Die ETH tanzt mit Google Tango

Im «Project Tango» entwickelt Google unter anderem zusammen mit Hochschulen Mobilgeräte, welche die Umgebung dreidimensional wahrnehmen und auch die Navigation in Innenräumen ermöglichen. Die ersten Geräte sollen nächstes Jahr auf den Markt kommen. Am Projekt ist die ETH Zürich massgeblich beteiligt.

Vergr?sserte Ansicht: Prototyp
Mit dem Prototyp-Ger?t des Project Tango l?sst sich die Umgebung dreidimensional erfassen. (Bild: Simon Lynen / ETH Zürich)

Ein Smartphone mit Navigationsfunktion, die uns in einem Einkaufszentrum den Weg zu den Cornflakes weist. Eines, das uns realistisch zeigt, wie ein noch nicht gekauftes Sofa in den eigenen vier W?nden aussieht. Oder eines, das Blinde führen kann, wie es derzeit Hunde tun. Dies k?nnte bald schon Realit?t sein. Eine Projektgruppe des Internetgiganten Google ist unter anderem zusammen mit Hardwareproduzenten und ?ffentlichen Forschungsinstitutionen daran, ein solches Mobilger?t und die entsprechende Software zu entwickeln. Die ETH-Professoren Marc Pollefeys und Roland Siegwart und ihre Mitarbeiter sind wesentlich an dieser Entwicklung, dem ?Project Tango? beteiligt.

Die Schlüsselfunktion des neuen Ger?ts ist seine F?higkeit, die Umgebung detailliert und in Echtzeit dreidimensional zu erfassen. Dazu besitzt es nicht nur eine Kamera sowie einen Beschleunigungs- und Drehratensensor, wie bereits heute jedes Smartphone. Vielmehr sind darin zus?tzlich eine zweite Kamera und eine Infrarotlichtquelle eingebaut. Letztere projiziert ein für das menschliche Auge unsichtbares Muster auf die Umgebung. Dieses wird von einer der beiden Kameras erfasst. Daraus sowie aus den Daten des Beschleunigungs- und Drehratensensors kann das Ger?t detaillierte Rauminformationen errechnen.

Bereits existieren von Google gefertigte Prototypen. Mehrere Wissenschaftler der ETH Zürich nutzen diese für ihre Forschung und sind daran, deren Algorithmen zu verbessern. Auf dem Markt erh?ltlich soll das erste Ger?t im kommenden Jahr sein, wie Google ankündigte. Es soll ein Tablet mit Android-Betriebssystem sein.

Virtuelle und reale Welt vereinen

?Den M?glichkeiten, dieses Ger?t und dessen 3D-Informationen zu nutzen, sind keine Grenzen gesetzt?, sagt Roland Siegwart, Professor für Autonome Systeme und Vizepr?sident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen der ETH Zürich. ?Darauf basierend lassen sich unglaublich viele Apps entwickeln. Welche das sein werden, wird die Zukunft zeigen.? Das Ger?t k?nnte etwa für Computerspiele ganz neue M?glichkeiten er?ffnen: Der virtuelle Inhalt von Spielen k?nnte auf dem Bildschirm in die von der Kamera erfasste reale Umgebung eingefügt werden. Gamer k?nnten sich mit einem Mobiltelefon durch virtuell angereicherte reale Umgebungen bewegen, die virtuellen Figuren und Objekte bewegten sich auf dem Bildschirm mit ihnen mit. Diese Kombination von virtueller und realer Welt w?re auch für Innenarchitektur-Visualisierungen interessant.

Ausserdem kann der Benutzer damit eigene 3D-Karten erstellen oder von anderen erstellte Karten herunterladen und auf dem Ger?t verwenden. Indem das Ger?t die Umgebung mit gespeicherten Kartendaten vergleicht, kann es sich lokalisieren, und es erm?glicht so eine GPS-?hnliche Navigation, auch in Innenr?umen. Im Gegensatz dazu funktioniert das echte GPS in R?umen nicht, weil die dafür genutzten Satellitendaten dort nicht empfangen werden k?nnen.

Vorteile gegenüber GPS

Simon Lynen
ETH-Doktorand Simon Lynen kartiert mit einem auf einem Helm montierten Ger?te-Prototyp Zürichs Strassen. (Screenshot: Google ATAP Project Tango)

Simon Lynen, Doktorand in der Gruppe von Siegwart, entwickelte die Kartenfunktion für das Tango-Ger?t mit. Er kartierte damit die Strassen von Zürich mit einem auf einem Velohelm montierten Ger?te-Prototyp. Damit zeigte er, dass man mit der Technik auch draussen über kilometerweite Strecken navigieren kann. ?Auch in Aussenr?umen hat unsere Technik gegenüber dem heute genutzten GPS einen Vorteil: GPS liefert nur den Standort, unsere Technik erfasst ausserdem noch die Blickrichtung der Kameras?, sagt Lynen. Das erm?gliche beispielsweise das Einblenden von Informationen in Abh?ngigkeit von der Blickrichtung. Des Weiteren erm?gliche die neue Technik zumindest im begrenzten Rahmen von existierenden, lokalen Karten eine rund zehnmal genauere Lokalisierung als GPS.

ETH-Know-how steckt zudem in der F?higkeit des Ger?ts, sich nach dem Start oder wenn immer n?tig in Bruchteilen einer Sekunde durch den Vergleich mit gespeicherten Karten zu lokalisieren. Und ETH-Doktoranden arbeiten derzeit an einer L?sung, welche es dem Ger?t erm?glicht, 3D-Informationen der Umgebung zu erfassen, wenn es das projizierte Infrarotmuster beispielsweise wegen starkem Sonnenschein nicht auswerten kann. ?Das Ger?t nutzt dazu eine Abfolge von ?normalen? Bildern der Kamera und erfasst daraus die Tiefeninformation, ?hnlich wie wir Menschen das machen, indem wir unseren Kopf bewegen?, erkl?rt Marc Pollefeys, Professor für Informatik.

Abweichungen korrigieren

Die Aufmerksamkeit der ETH-Forscher gilt ausserdem dem Korrigieren von Lokalisierungsfehlern. Wegen Messungenauigkeiten k?nnen n?mlich geringe Fehler entstehen. Diese addieren sich, wenn sich ein Benutzer l?ngere Zeit durch G?nge oder Strassen bewegt. So kann es zu einer Abweichung kommen zwischen dem errechneten Ort und jenem, wo sich das Mobilger?t tats?chlich befindet. Die ETH-Wissenschaftler arbeiten nun daran, solche Abweichungen zu korrigieren, indem sie die im Mobilger?t gespeicherten Bilddaten nutzen: Kehrt der Benutzer an einen Ort zurück, an dem er schon einmal war, erkennt dies das Ger?t und kann eine allf?llige Abweichung auf null zurücksetzen.

Die Gruppen von Pollefeys und Siegwart haben sich bereits in der Vergangenheit ein grosses Know-how erworben, aus visueller Information geometrische Raumdaten zu gewinnen, etwa in den Projekten sFly zur autonomen Navigation von Flugrobotern und V-Charge zum führerlosen Parkieren von Autos. Marc Pollefeys und seine Gruppe entwickelten ausserdem eine App, die ein Smartphone zum 3D-Scanner macht. ?Unsere ausgewiesene Expertise auf diesem Gebiet dürfte auch der Grund sein, warum uns Google für die Mitarbeit beim Project Tango angefragt hat?, sagt Siegwart. Pollefeys erg?nzt: ?Alle diese Projekte haben verwandte Grundlagen. Ins Project Tango k?nnen unsere Mitarbeiter somit Know-how einbringen, das sie in bisherigen Projekten erworben haben.?

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(Video: Google ATAP Project Tango)
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