Erdwärme ohne Erdbeben?

Wie erzeugt und unterh?lt man im tiefen, heissen Untergrund einen W?rmetauscher, ohne dabei zu starke Erdbeben auszul?sen? Diese Herausforderung für die Geothermie-Forschung und Praxis will die ETH in den n?chsten Jahren in Zusammenarbeit mit der Industrie angehen.

Bohrturm Geothermie
(Bild: Alain Bachellier / flickr)

Vor wenigen Tagen haben die Betreiber des hydrothermalen Geothermie-Projektes in St. Gallen (siehe Blogbeitrag) bekannt gegeben, das Vorhaben aufgrund der wenig ergiebigen Produktionstests und der ausgel?sten Erdbeben zu stoppen. Neu will man mit einem Langzeitproduktionstest herausfinden, ob sich aus dem St. Galler Untergrund kommerziell Methangas f?rdern l?sst. Gas statt Erdw?rme in St. Gallen – der Weg hin zur Nutzung der an und für sich sehr attraktiven Geothermie als lokale Energiequelle mit niedrigem CO2-Ausstoss scheint weit und steinig.

Auftrieb für eine alternative Technologie

Interessanterweise verleiht das Aus der hydrothermalen Geothermie in St. Gallen jener Technologie Rückenwind, die schon 2006 in Basel eingesetzt worden ist, aber nach dem dortigen Erdbeben der Magnitude 3.2 wieder etwas in den Hintergrund getreten war: der sogenannten EGS-Technologie (Enhanced bzw. Engineered Geothermal Systems). Dabei versucht man, mit Wasser unter hohem Druck künstlich ein Kluftsystem im Untergrund zu erzeugen. Im Gegensatz dazu basierte das in St. Gallen angestrebte hydrothermale System auf existierenden Klüften und dem darin enthaltenen heissen Wasser. Anders als ein hydrothermales System wird EGS in der Regel nicht in den Sedimenten, sondern im kristallinen Grundgestein angesiedelt.

Die EGS-Technologie bietet grunds?tzliche Vorteile:

  1. Da man sein Reservoir im Untergrund selber erzeugt, ist die Technologie zumindest im Prinzip leichter auf verschiedene Standorte übertragbar, da man nicht auf existierende Verwerfungen angewiesen ist. Somit vereinfacht sich die Standortauswahl, und die Erfolgsquote steigt – zwei wesentliche Kostenfaktoren der Geothermie.
  2. Ein selbsterzeugtes Reservoir l?sst sich idealerweise auch besser optimieren und pflegen, um so den W?rmegewinn zu maximieren und langfristig sicher zu stellen. Das Reservoir l?sst sich zudem einfacher erweitern, so dass von einer Bohrung und einem Kraftwerk ein gr?sseres W?rmeeinzugsgebiet bewirtschaftet werden kann.
  3. Wenn man in der Lage ist, durch eine passende Standortauswahl die N?he zu gr?sseren Verwerfungszonen zu vermeiden und w?hrend der Injektion die Rissbildung zu kontrollieren, dann l?sst sich vielleicht auch die Erdbebengefahr auf akzeptable Werte begrenzen.

Aus Rückschl?gen lernen

Die meisten Experten sind heute der Meinung, dass eine substanzielle Gewinnung von W?rme zur Stromerzeugung in der Schweiz nur m?glich ist, wenn wir lernen, die EGS-Technologie besser zu beherrschen. Die Herausforderung besteht darin, einen effizienten W?rmetauscher zu erzeugen und langfristig zu beitreiben, ohne dabei zu starke Erdbeben zu erzeugen. Ob das m?glich ist, weiss niemand, aber die aktuelle ?Schiefergasrevolution? in den USA zeigt, dass technologische Entwicklungen und Optimierungen durchaus Ressourcen erschliessen k?nnen, die man jahrzehntelang als nicht nutzbar betrachtet hat. So hofft beispielsweise die Geo-Energie Suisse AG, mit einem von der Schiefergasf?rderung inspirierten Multiriss-Ansatz eine Antwort auf die Probleme von Basel finden zu k?nnen: Statt eines einzigen grossen Risssystems sollen künftig bis zu 40 kleinere Bruchsysteme erzeugt werden, in denen dann Wasser zirkulieren und effizient W?rme aufnehmen kann. Derzeit werden mehrere Standorte in der Schweiz auf ihre Eignung für ein Multiriss-Pilotprojekt hin untersucht.

Machbarkeit und Risiken umfassend prüfen

Weltweit gibt es erst eine handvoll EGS-Systeme, jedoch noch kein Multiriss-System im kristallinem Grundgebirge. Wie genau man ein solches System erstellt und was die Risiken dabei sind, wird jetzt unter Federführung der ETH in einem nationalen external pageKompetenzzentrum zu Erzeugung von Energie untersucht. Dabei will man nicht nur numerische Modellierungen und Laborexperimente durchführen, sondern auch anwendungsorientierte Forschung zusammen mit mehreren Energieversorgungsunternehmen betreiben, etwa in Untergrundlaboratorien und zukünftigen Pilot- und Demonstrationsprojekten.

Es bleibt also spannend in der Geothermie-Forschung. Und aus den Rückschl?gen von Basel und St. Gallen l?sst sich sehr viel lernen. Meiner Ansicht nach ist es zu früh, die Option Geothermie in der Schweiz aufgrund dieser Rückschlage zu verwerfen.

Weiterführende Informationen

Erfahren Sie mehr über das Aus des St. Galler Geothermie-Projekts unter anderem im external pageTagesanzeiger, in der external pageNZZ oder in der external pageSRF-Tagesschau.

Die Weiterentwicklung der EGS-Technologie ist auch Ziel des Projekts GEOTHERM-2 des Competence Center Environment and Sustainability CCES.

Informationen zur Seismizit?t in St. Gallen finden Sie hier.

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