Demand Response: Stabile Stromnetze dank flexibler Nachfrage

Die Flexibilisierung der Stromnachfrage erm?glicht es, lokale Verteilnetze zu optimieren und zu stabilisieren: Mit dem Demand-Response-Verfahren l?sst sich der Verbrauch auf Preissignale oder die Netzauslastung abstimmen. Die Rahmenbedingungen in der Schweiz sind gut, um in diesem Gebiet eine Vorreiterrolle in Europa einzunehmen.

Vergr?sserte Ansicht: Stromnetz
(Bild: Thorsten Schier / Fotolia.com)

Die Schweizer Energiestrategie 2050 sowie die ?20¨C20¨C20?-Ziele der EU weisen den Weg in eine Zukunft mit wachsenden Anteilen von erneuerbaren und dezentralen Energiequellen. Daraus entstehen erhebliche Herausforderungen f¨¹r das heutige Energiesystem mit seinem zentralisierten und hierarchischen Ansatz, in dem Energie von grossen Erzeugern an viele kleine Verbraucher verteilt wird und das Angebot stets dem Verbrauch folgt. Das System ist weder auf die fluktuierende  Erzeugung aus Solar- oder Windkraftanlagen noch auf die direkte Einspeisung ins Verteilnetz ausreichend vorbereitet.

Nachfrage dynamisch steuern

Diesen Herausforderungen kann man mit konventionellem Netzausbau nur bedingt begegnen. Der Schl¨¹ssel zu einem stabilen und effizienten Energiesystem ist vielmehr Flexibilit?t auf der Produktions- wie auf der Nachfrageseite. Diese Flexibilit?t erlaubt es, die schwankende Einspeisung auszugleichen, die z.B. durch Sonnen- oder Windenergie entsteht. Ausserdem erm?glicht sie, lokale Verteilnetze zu optimieren und stabilisieren (siehe auch diesen Blogbeitrag ¨¹ber Demand Side Management).

Demand Response stellt die ben?tigte Flexibilit?t bereit, indem es eine Reaktion der Nachfrageseite (also des Verbrauchs) auf Preissignale oder auf Netzauslastung erm?glicht. Sind die Preise hoch bzw. herrscht Unterfrequenz, werden Verbraucher wie W?rmepumpen abgeschaltet, w?hrend im gegenteiligen Fall Lasten angeschaltet werden. Lastabw¨¹rfe zur Vermeidung von Verbrauchsspitzen sind nicht neu. In der Schweiz kennt man Rundsteuersysteme seit Jahrzehnten. So schalten beispielsweise Boiler ¨¹ber Nacht bei Niedertarif und wenig Nachfrage an, tags¨¹ber hingegen ab. Neu ist das B¨¹ndeln von Lasten und Erzeugern sowie die M?glichkeit, diese Flexibilit?t an M?rkten anzubieten, etwa f¨¹r Regelreserve.

Was bringt Demand Response?

Von dieser Flexibilit?t profitieren mehrere Stakeholder in der Energiewertsch?pfungskette. Energielieferanten und -erzeuger k?nnen ihr Portfolio durch Demand Response optimieren. Anstatt teure Energie am Markt einzukaufen oder ¨C im  Falle des Energieerzeugers ¨C teure Spitzenlastkraftwerke anzuschalten, k?nnen Lasten g¨¹nstiger abgeworfen werden. Der Energielieferant kann Demand Response ausserdem dazu nutzen, die Abweichungen von seiner Verbrauchsprognose zu verringern und damit Kosten f¨¹r die Bereitstellung von Ausgleichsenergie zu sparen.

F¨¹r den ?bertragungsnetzbetreiber kann die Nachfragesteuerung die Kosten f¨¹r Regelleistungen senken, wenn sich dadurch die Kapazit?t g¨¹nstiger bereitstellen l?sst als durch traditionelle Kapazit?tsreserven. In jedem Fall profitiert der Verbraucher (bzw. kleine Erzeuger): Er bekommt durch Demand Response die M?glichkeit, seine Flexibilit?t zu vermarkten und attraktive Erl?se zu erwirtschaften.

