Städtemodell auschliesslich aus Bildern

ETH-Wissenschaftler kombinierten Millionen von Bildern und Videos zu einem dreidimensionalen, lebendigen Modell einer Stadt – konkret: von Zürich. Die neue Technologie bietet zahlreiche Anwendungen und kann zum Beispiel analysieren, wo wann Fussg?nger unterwegs sind und Parkpl?tze frei werden.

Vergr?sserte Ansicht: Stadtmodell von Zürich
Dem dreidimensionalen Modell von Zürich liegen ausschliesslich Bilddaten zugrunde. (Bild: ETH Zürich)

Forschende der ETH Zürich haben eine Technologieplattform entwickelt, mit der sie 3D-Modelle von St?dten einzig aus Bildinformation erstellen k?nnen. Die Varcity genannte Plattform ist so vielseitig, dass sie alle erdenklichen Bildquellen nutzen, auswerten und automatisch miteinander kombinieren kann: Luftaufnahmen, mit Spezialfahrzeugen aufgenommene 360-Grad-Panorama-Bilder, aber auch gew?hnliche Fotos, etwa solche, die Touristen in sozialen Netzwerken und auf Internetplattformen ver?ffentlichen. Die Technologie nutzt zudem Videomaterial, beispielsweise Youtube-Filme und Daten von ?ffentlichen Webcams.

Dank Algorithmen des maschinellen Lernens kann die Technologie Bildinhalte erkennen, wie Geb?ude, Fenster und Türen, Strassen, Gew?sser, Menschen und Autos. Ohne menschliches Zutun ?weiss? das kreierte 3D-Modell zum Beispiel, was Gehwege sind und – mittels Auswertung von Webcam-Daten – welche Strassen nur in einer Richtung befahren werden.

Vergr?sserte Ansicht: Stadtmodell Zürich Vegetation
Mit Algorithmen des maschinellen Lernens kann das Modell Geb?ude, Strassenraum, Vegetation und Gew?sser voneinander unterscheiden. (Bild: ETH Zürich)
Vergr?sserte Ansicht: Modell Zürich Fassaden und Fenster
Ausserdem erkennt das Modell Fassaden und Fenster (in den Geb?uden vorne links gelb und rot sichtbar gemacht). (Bild: ETH Zürich)

?St?dtemodelle mit Leben füllen?

?Das Ganze geht so weit, dass wir im Strassenraum den Verkehrsfluss sehr detailliert analysieren und Fussg?ngerstr?me messen k?nnen, je nach Anwendung sogar in Echtzeit?, erkl?rt Hayko Riemenschneider. Er ist Postdoc und Varcity-Projektleiter in der Gruppe von Luc Van Gool, Professor am Computer Vision Lab der ETH Zürich. Verkehrsz?hlungen werden damit sehr einfach: Sie k?nnen alleine mit Kameras durchgeführt werden und bedürfen keiner in der Fahrbahn installierter Sensoren mehr.

?Unsere Technologie bringt die Dynamik, das Leben, die Menschen und Fahrzeuge in 3D-St?dtemodelle. Das ist einer der grossen Vorteile unserer Technologie gegenüber bekannten Anwendungen wie Google Street View?, sagt Riemenschneider. Ausserdem ist die Technologie nach dem ?Privacy by Design?-Prinzip aufgebaut: Die Algorithmen generieren aus den Bilddaten Information in anonymisierter Form. In den Visualisierungen werden Menschenstr?me und Verkehr als Avatare angezeigt. Varcity ist daher datenschutzkompatibel.

Grosse Datenmengen ausgewertet

Die entsprechenden Computeralgorithmen entwickelten die Wissenschaftler in den vergangenen fünf Jahren im Rahmen eines Projekts des Europ?ischen Forschungsrats ERC (ERC Advanced Grant an ETH-Professor Van Gool). Als Anschauungsobjekt kreierten sie ein 3D-Modell der Stadt Zürich, das sie zum planm?ssigen Projektabschluss nun in einem Video pr?sentieren.

Die Varcity-Technologie basiert auf der Auswertung einer gigantischen Bilddatenmenge. ?Je mehr Bilder und Videos die Plattform auswerten kann, desto genauer wird das Modell?, sagt Kenneth Vanhoey, Postdoc in Van Gools Gruppe. ?Das Ziel unseres Projekts war, die Algorithmen für solche 3D-St?dtemodelle zu entwickeln. Dies unter der Annahme, dass die Menge verfügbaren Bilder und Videos auch in den kommenden Jahren rasant zunehmen wird.?

Um aus den Bilddaten ein dreidimensionales Modell zu erstellen, verwenden die Wissenschaftler die Triangulation. Sie ben?tigen dazu von einem Objekt mehrere Aufnahmen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. ?ber die Analyse der Distanzen und Winkel auf den verschiedenen Bildern lassen sich die Eckpunkte des Objekts im Raum genau verorten.

Einfache Parkleit-Technologie

Das St?dtemodell selbst bieten die Wissenschaftler nicht als Anwendung an, dennoch sind m?gliche Anwendungen der Technologie zahlreich. Dazu geh?ren die Stadt- und Verkehrsplanung. Um auf der Technologie basierende Anwendungen zu vermarkten, haben die Projektbeteiligten ausserdem mehrere Startup-Firmen gegründet: Spectando bietet für den Immobilienmarkt virtuelle Geb?udebegehungen an, und Casalva führt für Versicherungen virtuelle Schadensanalysen an Geb?uden durch, zum Beispiel nach Unwettern wie Hagelstürmen. Für diese Anwendungen braucht es keine speziellen Ger?te, gew?hnliche Smartphone-Aufnahmen reichen aus.

Auch das aus Varcity hervorgegangene ETH-Spin-off Parquery nutzt die Technologie. Die Firma entwickelte ein Parkleitsystem, das ausschliesslich mit auf Parkpl?tze gerichtete Kameras funktioniert und keine Parkplatzsensoren braucht. Der Computer wertet die Videodaten in Echtzeit aus, kann Autos erkennen und weiss somit, welche Parkpl?tze leer sind, aber auch, welche Autos nicht regelkonform parkiert wurden. Das System war als erstes in Locarno im Einsatz. Darüber hinaus gibt es international weitere 30 Projekte.

Das ETH-Spin-off Uniqfeed schliesslich verwendet die Methoden, um bei Fernsehübertragungen von Sportveranstaltungen Bandenwerbung und einzelne Spieler zu erkennen. Damit kann es einerseits deren Sichtbarkeitsdauer w?hrend der ?bertragung berechnen und andererseits die Bandenwerbung für unterschiedliche Nutzergruppen personalisieren.

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Video: ETH Zürich
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