Ultrakurzzeit-Lichtquelle im Laborformat

Erstmals haben Forschende der ETH Zürich und der Universität Genf mit einer Laborröntgenquelle nachweisen können, wie sich zwei hochfluorierte Moleküle in wenigen, ultrakurzen Billiardstel- oder Femtosekunden verändern.

Vergr?sserte Ansicht: Entscheidend beigetragen hat, dass die Forschenden die Röntgenstrahlung über die Erzeugung «hoher Harmonischer» entstehen liessen. (Bild / Animation: ETH Zürich)
Um die Moleküle ultraschnell zu vermessen, liessen die Forschenden die R?ntgenstrahlung über die Erzeugung ?hoher Harmonischer? entstehen. (Animation: ETH Zürich)

In der Natur ereignen sich manche Vorg?nge so schnell, dass selbst ein Wimpernschlag (100 s) im Vergleich dazu sehr langsam ist. Viele grundlegende physikalische, chemische und biologische Reaktionen vollziehen sich im ultrakurzen Zeitbereich von wenigen Femtosekunden (10?15 s) oder gar Attosekunden (10?18 s). Elementarteilchen wie Elektronen oder Photonen beispielsweise bewegen sich in Molekülen innerhalb von bloss 100 Attosekunden (10?16 s).

Wenn Elektronen in einem Molekül von einem Atom zu einem anderen springen, k?nnen sich chemische Bindungen aufl?sen und neue entstehen. Das passiert in einem Bruchteil von Femtosekunden. Solche Prozesse in Echtzeit mit atomarer Aufl?sung zu verfolgen, ist ein wesentlicher Grund für die Entwicklung neuer Grossforschungsanlagen wie zum Beispiel des Freien-Elektronen-Lasers Swiss FEL. Forschende der ETH Zürich und der Universit?t Genf haben nun einen Weg gefunden, solche ultraschnellen Prozesse im Labor zu untersuchen: mit einer weichen R?ntgenquelle.

Das Geheimnis ultrakurzer Reaktionen

Wie die Forschenden der Biophotonik-Gruppe von Jean-Pierre Wolf, Professor in Genf, und der Gruppe für ultraschnelle Spektroskopie von Hans Jakob W?rner, Professor in Zürich, in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins ?Science? berichten, haben sie eine r?ntgenbasierte Messtechnologie, die sogenannte R?ntgenabsorptionsspektroskopie, so weiterentwickelt, dass sie eine Zeitaufl?sung von 20 Femtosekunden (2x10-14 s) erreichten.

Damit beobachteten die Wissenschaftler, wie sich die Aufenthaltsr?ume der Elektronen - die sogenannten Molekülorbitale – von zwei hochfluorierten Verbindungen strukturell ver?nderten. Auch die Moleküle - Tetrafluorkohlenstoff (enth?lt vier Fluoratome) und Schwefelhexafluorid (enth?lt sechs Fluoratome) - selbst nahmen eine andere Form an, da die bestehenden chemischen Bindungen wegen der Elektronenbewegungen aufbrachen. Tetrafluorkohlenstoff beispielsweise verlor spontan ein Fluoratom und verwandelte sich von einem Tetraeder in ein dreieckig-ebenes Kohlenstoffmolekül mit drei Fluoratomen. Kohlenstoffhaltige Moleküle und ihre Reaktionen sind mit dieser Methode elementspezifisch zu vermessen und spielen beim Ozonabbau in der Atmosph?re ein Rolle.

Premiere im Labor

?Diese chemischen Reaktionen konnte man bisher nicht untersuchen?, erkl?rt W?rner. ?Das ist die erste zeitaufgel?ste Messung im Femtosekundenbereich mit einer weichen Laborr?ntgenquelle.? Bisherige Versuche, ultraschnelle R?ntgenquellen für die Anwendung in Labors zu entwickeln, beruhen auf harter, energiereicher R?ntgenstrahlung und erreichen bestenfalls Picosekunden-Zeitaufl?sung (10-12 s). Die Zürcher und Genfer Forschenden hingegen kombinierten eine an der ETH entwickelte Lichtquelle für weiche, energiearme R?ntgenstrahlung mit einem kompakten, hochintensiven Lasersystem im Genfer Labor. Mit weichen R?ntgenstrahlen lassen sich pr?zise Strukturinformationen gewinnen, wie sich die Elektronen in den Molekülen verteilen und welche Abst?nde die Atomkerne haben.

Entscheidend zum technologischen Durchbruch beigetragen hat, dass die Forschenden die R?ntgenstrahlung über die Erzeugung ?hoher Harmonischer? entstehen liessen. Mit dieser Methode vervielfachten sie in einem Gas in einer Vakuumkammer die Frequenz des ursprünglichen Femtosekunden-Laserstrahls um einen Faktor von rund 500 und erzeugten so einen koh?renten R?ntgenstrahl mit einem ?weissen? Spektrum.

Attosekunden-Zeitaufl?sung als Ziel

Damit konnten sie auch das chemisch und biologisch interessante Energiespektrum zwischen 100 und 350 Elektronenvolt erschliessen. ?Zeitlich hochaufgel?ste Messungen waren in diesem Spektralbereich bisher im Labor nicht m?glich?, freut sich W?rner. Ein grosser Vorteil der neuen Quelle sei, dass mit ihr auch R?ntgenexperimente mit einer Attosekunden-Zeitaufl?sung m?glich werden. ?Daran arbeiten wir jetzt in Zürich.? Die hochzeitaufl?sende Laborr?ntgenquelle erg?nzt die Forschung an Synchrotron-Lichtquellen und an Freie-Elektronen-Lasern, ersetzt sie allerdings nicht. Sie erm?glicht zus?tzliche Messungen und Experimente.

Ausserdem m?chten die Forschenden in Zukunft auch Moleküle in einem dünnen, für R?ntgenstrahlen durchl?ssigen Wasserstrahl vermessen, denn im aktuellen Experiment konzentrierten sie sich auf die Gasphase: In diesem Zustand lassen sich Moleküle besonders gut isolieren und unabh?ngig von allf?lligen Wechselwirkungen mit ihrer Umgebung untersuchen. Die meisten chemischen Reaktionen und biologischen Prozesse spielen sich jedoch in der Flüssigphase ab.

Finanziert wurde diese Forschung mit Mitteln aus zwei ERC Grants und des Nationalen Forschungsschwerpunkts ?MUST – Ultraschnelle Prozesse in molekularen Bausteinen? sowie einem Stipendium des ETH Fellows-Programms für exzellente Postdoktoranden.

Haben einen Weg gefunden, um ultraschnelle Prozesse im Labor zu untersuchen: die ETH-Forscher Yoann Pertot und Hans Jakob Wörner. (Bild: ETH Zürich / Florian Meyer)
Haben einen Weg gefunden, um ultraschnelle Prozesse im Labor zu untersuchen: die ETH-Forscher Yoann Pertot und Hans Jakob W?rner. (Bild: ETH Zürich / Florian Meyer)

Literaturhinweis

Pertot Y, Schmidt C, Matthews M, Chauvet A, Huppert M, Svoboda V, von Conta A, Tehlar A, Baykusheva D, Wolf J-P, Wo?rner H J: Time-resolved x-ray absorption spectroscopy with a water window high-harmonic source. Science 2017, doi: externe Seite10.1126/.aah6114

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