Hocheffizienter Schwermetall-Filter

ETH-Forscher entwickeln ein neuartiges Wasserfiltersystem, das bisherigen Systemen in vielerlei Hinsicht überlegen ist: Es entfernt aus dem Wasser h?chst effizient verschiedene giftige Schwermetall-Ionen und radioaktive Substanzen und l?sst sich erst noch für die Wiedergewinnung von Gold nutzen.

Vergr?sserte Ansicht: Bild: Raffaele Mezzenga (r.) und Sreenath Bolisetty begutachten im Labor eine Probe ihrer neuartigen Filtermembran. (Bild: ETH Zürich / Laboratory for Soft Materials)
Raffaele Mezzenga (r.) und Sreenath Bolisetty begutachten im Labor eine Probe ihrer neuartigen Filtermembran. (Bild: ETH Zürich / Laboratory for Soft Materials)

Brasilien erlebte im November 2015 ein Umwelt-Desaster sondergleichen. Zwei Staud?mme einer Eisenerzmine brachen, eine giftige, schwermetallhaltige Brühe ergoss sich in den Rio Doce und erreichte nach Tagen den Atlantik. Die Folgen für Natur und Mensch sind verheerend: Unz?hlige Fische, V?gel, Haustiere starben, eine Viertelmillion Menschen hat kein Trinkwasser mehr.

Der Fall zeigt auf: Wasserverschmutzung ist eines der grossen Probleme dieser Welt. Das Aufbereiten von mit Schwermetallen oder radioaktiven Substanzen verseuchtem Wasser konnte technisch nicht befriedigend gel?st werden. Bisherige Methoden, mit denen etwa Schwermetalle aus dem Wasser entfernt werden, haben mehrere Nachteile: Sie sind entweder zu spezifisch auf ein bestimmtes Element ausgerichtet oder die Filterkapazit?t ist zu klein. Zudem sind bisherige L?sungen oft auch zu teuer.

Schwermetalle effizient filtern

Abhilfe schaffen k?nnte nun eine neuartige Hybrid-Filtermembran, die im Labor von Raffaele Mezzenga, Professor für Lebensmittel und weiche Materialien der ETH Zürich, entwickelt wurde. Diese Technologie ist nicht nur denkbar einfach aufgebaut, sondern besteht darüber hinaus aus kostengünstigen Rohstoffen wie Molkeproteinfasern und Aktivkohle. Schwermetallionen lassen sich bereits mit nur einem Durchgang durch die Filtermembran fast vollst?ndig aus dem Wasser entfernen.

?Dieses Projekt k?nnte etwas vom Wichtigsten sein, was ich bisher in meinem Leben gemacht habe?, freut sich der ETH-Professor über die neue Entwicklung aus seinem Labor. Daran gearbeitet haben nur er und sein Mitarbeiter Sreenath Bolisetty. Ihre Publikation ist soeben in Nature Nanotechnology erschienen.

Molke und Aktivkohle ben?tigt

Kern des Filtersystems ist eine neuartige Hybridmembran aus Aktivkohle und steifen, z?hen Fasern aus Molkeprotein. Die beiden Komponenten sind günstig erh?ltlich und ohne grossen Aufwand herzustellen.

Die Molkeproteine werden zuerst denaturiert. Dadurch strecken sie sich; mehrere von ihnen lagern sich in Form von sogenannten Amyloid-Fibrillen zusammen. Sie werden zusammen mit Aktivkohle (wie sich auch in medizinischen Kohletabletten enthalten ist) auf ein geeignetes Tr?germaterial, beispielsweise auf ein Zellstoff-Filterpapier, aufgetragen. Dabei betr?gt der Kohleanteil 98 Prozent, nur gerade zwei Prozent entfallen auf das Protein.

Gold-Rückgewinnung dank Filtermembran

Diese Hybridmembran nimmt verschiedene Schwermetalle auf, und zwar unspezifisch. Dazu z?hlen industriell relevante Elemente wie Blei, Quecksilber, Gold oder Palladium. Sie absorbiert aber auch radioaktive Substanzen wie Uran oder Phosphor-32, die bei radioaktivem Abfall oder für bestimmte Krebstherapien relevant sind.

Vergr?sserte Ansicht: Rückgewonnenes Gold
Gold, das aus verschmutztem Wasser zurückgewonnen wurde. (Bild: ETH Zürich/R. Mezzenga/S. Bolisetty)

?berdies eliminiert die Membran hochgiftige Metall-Cyanide aus dem Wasser. Zu dieser Stoffklasse z?hlt Gold-Cyanid, das die Elektronikindustrie h?ufig für die Herstellung von Leiterbahnen auf Platinen braucht. Das Edelmetall l?sst sich dank dieser Membran herausfiltern und auf einfache Weise zurückgewinnen. Damit k?nnte das Filtersystem dereinst auch einen wichtigen Beitrag zum Gold-Recycling leisten. ?Der Gewinn, der mit dem zurückgewonnenen Gold erzielt wird, überwiegt die Kosten für die Hybridmembran um das 200-fache?, betont Mezzenga.

