Bedrohte Feuerwerke der Evolution

In der Arktis und der Wüste zeigt sich die Natur von ihrer hartn?ckigsten Seite, in  Regenw?ldern von ihrer üppigsten. Auf Inseln findet man beides: vielf?ltige ?kosysteme auf von Vulkanausbrüchen gepr?gten, kargen Felsen mitten im Meer. Aber gerade auf Inseln ist die Biodiversit?t besonders gef?hrdet.

Vergr?sserte Ansicht: idyllischer Strand auf den Seychellen
Inseln wie die Seychellen haben mehr zu bieten als Str?nde. Sie geh?ren auch zu den besten Freilandlabors der Biologie. (Foto: Eva Schumacher)

Ein Viertel der globalen Pflanzenvielfalt findet man nur auf ozeanischen Inseln, und ebenso einmalig ist deren Tierwelt. Dies obwohl Inseln weniger als fünf Prozent der globalen Landfl?che ausmachen und in geologischem Massstab sehr kurzlebig sind. Kaum haben diese Vulkangebirge die Meeresoberfl?che erreicht und die Vulkanausbrüche soweit abgenommen, dass Leben m?glich ist, werden sie von der Erosion bereits abgetragen und verschwinden bald wieder im Meer. Trotzdem erz?hlen Inseln tausendfach die Geschichte von Pflanzen und Tieren, die noch die entlegensten Landfl?chen im Meer erreichen, sich dort durch Evolution schnell neu anpassen und so einmalige ?kosysteme bilden. Es ist denn auch nicht verwunderlich, dass Inseln seit Charles Darwin’s Zeiten als einmalige Freilandlabors der Evolutionsbiologie und ?kologie gelten [1].

Bedrohte Artenvielfalt auf Inseln

Vergr?sserte Ansicht: Palmenarten auf den Seychellen
Auf den Seychellen findet man den natürlichen Palmenwald heute nur noch als Fragmente, wie die 20 Hektaren des UNESCO-Weltnaturdenkmal Vallée de Mai. (Foto: Eva Schumacher)

Ohne entschiedene Naturschutzmassnahmen bleiben den Biologen aber nur noch wenige Jahrzehnte für ihre Forschung. Denn viele Inselarten sind bereits ausgestorben, und von den überlebenden Arten ist inzwischen eine Mehrzahl akut vom Aussterben bedroht: Es existieren nur noch einzelne Individuen oder Populationen, deren Vorkommen oft zur Sicherheit geheim gehalten wird. Und die verbleibenden relativ ungest?rten ?kosysteme eines Archipels machen zusammen typischerweise nur noch wenige Hektaren oder Quadratkilometer aus [2].

Naturschutzg?rtnerei schafft Rückzugsgebiete

Zum Glück sind Inseln auch Orte der Hoffnung, wo der Naturschutz innovative Ans?tze erprobt, um fast ausgestorbene Arten in letzter Minute zu retten. Zum Beispiel durch intensive Pflege: Landschaftsg?rtnerei und Wildparks schaffen für bedrohte Arten neuen Lebensraum. In Mauritius oder auf den Seychellen geschieht dies auf sehr kleinen, den Küsten vorgelagerten Inseln, wo man seltene Arten auswildert, weil sie dort vor invasiven Arten geschützt sind und – falls n?tig – t?glich gepflegt werden k?nnen. Auf anderen Inseln wie Hawaii erstellen Naturschützer kilometerlange Z?une, um verwilderte Schweine von den letzten Flecken artenreicher Natur fernzuhalten.

Vergr?sserte Ansicht: Zaun gegen verwilderte Schweine
Mehrere endemische Vogelarten überleben in Hawaii nur noch im abgelegenen Alakai-Moor der Insel Kauai. Ihre Populationen nehmen dramatisch ab. Als letzte Hoffnung baut man nun einen Zaun gegen invasive Arten. (Foto: Christoph Küffer / ETH Zürich)

Naturschutz wird zu einer Aufgabe für alle

Solche permanente und intensive Pflege ist oft nicht finanzierbar. Deshalb h?ngt das ?berleben vieler Inselarten vom pers?nlichen Engagement von Freiwilligen ab. Auf Rodrigues hat ein Dorf gemeinsam einen nahegelegenen Hügel mit einheimischen Arten bepflanzt: inzwischen eines der artenreichsten Gebiete der Insel. Anderswo weiss ich von Juristen, Journalisten, Barkeepern, Hotelbesitzern, Unternehmern, G?rtnern und Hausfrauen, welche Wochenende für Wochenende invasive Pflanzen j?ten und seltene einheimische Arten f?rdern, um das grosse Aussterben zumindest für einen Moment aufzuhalten. Auf den Seychellen unterstützt das Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich seit über 20 Jahren solche Aktivit?ten [3].

Naturschutzideen für die Schweiz

Die auf Inseln erprobten Ans?tze erreichen inzwischen auch das Festland und führen zu einem fundamentalen Umdenken im Naturschutz. W?hrend man bisher hoffte, die Natur vom Menschen abgrenzen zu k?nnen und in Schutzgebieten zu erhalten, akzeptiert man zunehmend, dass menschliche Einflüsse keine Grenzen kennen. Der neue Naturschutz sucht deshalb Wege, den Menschen als Chance und nicht als Gefahr für die Natur zu betrachten [2].

Noch dürfen wir im Schweizer Nationalpark die Wanderwege nicht verlassen, um die Natur nicht zu st?ren. Vielleicht aber werden den Park-Besuchern in ein paar Jahrzehnten Schaufeln und Gartenscheren verteilt, auf dass sie die Natur im Park pflegen helfen. Ob die Schweiz in 50 Jahren noch artenreich sein wird, h?ngt wohl von kreativen F?rstern, Landwirten, G?rtnern, Stadtplanern und Naturliebhabern aus der gesamten Bev?lkerung ab, die sich die Pflege eines kleinen Flecken Artenvielfalt zu einer ihrer Lebensaufgaben machen.

Weiterführende Informationen

[1] Kueffer, C., Drake DR, Fernandez-Palacios JM. 2014 Island biology: looking towards the future. Biology Letters 10, 20140719. doi: externe Seite10.1098/rsbl.2014.0719

[2] Kueffer, C. & Kaiser-Bunbury, C. 2014. Reconciling conflicting perspectives for biodiversity conservation in the Anthropocene. Frontiers in Ecology and the Environment 12: 131-137. doi: externe Seite10.1890/120201

[3] "Kapisen", Newsletter der "Plant Conservation Action group", einer NGO der Seychellen

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