Ein Bewusstsein für die Risiken naturwissenschaftlicher Forschung

Grippeviren ver?ndern sich st?ndig. Entsprechend muss der menschliche K?rper seine Immunabwehr immer wieder neu auf sie einstellen. Wie aber verh?lt es sich mit Virentypen, mit denen sich Menschen ¨C wie bei der Vogelgrippe ¨C nicht anstecken k?nnen? Werden sie sich eines Tages so ver?ndern, dass sie die Menschen doch gef?hrden?

Mit den genetischen Methoden der Biowissenschaften l?sst sich diese Frage im Labor untersuchen. Zum Beispiel k?nnen Forschende bestimmte Genaktivit?ten verst?rken, um herauszufinden, welche Ver?nderungen das Vogelgrippe-Virus f¨¹r Menschen gef?hrlich machen k?nnten.

Tats?chlich gelang es 2011 niederl?ndischen und japanischen Forschern, das Vogelgrippe-Virus in Hochsicherheitslabors so zu modifizieren, dass er sich von V?geln auch auf S?ugetiere ¨¹bertragen liess. Das Experiment l?ste eine internationale Debatte um die Chancen und Risiken von Forschung mit potenziell gef?hrlichen Viren aus.

Zum Beispiel k?nnen die Forschungsergebnisse eine Basis f¨¹r k¨¹nftige Impfstoffe bilden oder f¨¹r Massnahmen, die eine Ausbreitung verhindern. Was aber passiert, wenn jemand Grippeviren ¨C oder andere Krankheitserreger ¨C ansteckender macht, um sie im Krieg oder bei Terroranschl?gen einzusetzen, oder sie so ver?ndert, dass Diagnosen erschwert oder Impfungen unwirksam werden?

Nutzen oder Schaden? Das ?Dual-Use Dilemma?

Die komplexen Risiken, die der wissenschaftliche und technologische Fortschritt an der Schnittstelle von Biologie, Chemie und Sicherheitspolitik verursachen kann, untersucht Claudia Otto. Sie forscht am Center for Security Studies (CSS), dem Kompetenzzentrum der ETH Z¨¹rich f¨¹r Sicherheitspolitik.

?Die Forschung am Vogelgrippe-Virus ist ein Beispiel f¨¹r das ?Dilemma der doppelten Anwendung?. Dieses besagt, dass man Wissen, Technologien und Produkte der Forschung, die man f¨¹r legitime Zwecke und zum Nutzen des Menschen entwickelt, auch zum Schaden von Mensch und Umwelt verwenden k?nnte?, erkl?rt die Risikoforscherin und Biochemikerin Claudia Otto. Ihre Doktorarbeit hat sie zum Thema der DNA-Reparatur und Zytotoxizit?t geschrieben.

Am CSS entwickelt Claudia Otto auch Ausbildungskonzepte, um Studierende und angehende Forschende f¨¹r die ?Dual-Use-Problematik? zu sensibilisieren. ?Die F?higkeit angehender Forschender, die Risiken ihrer Forschung kritisch zu beurteilen, ist entscheidend, um die Forschungsintegrit?t gegen¨¹ber aufkommenden Sicherheitsbedenken zu bewahren?, sagt sie.

Dazu erg?nzt Oliver Thr?nert: ?Bewusstseinsbildung hat zum Ziel, dass sich Studierende und Forschende schon fr¨¹h in der Ausbildung bewusst machen, dass ihre Forschung auch Missbrauchsm?glichkeiten bietet, und was sie dagegen tun k?nnen ¨C zum Beispiel in Form von Verhaltenskodizes.? Thr?nert leitet den Think Tank, der am CSS Politik- und Forschungsberatung betreibt.

Im Herbstsemester 2017 haben Otto und Thr?nert nun erstmals eine Lehrveranstaltung zum Dual-Use Dilemma f¨¹r ETH-Studierende aus Biologie, Chemie und Gesundheitswissenschaften durchgef¨¹hrt. Insgesamt 21 Bachelor-, Master- und Doktorats-Studierenden nahmen teil ¨C mit Herkunft aus Nord- und S¨¹deuropa, Nordamerika und Asien. Anhand von Fallstudien, zu denen auch die Debatte um die Forschung an der Vogelgrippe geh?rte, vertieften sie sich in die verschiedenen Perspektiven der Dual-Use-Problematik.

Wissen, wie die Sicherheitspolitik funktioniert

Ein wichtiger Aspekt des Kurses war es, die Studierenden mit dem politischen, milit?rischen und institutionellen Hintergrund vertraut zu machen, der international gew?hrleisten soll, dass biologische und chemische Technologien nicht zu Kriegszwecken eingesetzt werden. Dazu wurden historische Beispiele f¨¹r offensive Bio- und Chemiewaffenprogramme behandelt und Gastreferenten eingeladen, die sich in der Praxis mit Chemie- und Biosicherheit und internationaler Sicherheitspolitik befassen.