Zahlreiche Bindungsstellen für Giftstoffe

Das Verfahren zur Filtration ist denkbar einfach: Verunreinigtes Wasser wird mithilfe eines Vakuums durch die Membran gesogen. ?Ein genügend grosses Vakuum k?nnte man auch mit einer einfachen Handpumpe erzeugen?, sagt Mezzenga, ?dadurch kann das Filtersystem auch ohne Strom betrieben werden.? Zudem ist das System fast beliebig skalierbar, sodass auch grosse Wassermengen kostengünstig filtriert werden k?nnten.

Vergr?sserte Ansicht: Schema Filtration
Das verunreinigte Wasser (verf?rbtes Wasser in Fl?schchen) wird mit Unterdruck durch die Hybridmembran gesogen, die Schwermetall-Ionen (rote Kugeln) binden dabei an die Proteinfasern. Das filtrierte Wasser hat Trinkwasserqualit?t. (Schema: aus Bolisetty & Mezzenga, Nature Nanotechnology, 2016)

Die giftigen Substanzen bleiben beim Durchsaugen des Wassers haupts?chlich an den Proteinfasern ?kleben?. Letztere haben zahlreiche Bindungsstellen, an denen einzelne Metall-Ionen andocken k?nnen. Doch auch die Aktivkohle mit ihrer grossen Oberfl?che kann grosse Mengen von Giftstoffen absorbieren. Dies verschiebt die S?ttigungsgrenze der Membran nach oben. Darüber hinaus verleihen die Proteinfasern der Membran ihre mechanische St?rke und erlauben bei hohen Temperaturen die chemische Umwandlung der gefangenen Ionen in wertvolle metallische Nanopartikel.

Unübertroffenes Absorptionsverm?gen

Von der Filterkapazit?t der Hybridmembran ist Mezzenga begeistert: Bei Tests mit Quecksilberchlorid etwa sank die im Filtrat vorhandene Quecksilberkonzentration um mehr als 99,5 Prozent. Noch effizienter absorbierte die Hybridmembran eine giftige Kalium-Gold-Cyanid-Verbindung oder Blei-Salze: Erstere wurden zu 99,98 Prozent in der Membran gebunden, letztere zu 99,97 Prozent. Vom radioaktiven Uran wurden durch die Filtration 99,4 Prozent der ursprünglichen Konzentration gebunden. ?Diese hohen Werte erzielten wir mit nur einem Durchgang?, betont Miterfinder Bolisetty.

Auch über mehrere Durchl?ufe hinweg filtert die Hybridmembran Giftstoffe sehr zuverl?ssig heraus. Zwar stieg die Quecksilber-Konzentration im Filtrat nach zehn Durchl?ufen auf das Zehnfache, von 0,4 ppm auf 4,2 ppm (parts per million). Die eingesetzte Menge Protein war jedoch extrem klein. Um insgesamt einen halben Liter verschmutztes Wasser zu filtrieren, verwendeten die Forscher eine Membran, die gerade mal ein zehntel Gramm wog, davon entfielen sieben Gewichtsprozent auf die Proteinfasern.

?Mit einem Kilo Protein lassen sich 90‘000 Liter Wasser – in etwa der lebenslange Bedarf eines Menschen - reinigen?, sagt der ETH-Professor. Das heisst aber auch, dass die Effizienz der Filtermembran nach Bedarf weiter gesteigert werden kann, indem ihr Proteingehalt entsprechend erh?ht wird. ?Das zeigt, wie flexibel der gew?hlte Ansatz ist?, erg?nzt Mezzenga.

Vielversprechendes Potenzial

Mezzenga ist zuversichtlich, dass seine Technologie den Weg auf den Markt finden wird. ?Anwendungen dafür gibt es viele, und das Wasserproblem ist eines der dr?ngendsten unserer Zeit?, sagt er, gerade auch mit Blick auf die Schlammflutwelle in Brasilien. Der ETH-Professor hat denn auch seine Technologie patentieren lassen und wurde im M?rz 2015 hierfür für den Spark Award der ETH Zürich nominiert. Weil aber die wissenschaftliche Publikation einen neunmonatigen Review-Prozess durchlaufen musste, k?nnen Bolisetty und Mezzenga ihre Erfindung erst jetzt der ?ffentlichkeit vorstellen.

Literaturhinweis

Bolisetty S, Mezzenga R. Amyloid–carbon hybrid membranes for universal water purification. Nature Nanotechnology, Advanced Online Publication Jan 25th 2016. doi: externe Seite10.1038/nnano.2015.310

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