Pauli Lectures im Zeichen der Zell-Logistik

Um Biomoleküle an ihren Zielort zu transportieren, verwenden Zellen einen raffinierten Paketdienst. James E. Rothman entdeckte das zellul?re Transportsystem und erhielt dafür den Nobelpreis für Physiologie 2013. N?chste Woche wird er an der ETH Zürich die Pauli Lectures halten.

© 2013 The Nobel Committee for Physiology or Medicine / Mattias Karlén
Der Biochemiker und Zellbiologe James E. Rothman von der Yale University h?lt die Pauli-Vorlesungen 2016. (Bild: Mattias Karlén / Alena Soboleva) 

?hnlich einer chemischen Fabrik stellen Zellen unabl?ssig verschiedenste Proteine her, die sie nach der Synthese rasch an ihren Bestimmungsort transportieren müssen. Einige dieser Moleküle sind zum Export an die Zelloberfl?che bestimmt, andere nehmen Funktionen im Zellinnern wahr. Um Stoffe zu transportieren, verwenden Zellen ein raffiniertes Distributionssystem: Sie verpacken die frisch hergestellten Proteine in winzige bl?schenf?rmige F?hren, genannt Vesikel. Diese bringen die spezielle Fracht zur richtigen Zeit an den richtigen Ort, ohne sich in der Lieferadresse zu t?uschen. Wie Zellen diese logistische Meisterleistung genau vollbringen, war lange ein Mysterium. Eine Koryph?e auf dem Gebiet des zellul?ren Transportsystems ist James E. Rothman, Professor für Biochemie und Zellbiologie an der Yale University. Er trug massgeblich dazu bei, das R?tsel der Zell-Logistik zu l?sen.

Paketdienst nach Schlüssel-Schloss-Prinzip

?Rothman ist ein weltweit herausragender Wissenschaftler mit Pioniercharakter. Er beschrieb als erster die molekulare Maschinerie, die es den Zellen erlaubt, ihren Paketdienst zuverl?ssig abzuwickeln. Damit hat er das Feld des Vesikel-Verkehrs entscheidend gepr?gt?, sagt Nenad Ban, Professor für Strukturelle Molekularbiologie an der ETH Zürich. Ban ist Mitorganisator der diesj?hrigen Pauli Lectures und konnte Rothman als Referenten gewinnen.

Die Vesikel, die das Frachtgut in ihrem Innern durch die Zelle transportieren, sind wie alle Zellen und ihre Organellen mit einer Biomembran umhüllt. Rothman entdeckte beim Studium von S?ugetierzellen, dass die Vesikel-Bl?schen auf ihrer Hülle spezifische Proteinkomplexe tragen, die wie ein Schlüssel auf ein Gegenstück in der Membran des Zielortes passen. Dockt das Vesikel mit seinem Schlüssel an ein komplement?res Membran-Schloss an, kann der winzige Frachter mit der Zell- oder Organell-Membran verschmelzen und so seinen Inhalt am vorbestimmten Ort entleeren.

Dieser Prozess der Warenabgabe – die sogenannte intrazellul?re Membranfusion – ist ein fundamentaler Mechanismus in der Biologie: Er spielt eine zentrale Rolle bei Zellwachstum und Zellteilung. Ausserdem ist er medizinisch relevant, da Fehler in der Logistikkette zu schwerwiegenden Krankheiten führen k?nnen. Indem Rothman die Membranfusion charakterisierte, lieferte er das Grundprinzip für eine Vielzahl wichtiger physiologischer Abl?ufe, darunter die Freisetzung des Hormons Insulin in die Blutbahn, die Kommunikation zwischen den Nervenzellen im Gehirn sowie die Infektion von Zellen durch Viren.

Mit dem Blick eines Nobelpreistr?gers

Rothman wurde dank seinen bahnbrechenden Erkenntnissen zu den zellul?ren Transportwegen international bekannt und erhielt für seine Arbeit zahlreiche Auszeichnungen, deren Kr?nung der Nobelpreis für Physiologie im Jahr 2013 ist. Das Departement Biologie der ETH Zürich würdigt nun Rothmans Forschungsleistung und hat ihn aus diesem Grund eingeladen, die diesj?hrigen Wolfgang-Pauli-Vorlesungen zu halten.

In der ETH-Vorlesungsreihe, die am n?chsten Montag beginnt, wird der 65-j?hrige Rothman zun?chst über die Bedeutung der Forschung für die Gesellschaft sprechen und darüber, was es braucht, um wissenschaftliche Erfolge zu erm?glichen. In einer zweiten Vorlesung wird er einen Einblick in das Transportsystem von Zellen geben und die Serie von Entdeckungen beleuchten, die 2013 zum Nobelpreis führten.

Schliesslich wird Rothman auf die Kommunikation von Nervenzellen eingehen, wo die Membranfusion so schnell abl?uft wie nirgends sonst in der Natur: Erreicht ein Nervenimpuls eine Synapse, setzen Vesikel an den Nervenenden in weniger als einer Millisekunde Neurotransmitter frei, welche die Information als chemische Botenstoffe auf die benachbarte Nervenzelle übertragen. Wie es m?glich ist, dass derselbe Mechanismus hier rund 10‘000 mal schneller abl?uft als etwa bei der Hormonausschüttung, wird Rothman in seiner dritten Vorlesung ergründen.

Pauli Lectures 2016

Die Wolfgang-Pauli-Vorlesungen sind eine seit 1962 j?hrlich stattfindende, dreiteilige Vorlesungsreihe. Sie sind abwechslungsweise der Physik, Mathematik und Biologie gewidmet. Im Rahmen der Pauli-Vorlesungen pr?sentieren hervorragende Referenten ihre wegweisende Forschung. Benannt sind sie nach dem theoretischen Physiker und Nobelpreistr?ger Wolfgang Pauli, der von 1928 bis zu seinem Tod 1958 als Professor an der ETH Zürich wirkte. Die Vorlesungen werden auf Englisch gehalten, sind ?ffentlich und richten sich an ein breites Publikum mit Interesse an Naturwissenschaften. Der Eintritt ist kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht n?tig. Die Vorlesungen von James E. Rothman:

On the Role of Scientific Research in Society, and Lessons Learned from a Life in Science

  • Montag, 30. Mai 2016, 20:15 h (ETH Zentrum, Auditorium Maximum, HG F 30)

On the Sorting of Proteins to Compartmentalize the Cell – the Story of Three Nobel Prizes from a Modern Perspective

  • Dienstag, 31. Mai 2016, 20:15 h (ETH Zentrum, Auditorium Maximum, HG F 30)

On the Structural Biochemical Mechanism of Synaptic Neurotransmission in the Brain

  • Mittwoch, 1. Juni 2016, 15:30 h (ETH H?nggerberg, H?rsaal HCI G3).

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