Freiwillig k?nnten sie Forschungsprojekten den Zugang zu ihren Datens?tzen geben, und sie beteiligen sich damit als ?Citizen Scientists? aktiv an der medizinischen Forschung. Als Genossenschaftsmitglieder tragen die Nutzerinnen und Nutzer ausserdem zur Kontrolle und Entwicklung der Genossenschaft bei, wobei zur Kontrolle der datenethischen Qualit?t der Dienstleistungen und angebundenen Projekte auch eine genossenschaftsinterne Ethikkommission existiert.

Schema Midata
Mit Midata k?nnen Nutzer verschiedene gesundheitsbezogene und andere pers?nliche Daten an einem einzigen, sicheren Ort speichern. Sie k?nnen die Daten teilen oder bei Forschungsprojekten mitwirken, in dem sie den Zugang auf die Daten teilweise freigeben. (Quelle: Midata)

Midata und das gew?hlte Genossenschaftsmodell zeigt den Weg, wie Daten für das Gemeinwohl genutzt und gleichzeitig die Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger auf Souver?nit?t über ihre personenbezogenen Daten gewahrt werden k?nnen. Das demokratische Ein-Mitglied-eine-Stimme-Prinzip der Genossenschaft eignet sich hervorragend für die Verwaltung personenbezogener Daten. Denn solche Daten geh?ren zu den wenigen Werten, die auf der Welt gleichm?ssig verteilt sind. Ausserdem liegt der Wert von Daten nicht im Datensatz einer einzelnen Personen, sondern in der Aggregation von vielen Datens?tzen. Dieser Wert sollte nicht wie bis jetzt nur grossen multinationalen Konzernen, sondern vor allem der Gesellschaft zu Gute kommen, was mit dem Nonprofit-Genossenschaftsmodell m?glich ist.

Die von Midata genutzte Datenplattform wurde von der ETH Zürich und der Berner Fachhochschule entwickelt. Das Modell erlaubt die Trennung der IT-Plattform (Datenspeicherung, Zugangs- und Einwilligungsmanagement) von den Daten-Anwendungen (mobile Applikationen) und erm?glicht damit ein offenes Innovations-?kosystem. Startups, IT-Dienstleister und Forschungsgruppen k?nnen auf der Plattform mobile Apps anbieten, beispielsweise Gesundheits-Apps oder Apps für das Management chronischer Krankheiten. Die IT-Plattform ist operativ und wird derzeit in mehreren datenwissenschaftlichen Projekten genutzt.

Beim Pollen-Allergie-Mapping mitmachen

In dieser Woche lanciert Midata mit externe SeiteAlly Science ein Projekt, das sich an Pollenallergiker und -allergikerinnen in der ganzen Schweiz richtet. Ally Science wurde in Partnerschaft mit der Abteilung Allergologie der Dermatologischen Klinik des Universit?tsspitals Zürich (USZ) entwickelt und zielt an, ein umfassendes Pollenallergie-Mapping der Schweiz zu erstellen.

An der Studie interessierte Teilnehmer und Teilnehmerinnen laden die Ally-Science-App herunter (externe SeiteiOS App Store, externe SeiteGoogle Play). Sie stimmen den Nutzungsbedingungen der Midata-Plattform, auf der ihre Daten gespeichert werden, zu und sie willigen ein, dass die via die App erfassten Daten in anonymisierter Form an die Allergologie-Station des USZ übermittelt werden. Das USZ wird die Daten wissenschaftlich auswerten und Erkenntnisse bezüglich H?ufigkeit, Intensit?t und den prim?ren Einflussfaktoren (Wetter, Feinstaub etc.) gewinnen. Es ist zu hoffen, dass sich auch m?glichst viele Leserinnen und Leser dieses Beitrags an der Studie beteiligen werden.

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