Zement-Forschung – die Grundlage für grüneren Beton

Ein internationales Forscher-Team hat eine neue Datenbank für Molekulardynamik-Modelle geschaffen, welche die Eigenschaften von Zement in allen Spielarten simulieren. Ziel der Datenbank ist es, Wissenschaftler und Hersteller bei der Feinabstimmung dieser Beton-Komponente zu unterstützen und dadurch nicht zuletzt die Emissionen im Herstellungsprozess zu verringern.

Vergr?sserte Ansicht: Beton ist das am meisten verwendete Baumaterial der Welt – dessen Herstellung ist für 8 Prozent aller Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. (Bild: eugenesergeev, iStock)
Beton ist das am meisten verwendete Baumaterial der Welt – dessen Herstellung ist für 8 Prozent aller Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. (Bild: eugenesergeev, iStock)

Zement wird verwendet, um Beton zu binden – das weltweit meistgenutzte Baumaterial und eine bedeutende Quelle von atmosph?rischem Kohlendioxid. Die Betonproduktion ist verantwortlich für mehr als 8 Prozent der Treibhausgase, die in die Atmosph?re gelangen.

Atomare Wechselwirkungen untersuchen

Die neue Datenbank tr?gt den Namen externe Seitecemff, was für ?Cement Force Fields? (Zement-Kraftfelder) steht. Das Kraftfeld ist in diesem Fall jedoch keine unsichtbare Schranke aus einer Science-Fiction-Geschichte. Es ist vielmehr eine Sammlung von Parametern, die Forscher verwenden, um Computermodelle atomarer Wechselwirkungen zu erstellen. Einer dieser Parameter ist die innere Energie der Atome in einem Simulations-System. Im Rahmen ihrer Forschung berechnen Wissenschaftler, wie Atome individuell und kollektiv mit ihren Nachbarn interagieren, damit die jeweiligen Eigenschaften eines Materials entstehen.

Die Anwendung pr?ziser atomistischer Kraftfeld-Modelle erm?glicht es, Computersimulationen mit unterschiedlichen Arten von anorganischen Mineralien durchzuführen, die in Zement vorkommen. Die Datenbank erm?glicht Forschern aus Wissenschaft und Industrie, sich auf ganz unterschiedliche Kraftfeld-Typen abzustützen und zuverl?ssige Simulationen für speziell entwickelte Zementformeln durchzuführen. Cemff k?nnte so der Industrie helfen, st?rkere, dauerhaftere Baustoffe zu entwickeln, welche zudem bei der Herstellung weniger Kohlendioxidemissionen erzeugen. Emissionen, die sich in der Betonproduktion auf j?hrlich über 3 Mrd. Tonnen belaufen.

Umweltfreundliche Zementarten entwickeln

cement database
Aufnahme von Beton mit einem Transmissionselektronenmikroskop und atomare Struktur eines Modellzements (Bild: ETH Zürich/EPFL/Rice University)

?Die Ver?ffentlichung dieser gemeinsamen Datenbank stellt für dieses Forschungsgebiet einen Meilenstein dar, der den Einfluss des molekularen Modellierens in der Entwicklung neuer und umweltfreundlicher Zementarten deutlich vergr?ssern wird?, sagt Robert Flatt, Professor für Bau-, Umwelt- und Geomatik-Ingenieurwissenschaften an der ETH Zürich und einer der wissenschaftlichen Berater des cemff-Datenbank-Projektes.

Insgesamt waren 15 Wissenschaftler an 11 Instituten unter der Leitung von Ratan Mishra von der ETH Zürich, Rouzbeh Shahsavari von der Rice University und Paul Bowen von der EPFL Lausanne für das Projekt t?tig. Im Rahmen ihrer Forschung untersuchten sie, wie in der Simulation von Kraftfeld-Modellen Komponenten-Moleküle in Zement miteinander interagieren. Diese mikroskopischen Interaktionen bestimmen die Leistungsf?higkeit von Zement in der Praxis und erlauben eine Feinabstimmung des Materials, so dass es jahrzehntelang m?glichst leistungsf?hig und auf m?glichst umweltfreundliche Art und Weise eingesetzt werden kann.

?Beim molekularen Modellieren sind nach wie vor viele Kompromisse n?tig?, weiss Mishra, Erstautor der Publikation zu dieser Datenbank und Materialwissenschaftler in der Forschungsgruppe von Professor Flatt. Das typische Beispiel sei das Verh?ltnis von Zeit und Genauigkeit. Noch wichtiger sei es jedoch zu erkennen, wozu sich spezifische Modelle eignen und worin im jeweiligen Fall die Herausforderungen bestehen k?nnten. Die cemff-Datenbank wird Forschern künftig eine umfassendere Sicht auf diese Frage erm?glichen sowie die Wahl der besten Herangehensweise an das Problem, mit dem sie sich befassen.

CO2-Bilanz verbessern

Hauptbestandteil von Zement ist Kalziumsilikat, das mit Wasser reagiert und so das geh?rtete Material bildet, das Beton seine mechanischen Eigenschaften und seine Langlebigkeit verleiht. Rund 60 Prozent der Kohlendioxidemissionen aus der Zementproduktion stammen aus dem Abbau von Kalk, der Kalziumquelle von Zement. Um die CO2-Bilanz zu verbessern, erg?nzen Hersteller den Mix oft mit Lehm, Abfallmaterial wie Flugasche sowie Recycling-Material.

Diese beeinflussen die mechanischen Eigenschaften und die Widerstandsf?higkeit des Produktes – was auch der Grund dafür ist, weshalb ein Bedarf nach Simulationen im Nanobereich besteht, die es Herstellern erlauben, Mischungen hinsichtlich ihrer St?rke und Dauerhaftigkeit zu testen, dies noch bevor überhaupt richtiger Zement hergestellt wird. ?Diese konsolidierte Datenbank steht im Einklang mit dem derzeitigen Trend zu Big Data und voraussagender computergestützter Materialwissenschaft?, sagt Rouzbeh Shahsavari, Assistenzprofessor für Bau- und Umweltingenieurwesen und Materialwissenschaften an der Rice University.

Paul Bowen, Professor am Labor für Pulvertechnologie der EPFL und Initiator des Projektes, hofft, dass der offene Zugang und die internationale Basis der cemff-Datenbank sowohl die modellierende als auch die experimentierende Forscher-Community dazu ermutigen, solide Benchmarks zu schaffen. ?Die Datenbank soll mithelfen, die Eigenschaften des meistgenutzten Materials auf diesem Planeten zu verstehen und pr?ziser vorherzusagen – und damit zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen?, sagt er.

Vergr?sserte Ansicht: Eine Simulation von Zement, basierend auf einem Modell aus der cemff-Datenbank. Das Modell enthält Wasserstoff (weiss), Sauerstoff (rot), Silikat (gelb) und Kalzium (grün). (Bild: ETH Zürich)
Eine Simulation von Zement, basierend auf einem Modell aus der cemff-Datenbank. Das Modell enth?lt Wasserstoff (weiss), Sauerstoff (rot), Silikat (gelb) und Kalzium (grün). (Bild: ETH Zürich)
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