Ein Protein, das sich selber kopiert

ETH-Wissenschaftler konnten in einem Experiment nachweisen, dass eine in der Natur weitverbreitete Proteinstruktur – die Amyloide – prinzipiell dazu f?hig sind, sich selber zu vervielf?ltigen. Das macht sie zu potenziellen Vorl?ufern von Molekülen, die als Bausteine des Lebens gelten.

Vergr?sserte Ansicht: Seen in vulkanischer Umgebung
Seen in vulkanischer Umgebung k?nnten vor 4 bis 4.5 Milliarden Jahren die ?Brutst?tte? für die ersten biochemischen Verbindungen gewesen sein. (Bildmontage: Dhilung Kirat / Wikimedia; ETH Zurich)

Lange galten sie als eine Verirrung der Biologie: Amyloide. Das sind fasrige Zusammenlagerungen aus kurzen Proteinstückchen. Ihren schlechten Ruf haben Amyloide deshalb, weil sie als Ursache von zahlreichen neurodegenerativen Erkrankungen, darunter Alzheimer, Parkinson oder Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gelten.

Erst in der jüngeren Vergangenheit erkannten Forschende , dass Amyloide als strukturelle und funktionelle Bausteine in sehr vielen Lebensformen von Bakterien über Hefezelle und andere Pilze bis zum Menschen vorkommen. So spielen sie bei Wirbeltieren eine Rolle in der Produktion des Pigments Melanin, und Hefezellen bilden mit Amyloid-Aggregaten eine Art molekulares Ged?chtnis.

Katalysatoren in der pr?biotischen Evolution

Da Amyloidfasern, die aus kurzen Peptiden zusammengesetzt sind, ?hnlich wie Enzyme chemische Reaktionen beschleunigen k?nnen, werden sie seit ein paar Jahren als Kandidaten für die ersten Vorl?ufermoleküle des Lebens gehandelt. Allerdings: Für diese Ursprungsrolle der Amyloide fehlte bislang der Nachweis einer wichtigen chemischen Eigenschaft: jener der Selbstvervielf?ltigung.

Zu den frühen Verfechtern der so genannten ?Amyloid-Hypothese? geh?ren ETH-Professor Roland Riek und sein Oberassistent Jason Greenwald vom Laboratorium für Physikalische Chemie. In einem Experiment konnten sie nun zeigen, dass Amyloide als chemische Vorlage für die Synthese von kurzen Peptiden dienen k?nnen. Entscheidend dabei ist: ?Diese F?higkeit gilt potenziell auch für die Amyloide selbst – die Moleküle k?nnen sich also selber vervielf?ltigen?, sagt Roland Riek. ?ber ihre Resultate berichten die Forscher in einer Studie in externe SeiteNature Communications.

Schablone für die Selbstkopie

Die Eigenschaft, sich selber zu vermehren, gilt als unverzichtbare Voraussetzung für jegliche Frühform von Leben. Mit dem nun erbrachten Nachweis der Selbstreplikation bei Amyloiden zeigen Riek und sein Team nicht nur eine weitere verblüffende Facette dieser gemeinhin untersch?tzten Proteine auf, sondern liefern auch ein weiteres Bindeglied, das bisher in der Argumentationskette der Amyloid-Hypothese fehlte.

Vergr?sserte Ansicht: Amyloid Schema
Links: Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Amyloid-Faser. In Grün das Schema der für Amyloide charakteristischen Faltblattstruktur bestehend aus mehreren kürzeren Pepidketten. (Bild: ETH Zürich / Jason Greenwald)

Bereits knapp zwei Jahre zuvor wiesen die ETH-Wissenschaftler in einem Experiment nach, dass sich Amyloidstrukturen erstaunlich leicht spontan bilden k?nnen – aus einfachen Aminos?uren, die es auf der unbelebten Erde wahrscheinlich schon gab, und unter Reaktionsbedingungen, die für die so genannte Ursuppe ebenfalls plausibel scheinen (ETH-News berichtete).

Gleiches gilt für die jetzt gefundene Peptidsynthese: ?Der Reaktionsmechanismus scheint allgemeiner Natur zu sein. Er verl?uft stabil über weite Bereiche von Temperatur und Salzkonzentration sowohl in saurem als auch basischem Milieu?, erkl?rt Greenwald.

Diese Entdeckung best?rkt die Forscher nun in ihrer Vermutung, dass Amyloide früh in der Evolutionsgeschichte als Informationstr?ger und katalytische Einheiten eine zentrale Rolle bei der Entwicklung früher Lebensformen gespielt haben k?nnten.

Vergr?sserte Ansicht: Selbtvervielfältigung Schema
Schema der Selbstvervielf?ltung von Amyloid-Fasern: Stück für Stück lagern sich spezifische Aminos?uren (farbige Bausteine) am richtigen Ort an und verbinden sich chemisch. Das wachsende Amyloid dient dabei als Vorlage für sich selbst. (Bild: Lukas Frey / ETH Zürich)

Wohl keine reine ?RNA-Welt?

Die bislang weitverbreitetste Idee für die molekularen Anf?nge des Lebens ist jedoch die ?RNA-Hypothese?. Sie sieht ausschliesslich Ribonukleins?uren (RNA) als entscheidende Akteure in der pr?biotischen Ursuppe. Dies weil RNA-Moleküle ?hnlich wie die Erbsubstanz DNA Information kodieren k?nnen, darüber hinaus aber zur Selbstreplikation f?hig sind.

Am vorherrschenden Dogma der ?RNA-Welt? kratzen nun die ETH-Forscher. Ihrer Ansicht nach ist die Amyloid-Hypothese n?mlich plausibler. Dies einerseits, weil RNA-Moleküle mit einer biologischen Funktion ungleich viel gr?sser und komplexer sind, so dass sie sich unter pr?biotischen Bedingungen kaum spontan bilden k?nnen. ?Andererseits sind Amyloide deutlich stabiler als frühe Nukleins?urepolymere, und sie haben einen viel einfacheren abiotischen Syntheseweg verglichen mit der Komplexit?t bekannter katalytischer RNAs?, sagt Greenwald.

Riek fügt an: ?Beweisen, welche ?Welt? die wahre ist, werden wir natürlich nie k?nnen – dafür müssten wir die letzten 4 bis 4,5 Milliarden Jahre Evolution zurückdrehen. Wir gehen aber ohnehin davon aus, dass nicht eine einzige, sondern mehrere molekulare ?Welten? mit verschiedenen Vorl?ufermolekülen an der Entstehung des Lebens beteiligt waren.?

Literaturhinweis

Rout SK, Friedmann MP, Riek R, Greenwald J: A prebiotic template-directed peptide synthesis based on amyloids. Nature Communications Volume 9, Article number: 234 (2018) doi: externe Seite10.1038/s41467-017-02742-3

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