Extrem fest und hitzebeständig

ETH-Forscher stellten einen dünnen Film und feinste S?ulen aus einer neuen Klasse von Legierungen her, die aus mehreren, feinverteilten Elementen besteht. Das Material widersteht extremen Drücken und Temperaturen.

Vergr?sserte Ansicht: Hochentropie-Legierung
Die Legierung hat eine sehr feink?rnige (nanokristalline) innere Struktur. Auf dieser mikroskopischen Aufnahme sind die etwa 30 bis 130 Nanometer grossen Einzelkristalle sichtbar, aus denen das Material besteht. (Bild: Huan Ma / ScopeM / ETH Zürich)

Seit mehr als 4000 Jahren stellen Menschen Metalllegierungen her, um damit Werkstoffe mit gewünschten Eigenschaften zu erhalten. Traditionell bestehen diese Legierungen aus einem Hauptmetall, in welches in einem Schmelzprozess kleinere Mengen eines oder weniger anderer Elemente gemischt werden. Bronze beispielsweise besteht zum Grossteil aus Kupfer, zu einem geringeren Anteil aus Zinn. Es ist wesentlich fester als reines Kupfer oder reines Zinn.

Anders ist die Zusammensetzung bei sogenannten Hochentropie-Legierungen. Seit wenigen Jahren steht diese neue Klasse von Legierungen bei Materialwissenschaftlern hoch im Kurs, denn sie weisen eine hohe Festigkeit auf und sind temperatur- sowie korrosionsbest?ndig. Hochentropie-Legierungen bestehen aus meist vier oder fünf metallischen Elementen. Forscher unter der Leitung von Ralph Spolenak, Professor für Nanometallurgie, stellten nun aus einer Hochentropie-Legierung einen drei Mikrometer dünnen Film her und fr?sten in diesen eine Struktur aus S?ulen mit einem Durchmesser von 100 Nanometern bis einem Mikrometer. Die Legierung besteht  aus gleichen Anteilen der Elemente Niob, Molybd?n, Tantal und Wolfram.

Feinstruktur ver?ndert Eigenschaften

Vergr?sserte Ansicht: Mikro-Säulen
Gute Verformbarkeit: Eine S?ule von einem Mikrometer Durchmesser vor (links) und nach (rechts) einer mechanischen Verformung mit hohem Druck. (Bild: Zou et al. Nature Communications 2015)

Wie sich zeigte, haben diese ?Mikro-S?ulen? aus der Hochentropie-Legierung ganz besondere Eigenschaften: Sie sind zehnmal fester als ein Block aus demselben Material. Ausserdem lassen sich die S?ulen unter hohen Drücken um bis zu rund einem Drittel ihrer L?nge stauchen ohne dabei spr?de zu werden oder zu brechen – diese Verformbarkeit bezeichnen Wissenschaftler als Duktilit?t. Und schliesslich ist das Material auch enorm temperaturbest?ndig: Es überstand drei Tage bei 1100 Grad Celsius ohne wesentliche ?nderung der ?usseren und inneren Struktur – ganz im Gegensatz zu reinem Wolfram, welches die Wissenschaftler als Kontrolle ebenfalls der Hitzebehandlung unterzogen. Mikro-S?ulen der Hochentropie-Legierung schnitten nach der Hitzebehandlung in Bezug auf Festigkeit und Duktilit?t besser ab als solche aus reinem Wolfram. Und dies obschon die Hochentropie-Legierung grunds?tzlich einen wesentlich tieferen Schmelzpunkt hat als reines Wolfram (rund 2900 gegenüber 3400 Grad).

Hergestellt haben die Wissenschaftler den drei Mikrometer dünnen Film mit der Magnetron-Kathodenzerst?ubung, einem in der Mikroelektronik oft verwendeten Beschichtungsverfahren. Indem Atome der erw?hnten vier Elemente zerst?ubt und gleichzeitig auf ein Tr?germaterial gesprüht wurden, kam diese Technik erstmals zur Produktion einer Hochentropie-Legierung zum Einsatz. Mittels der Ionenfeinstrahltechnik (FIB) stellten die Wissenschaftler die Mikro-Zylinder auf der Oberfl?che des Films frei.

Material aus winzigen Einzelkristallen

Vergr?sserte Ansicht: Hochentropie-Legierung
Mit einem dünnen Film der Hochentropie-Legierung beschichtete Silizium-Scheibe im Labor der ETH-Forscher. (Bild: Fabio Bergamin / ETH Zürich)

Beim Material der ETH-Forscher ist nicht nur die ?usserst feingliedrige S?ulenstruktur bemerkenswert, sondern auch der innere kristalline Aufbau. Wie die meisten kristallinen K?rper besteht auch dieses Material aus einer Vielzahl von kleinen Einzelkristallen. Das Besondere an der Legierung ist, dass diese Einzelkristalle winzig sind – im Jargon wird das Material als nanokristallin bezeichnet. ?Nanokristalline Materialien haben zwar viele gewünschte Eigenschaften, jedoch oft auch Nachteile?, erkl?rt Yu Zou, Doktorand in Spolenaks Gruppe und Erstautor der nun in der Fachzeitschrift ?Nature Communications? ver?ffentlichten Studie. ?So sind diese Materialien in der Regel nicht temperaturbest?ndig, denn bei Erw?rmung nimmt die Gr?sse der Einzelkristalle zu, und damit ?ndern sich die Materialeigenschaften.?

Dass die Hochentropie-Legierung ausgesprochen temperaturbest?ndig ist, hat nach Auskunft der Wissenschaftler m?glicherweise mit der verh?ltnism?ssig ungeordneten atomaren Verteilung der Elemente in ihrem Innern zu tun. Die Forscher vermuten, dass insbesondere die Unordnung an den inneren Grenzfl?chen der Einzelkristalle dazu beitr?gt, dass Einzelkristalle bei Hochentropie-Legierungen im Vergleich zu anderen Materialien eine geringere Tendenz haben, bei Erw?rmung zu wachsen. Ob diese Vermutung zutrifft, m?chten die Wissenschaftler in weiterer Forschungsarbeit untersuchen, in der sie die atomare Verteilung der Elemente im Material genau unter die Lupe nehmen.

Interessant sei das neue Material vor allem für Anwendungen bei hohen Drücken und hohen Temperaturen, beispielsweise zum Bau von Sensoren, die bei solchen Extrembedingungen funktionieren müssen, sagt Zou.

Literaturhinweis

Zou Y, Ma H, Spolenak R: Ultrastrong ductile and stable high-entropy alloys at small scales. Nature Communications, 10. Juli 2015, doi: externe Seite10.1038/ncomms8748

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