Die Umsetzung

Ideal f¨¹r Demand-Response-Anwendungen sind Anlagen, die (fast) immer an bzw. ausgeschaltet sind und die kurzfristig zugeschaltet werden k?nnen. Dazu z?hlen zum Beispiel Pumpen, Elektrolyseanlagen, Verdichter, M¨¹hlen oder Schleifen, wie sie in der Grundstoffchemie, Papierherstellung, Holzverarbeitung, Metall-, Zement oder Nahrungsmittelproduktion vorkommen. Ausserdem sind (kleinere) Erzeugungseinheiten wie Wasserkraftwerke, Biomassekraftwerke, Kehrichtverbrennungsanlagen oder Netzersatzanlagen gut f¨¹r Demand Response geeignet. Erfahrungswerte zeigen, dass z.B. in Deutschland Nettoertr?ge von 50 000 bis 60 000 €/MW f¨¹r Sekund?rregelleistungen und 10 000 bis 20 000 €/MW f¨¹r die Minutenreserve solcher Anlagen realisierbar sind.

Demand Response kann von Energieversorgern selbst oder von Dritten, sogenannten Aggregatoren, durchgef¨¹hrt werden. In beiden F?llen werden dezentrale Lasten und Erzeugungseinheiten an ein zentrales System angeschlossen. Dieses aggregiert die einzelnen Flexibilit?tsbausteine zu Produkten f¨¹r die Vermarktung an Energie- bzw. Regelm?rkten. Die Aggregationsplattform stellt dabei gegen¨¹ber den Regelm?rkten (bzw. dem ?bertragungsnetzbetreiber) sicher, dass die angebotene Leistung jederzeit verf¨¹gbar ist. Gleichzeitig erm?glicht sie den Anlagen eine Teilnahme am Regelmarkt ohne Risiken f¨¹r betriebliche Prozesse.

Vergr?sserte Ansicht: Illustration der Flexibilisierung
Das Prinzip von Demand Response: Flexibilit?tsbausteine werden geb¨¹ndelt und an Energiem?rkten vermarktet. (Illustration: Sabine Erlinghagen)

Demand Response in der Schweiz

Im Gegensatz zu den USA gibt es in Europa noch signifikante regulatorische H¨¹rden f¨¹r den Einsatz von Demand Response. In der Schweiz hingegen sind die regulatorischen Rahmenbedingungen im Vergleich zu vielen anderen europ?ischen L?ndern relativ gut; positiv dazu beigetragen haben vor allem die neuen Vorschriften und Prozesse f¨¹r Regelpools. Sie schaffen zum einen klare Spielregeln f¨¹r das Zusammenwirken der Marktakteure. Zum anderen beseitigen sie auch regulatorische H¨¹rden, indem sie die Aggregation von kleinen Einheiten zu einer gr?sseren mit mindestens 5 MW erlauben. Diese ?nderung trat erst Ende 2013 in Kraft und er?ffnet so neue M?glichkeiten f¨¹r Betreiber von kleineren Kraftwerken sowie f¨¹r Schweizer Industriebetriebe. Seither sind die ersten Projekte f¨¹r Regelpools in der Schweiz gestartet worden.

Der Schweizer Markt ist auch finanziell interessant. 2012 zahlte Swissgrid ¨¹ber 200 Mio. CHF f¨¹r Systemdienstleistungen bzw.  Ausgleichsenergie. Insgesamt werden ca. 900 MW prim?rer, sekund?rer und terti?rer Regelleistung zur Frequenzhaltung bereitgehalten. Demand Response kann hier also eine g¨¹nstigere Alternative zu konventionellen Methoden des Lastausgleichs darstellen. Die Verteilnetzbetreiberin profitiert dabei auf der einen Seite von sinkenden Kosten; auf der anderen Seite realisieren die Verbraucher den Wert ihrer Flexibilit?t.

Helvetische Vorreiterrolle

Abschliessend l?sst sich festhalten, dass Demand Response in Europa eine vielversprechende M?glichkeit zur Optimierung und Stabilisierung des Netzes bietet. Insbesondere in der Schweiz haben sich die Rahmenbedingungen seit Ende 2013 erheblich verbessert. In jedem Fall kann man sagen, dass die Entwicklung von Demand Response erst ganz am Anfang steht. Die Schweiz hat sich damit in eine gute Ausgangsposition gebracht, auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle in Europa einzunehmen.

Weiterf¨¹hrende Informationen

Der vorliegende Text basiert auf einem Artikel der Autorin im Buch ?Energie im Wandel ¨C Frauen gestalten die Energiezukunft? (etv Energieverlag GmbH, ISBN 978-3-942370-41-7), in dem 29 Exponentinnen aus der Branche aktuelle energiewirtschaftliche Fragen aufgreifen. Das Buch kann f¨¹r 29 € externe Seitehier bestellt werden.

Zur Autorin

Sabine Erlinghagen
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