Quantenexperiment für thermoelektrische Materialien

Die direkte Umwandlung von W?rme zu Strom mit sogenannten thermoelektrischen Materialien k?nnte zu einer wichtigen Quelle erneuerbarer Energie werden. Physiker stellten nun das Verhalten solcher Materialien pr?zise nach.

Vergr?sserte Ansicht: Optisches System
Ausschnitt aus dem optischen System, mit dem die Wissenschaftler Atome einfangen und ver?ndern. (Bild: Jean-Philippe Brantut / ETH Zürich)

Die im 19. Jahrhundert entdeckten thermoelektrischen Materialien verfügen über die bemerkenswerte Eigenschaft, dass sie bei Erw?rmung einen schwachen elektrischen Strom erzeugen. Diesen Strom auf ein Mass zu verst?rken, das für moderne Technologien ben?tigt wird, stellte die Wissenschaftler in den vergangenen Jahrzehnten trotz grosser theoretischer und experimenteller Bemühungen vor eine beachtliche Herausforderung. Nun k?nnte ein neuartiger Ansatz für einen wesentlichen Fortschritt sorgen. An der ETH Zürich hat das Quantenoptik-Team um Tilman Esslinger ein Modell geschaffen, das für das bessere Verst?ndnis der grundlegenden Ph?nomene entscheidend ist – den thermoelektrischen Material-Simulator.

Es geschah beinahe zuf?llig: In Zürich hatten Teammitglied Jean-Philippe Brantut und seine Kollegen gerade einen neuen Versuch aufgebaut, als Gastprofessor Antoine Georges vom Collège de France und der Universit?t Genf einen Blick auf das Labor warf und begeistert war. ?Wir glaubten nicht wirklich daran, dass unser Experiment effiziente Thermoelektrizit?t erzeugen k?nnte?, erinnert sich Jean-Philippe Brantut, ?aber dann sagte er uns, dass unser Aufbau extrem interessant sei, etwas, wonach er und seine Kollegen Corinna Kollath (Universit?t Bonn) und Charles Grenier (Ecole Polytechnique – CNRS, Paris) jahrelang gesucht hatten.?

Antoine Georges kam bereits am n?chsten Tag mit einem ganzen Haufen Gleichungen wieder, um die Forscher davon zu überzeugen, dass sich ihr Experiment ideal zur Erforschung von Thermoelektrizit?t eignete. Dies hatte eine fruchtbare Zusammenarbeit von theoretischen Physikern in Paris, Bonn und Genf und Experimentalphysikern in Zürich zur Folge. Die Resultate des internationalen Teams werden nun in der Fachzeitschrift Science vorgestellt.

Von der W?rme zur Elektrizit?t

Vergr?sserte Ansicht: Glasszelle
Glaszelle, in der Atome eingefangen werden. (Bild: Jakob Meineke / ETH Zürich)

Die Erzeugung von Elektrizit?t aus W?rme beinhaltet in der Regel das Verbrennen eines Brennstoffs, der eine Flüssigkeit erhitzt, die wiederum eine mechanische Turbine antreibt, welche schliesslich elektrischen Strom generiert. Bei thermoelektrischen Materialien erfolgt der ganze Zyklus, der von einem Verbrennungsmotor geleistet wird, von Natur aus. Dieser Effekt ist jedoch schwach, und bei den bislang bekannten Materialien ist die Leistung thermoelektrischer Generatoren viel geringer als jene von Elektrokraftwerken.

Derzeit wird die Technologie haupts?chlich zum Antrieb von Raumsonden wie dem Mars-Rover Curiosity oder für kleine Ger?te wie energieautarke Sensoren eingesetzt. Die Fachleute rechnen für die Zukunft jedoch mit einer breiten Palette m?glicher Anwendungen. In einem Motor geht viel W?rme verloren. Automobilfirmen testen bereits verschiedene Systeme, um Energie aus den Abgasen zurückzugewinnen, und rechnen mit Treibstoffersparnissen von 3 bis 5 Prozent. Andere Anwendungen k?nnten mit K?rperw?rme betriebene Mobiltelefone oder Uhren sein. Weil W?rme bei menschlichen T?tigkeiten gew?hnlich verlorengeht, w?re ein hocheffizientes thermoelektrisches Material eine wichtige Quelle erneuerbarer Energie.

Der thermoelektrische Material-Simulator steht an der ETH in einer Vakuumkammer aus Glas. Darin befindet sich ein Gas aus Lithiumatomen. Per Laser wird das Gas auf sehr niedrige Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt unter minus 273 Grad Celsius gekühlt. Unter diesen Bedingungen verhalten sich die Atome im Gas wie Elektronen in einem Festk?rper. Zur Simulation von Thermoelektrizit?t werden die Atome mit Laserstrahlen eingefangen. Diese schaffen eine r?umlich variierende Struktur, in der sich die Atome so bewegen wie Elektronen in einem Festk?rper.

Eine grosse ?berraschung

Das Verhalten komplexer Materialien mithilfe von Atomen zu simulieren, die von Lasern eingefangen werden, ist eine wohlerprobte Methode in Zürich. In den vergangenen zehn Jahren erforschte das Quantenoptik-Team der ETH Supraleiter und Magnete und sogar elektronische Bauelemente. Aber Tilman Esslinger, Professor für Quantenoptik, rechnete nicht damit, dass ihr neues Experiment ein derart grosser Erfolg sein k?nnte. ?Mit einfachen Mitteln stellen wir Thermoelektrizit?t nach, die ebenso leistungsf?hig ist wie in natürlichen Materialien?, erkl?rt er. ?Das war eine grosse ?berraschung.?

Obwohl es sich nach wie vor um Grundlagenforschung handelt, k?nnte das Experiment die Materialwissenschaften st?rker beeinflussen, als das Team anfangs glaubte. ?Unser Experiment k?nnte als eine Art Massstab dienen?, so Jean-Philippe Brantut, der seine vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierte Forschung weiterführen wird. In den n?chsten zwei Jahren wird das Team versuchen, das Ursprungsexperiment weiterzuentwickeln, um komplexere Systeme zu studieren. Doch bereits jetzt wirft die Kaltatom-Simulation ein neues Licht auf die Thermoelektrizit?t: Ein Vergleich zwischen Theorie und Experiment, der für natürliche Materialien aufgrund ihrer hohen Komplexit?t oft schwierig ist, kann nun an den Atomen pr?zise durchgeführt werden. Sogar die Auswirkungen von Fehlern und St?rungen am Material wurden mit dem Kaltatom-Simulator erfolgreich erforscht.

Mit diesen neuen Erkenntnissen k?nnen die der Thermoelektrizit?t zugrunde liegenden Prozesse auf kontrollierte Art erforscht werden. Dies k?nnte künftig der Nachbildung und der Entwicklung von thermoelektrischen Materialien dienen, insbesondere dort, wo Versuche mit natürlichen Materialien noch einer theoretischen Interpretation bedürfen.

Literaturhinweis

Brantut JP, Grenier C, Meineke J, Stadler D, Krinner S, Kollath C, Esslinger T und Georges A: A thermoelectric Heat Engine with Ultra-Cold Atoms, Science, Online-Vorabver?ffentlichung 24. Oktober 2013, doi: externe Seite10.1126/science.1242308

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