Ein Quantenkanal aus Licht

In Experimenten mit ultrakalten Atomen und Laserlicht haben ETH-Forscher beobachtet, dass sich die Leitf?higkeit beim Fluss durch kleinste Strukturen stufenweise ?ndert. Dieser Quanteneffekt wurde noch nie bei elektrisch neutralen Teilchen gemessen.

Vergr?sserte Ansicht: quantenkanal
Ein punktf?rmiger Kontakt, durch den neutrale, ultrakalte Atome fliessen. Die Leitf?higkeit kann sich gem?ss der Quantenphysik nur stufenweise ?ndern. (Grafik: Gruppe Tilman Esslinger)

Zwei Gef?sse mit Gas, die durch eine R?hre miteinander verbunden sind, bilden den Ausgangspunkt für die ?berlegungen der Physiker am ETH-Institut für Quantenelektronik. Weil sich in einem Beh?lter etwas mehr Gas befindet als im anderen, fliessen Teilchen durch die Leitung von einem Ort zum anderen. ?Nun fragen wir uns, wie sich die Leitf?higkeit ?ndert, wenn wir die Verbindung immer kleiner machen?, erkl?rt Physikprofessor Tilman Esslinger. Zuerst werde die Leitf?higkeit einfach immer geringer, doch dann komme man an einen Punkt, an dem Erstaunliches passiere: Die Leitf?higkeit ?ndert sich ab diesem Punkt nur noch in Stufen, wobei die Stufenh?he durch die sogenannte Planck-Konstante gegeben ist - ?ein direkter Quanteneffekt?, sagt Esslinger.

Bisher konnte dieses Quantenph?nomen nur in bestimmten elektronischen Systemen gemessen werden, beispielsweise bei so genannten Quantenpunktkontakten in speziellen Halbleiterstrukturen. ?Wir haben nun aber erstmals bei neutraler, also nicht geladener Materie, solche Quantisierungen der Leitf?higkeit beobachtet?, sagt Esslinger. ?Das ist ein Resultat, das auch in Lehrbücher für Quantenphysik passen würde.?

Diese Grundlagenforschung, die vom Schweizerischen Nationalfonds und der europ?ischen Union unterstützt wird, kann vielleicht aber auch zum Bau der n?chsten Generation von elektronischen Ger?ten beitragen. Denn in ihren Experimenten werden die ETH-Physiker Effekte untersuchen k?nnen, die sich mit bekannten elektronischen Systemen noch gar nicht erzielen lassen.

Kühlen bis fast zum Nullpunkt

Die Gruppe von Tilman Esslinger arbeitet mit ultrakalten Atomen. Im Experiment, über das die Forscher jetzt in der Fachzeitschrift ?Nature? berichten, besteht das untersuchte Gas aus Lithiumatomen, deren Temperatur nur 35 Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt liegt. ?Das Kühlen ist unsere Hauptarbeit im Labor?, sagt Dr. Jean-Philippe Brantut, Ambizione-Fellow des Schweizerischen Nationalfonds am Institut für Quantenelektronik. ?Dazu dienen 99 Prozent der Apparatur, die wir selbst entwickelt haben.? Werden die Lithiumatome so stark abgekühlt, verhalten sie sich ?hnlich wie die Elektronen in einem Festk?rper, obwohl sie im Gegensatz zu den Elektronen nicht geladen sind.

Herzstück der komplizierten Versuchsanordnung ist eine Glaszelle unter Hochvakuum mit zwei ultrahochaufl?senden Mikroskopen. Zwischen den Mikroskopen befindet sich das Lithiumgas in Form einer zigarrenf?rmigen Wolke mit einem Durchmesser von rund 300 Mikrometer. Ein Laserstrahl teilt diese Wolke in zwei Reservoirs, die so durch einen engen, zweidimensionalen Kanal verbunden sind. Eine lithografisch hergestellte Maske wird durch einen zweiten Laserstrahl beleuchtet und durch ein Projektionssystem aus Linse und Mikroskop verkleinert auf den Kanal abgebildet. So entsteht ein Quantenpunktkontakt mit einer Breite von nur gut einem Mikrometer, wie die Messung mit dem zweiten Mikroskop zeigt.

Winziger Fluss erfordert stabiles System

Diese Struktur ist eng genug, so dass die Gesetze der Quantenmechanik gelten. Das heisst, beim Fluss der Atome durch den Kanal ?ndert sich die Leitf?higkeit nicht kontinuierlich, sondern in Stufen, die durch das Plancksche Wirkungsquantum, eine fundamentale Naturkonstante, gegeben sind. Genau dies beobachtete die Forschungsgruppe. Jeweils zehn Atome würden sich gleichzeitig im Kanal aufhalten, sagt Brantut. Um den damit verbundenen, winzigen Fluss sichtbar zu machen, muss der Kanal so lange ge?ffnet sein bis ungef?hr tausend Atome durchgeflossen sind. Dies ist nach eineinhalb Sekunden der Fall, was für solche Versuche sehr lang ist. ?Das Experiment gelingt nur, wenn die Atome sehr ruhig, also sehr kalt sind, und alles stabil bleibt?, erkl?rt der Physiker.

Die Atome durchqueren die Versuchsanordnung wie kleine Gewehrkugeln, ohne durch Zusammenst?sse abgelenkt zu werden. Die Physiker sprechen deshalb von einem ballistischen System. In Zukunft m?chte man ballistische Transistoren entwickeln, bei denen der elektrische Widerstand besonders klein ist. Dabei k?nnten die Experimente mit neutralen Atomen und Laserlicht helfen. Denn damit lassen sich theoretische Modelle systematisch untersuchen und direkt vergleichen, was mit elektronischen Systemen oft nicht m?glich ist, weil man das entsprechende Material noch gar nicht herstellen kann. ?Wir haben bisher gemessen, was man aufgrund der Theorie erwartet hat?, sagt Jean-Philippe Brantut, ?Nun dringen wir auf unbekanntes Terrain vor.?

Literaturhinweis

Krinner S, Stadler D, Husmann D, Brantut J-P, Esslinger T: Observation of quantized conductance in neutral matter. Nature 517,64–67(01 January 2015). doi:externe Seite10.1038/nature14049

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert