Mehr Akzeptanz für Stromleitungen

Das Ph?nomen ist bekannt und zeigt sich bei so manchem Infrastrukturprojekt: Betroffene leisten Widerstand. So wollen beispielsweise alle mobil surfen, aber niemand mag neue Antennen auf dem Dach. Bei Stromleitungen ist das nicht anders. Wenn Interessensgruppen oder die lokale Bev?lkerung opponieren, kann das ein Projekt um Jahre verz?gern.

Im Fall des Stromnetzes ist das insofern problematisch, da neue ?bertragungsleitungen sowohl f¨¹r die Versorgungssicherheit als auch f¨¹r die Energiewende wichtig sind. In der Schweiz m¨¹ssen zum Beispiel die Pumpspeicherkraftwerke in den Bergen ans H?chstspannungsnetz angeschlossen werden, um den Strom zu den Verbraucherzentren zu transportieren. Wie l?sst sich die Akzeptanz f¨¹r solche Projekte steigern? Und welches sind die entscheidenden Einflussfaktoren? Als Student der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Z¨¹rich bin ich diesen Fragen in meiner Masterarbeit nachgegangen. [1]

Warum Betroffene opponieren

Es gibt drei Hauptsorgen, welche die Bev?lkerung im Zusammenhang mit dem Stromnetz besch?ftigen: Erstens beeintr?chtigen Stromleitungen das Landschaftsbild. Zweitens werden Stromleitungen mit Gesundheitsrisiken assoziiert: Insbesondere Menschen, die in unmittelbarer N?he wohnen, haben Angst vor Gesundheitssch?den. Eine dritte Problematik ergibt sich aus den ersten beiden und ist ?konomischer Natur: Beeintr?chtigte Landschaftsbilder und vermutete Gesundheitsrisiken k?nnen den Wert von Grundst¨¹cken und Immobilien in der N?he von ?bertragungsleitungen senken.

Erkl?ren, warum es das Netz braucht

Unter den Faktoren, welche die Akzeptanz f¨¹r ?bertragungsleitungen beeinflussen, ist die Offenlegung des Netzbedarfs absolut zentral: Entscheidend ist, die Bev?lkerung ausf¨¹hrlich zu informieren und zu erkl?ren, warum das Netz ¨¹berhaupt modernisiert und ausgebaut werden muss. Dieser Bedarfsnachweis stellt f¨¹r die Betroffenen die Grundlage dar, um die Problematik verstehen und ¨¹ber m?gliche L?sungen diskutieren zu k?nnen. Die Schweizer Netzgesellschaft Swissgrid hat letztes Jahr das ?Strategische Netz 2025? vorgestellt. [2] Darin hat sie diejenigen Netzprojekte definiert, die in allen untersuchten Szenarien f¨¹r die Schweiz notwendig sind. Die Resultate meiner Studie deuten darauf hin, dass der Bedarfsnachweis durch Swissgrid sowohl die Zustimmung der nationalen Stakeholder f¨¹r den Netzplan als auch die Akzeptanz f¨¹r einzelne Leitungsprojekte in betroffenen Regionen positiv beeinflusst hat.

Weit weg von Wohnzonen

Auch die Frage der Landnutzung und die Sorge um Landschaftseingriffe spielen eine wichtige Rolle. Je weiter weg vom Siedlungsgebiet eine H?chstspannungsleitung geplant ist, desto eher wird sie akzeptiert. Neben Wohnzonen haben f¨¹r die betroffenen Menschen auch Naturschutz- und Naherholungsgebiete einen hohen Wert. Neue Leitungen sollten so gut wie m?glich in die Landschaft eingebettet sein, damit sie wenig auffallen. Anspruchsgruppen und Betroffene fordern deshalb, bei Netzprojekten alle m?glichen L?sungen ¨C auch die Verkabelung im Boden ¨C zu pr¨¹fen.

Den Nutzen sichtbar machen

Zu verstehen, was ein Leitungsprojekt konkret n¨¹tzt, kann die Gunst von Betroffenen f?rdern. Ein direkter Nutzen entsteht zum Beispiel durch den Bau einer Kraftwerksanschlussleitung, da die Betroffenen vom Kraftwerk profitieren (etwa durch Arbeitspl?tze, Wasserzinsen, etc.). Ein weiterer Nutzen entsteht, wenn im Rahmen eines Netzausbauprojekts gleichzeitig Massnahmen ergriffen werden, die den menschlichen Einfluss auf das Landschaftsbild reduzieren, wie etwa ein R¨¹ckbau von Verteilnetzleitungen. Ein bedarfsgerecht ausgebautes ?bertragungsnetz n¨¹tzt den Betroffenen auch dadurch, dass die Stromkosten niedriger sein k?nnen.

Mitreden und miteinander sprechen

Menschen m?chten sich beteiligen. M?glichkeiten zur Partizipation sind f¨¹r die Betroffenen daher zentral: Sie wollen, dass man ihre Anliegen ernst nimmt und ber¨¹cksichtigt. Werden sie vor vollendete Tatsachen gestellt, wehren sie sich. Ein fr¨¹hzeitiger Einbezug von Betroffenen in ein Projekt erh?ht die Erfolgsquote deutlich. Eines darf man dabei nicht vergessen: Was Menschen denken, wird durch die ?ffentliche Meinung gepr?gt. Sowohl Gegner als auch Bef¨¹rworter eines Netzprojektes k?nnen die betroffene Bev?lkerung ¨¹ber die Medien oder die lokale Politik beeinflussen.

Ohne Segen der Bev?lkerung l?sst sich keine ?bertragungsleitung bauen. Deshalb muss die Frage der Akzeptanz noch mehr Aufmerksamkeit erhalten. Mit dem offengelegten Netzbedarf ist in der Schweiz bereits ein wichtiger Schritt getan. Nun geht es darum, im Dialog mit den betroffenen Akteuren akzeptable L?sungen zu finden.