Was Beweise über die Möglichkeiten der Mathematik aussagen

Was können Computer besser als Menschen? Fields-Medaillenträger Timothy Gowers zählt zu den grossen Mathematikern unserer Zeit. Grosse Fragen scheut er nicht. Am Mittwoch hält er die Wolfgang-Pauli-Vorlesung zum Thema «Warum ist mathematische Forschung nicht unmöglich?».

Fields-Medaillenträger Timothy Gowers wird an der ETH darauf eingehen, inwieweit Computer gültige Beweise führen können oder ob diese Fähigkeit dem menschlichen Geist vorbehalten bleibt. (Bild: colourbox / Timothy Gowers)
Timothy Gowers wird darauf eingehen, ob Computer Beweise führen k?nnen oder ob das dem menschlichen Geist vorbehalten ist. (Bild: Colourbox / Timothy Gowers)

Eine der grossen Entdeckungen der Mathematik des 20. Jahrhunderts war, dass jeder Streit über die Gültigkeit eines mathematischen Beweises immer entschieden werden kann. Das schreibt der englische Mathematiker und Ritter Sir Timothy Gowers in seinem allgemein verst?ndlichen Buch ?Mathematik?.

Der Grund dafür sei, dass man jedes mathematische Argument immer in noch kleinere Teilschritte aufspalten k?nne, woraus sich jedesmal noch eindeutiger gültige Aussagen erg?ben. Auf diese Weise müsse im Prinzip jede Auseinandersetzung über ein Beweisverfahren schliesslich an ein Ende gelangen.

Nun gibt es jedoch sehr lange und komplizierte Beweise oder g?nzlich ungel?ste Probleme, für die auch die meisten Mathematikerinnen und Mathematiker nicht mit letzter Gewissheit angeben k?nnen, ob die lange Kette von Teilschritten nicht irgendwo einen Fehler enth?lt oder ob sie überhaupt einmal zu einem Ende kommt.

Warum also ist mathematische Forschung trotzdem nicht unm?glich? Am Mittwoch kommt Timothy Gowers an die ETH Zürich, um diese Frage im Rahmen der diesj?hrigen Wolfgang-Pauli-Vorlesungen zu beantworten (vgl. Box).

Keine Angst vor grossen Fragen

Gowers ist Mathematik-Professor in Cambridge und hat verschiedene Gebiete der Mathematik – besonders die Theorie der so genannten Banach-R?ume und die Kombinatorik – gepr?gt. 1998 erhielt er in Berlin eine Fields-Medaille für seine bemerkenswerten L?sungen von mathematischen Problemen, die der polnische Mathematiker Stefan Banach (1892-1945) zum Teil schon in den 1930er-Jahren gestellt hatte.

Gowers ist bekannt für seine F?higkeit, ein fachfremdes Publikum mit mathematischen Ideen anzufreunden. 2012 wurde er für seine Verdienste um die Mathematik zum Ritter geschlagen.

Timothy Gowers scheut die grossen, ungel?sten Probleme nicht. Im Gegenteil: Ihm zufolge zeichnet sich mathematische Forschung zu einem grossen Teil dadurch aus, dass sie sich ungel?sten und besonders schwierigen Problemen widmet. Dabei befasst er sich auch mit der nicht unumstrittenen Frage: K?nnen Computer die schwierigsten mathematischen Probleme besser l?sen – oder sind komplizierte Beweisführungen ausschliesslich dem Menschen vorbehalten?

Die Rechenmaschine und wir

In seiner Vorlesung an der ETH behandelt er das Problem, dass es für Computer ziemlich schwierig ist festzustellen, ob sich eine bestimmte mathematische Aussage wirklich beweisen l?sst. Schliesslich gibt es keinen allgemeinen Algorithmus, also keine Regel, die dieses Problem in endlich vielen, wohldefinierten Einzelschritten l?sen und abschliessend beantworten kann.

Selbst wenn man das Problem gezielt auf Beweise einschr?nkt, die nur eine bestimmte Maximall?nge haben, ist es immer noch ungewiss, ob ein Algorithmus in angemessener Zeit einen Beweis finden kann. Im Vergleich dazu, so Gowers, gelingt es den Menschen doch immer irgendwie, auch lange und komplexe Beweise zu führen.

Ist also der menschliche Geist doch dem Rechner überlegen? In seiner Wolfgang-Pauli-Vorlesung wird Gowers argumentieren, dass man dieses scheinbare Paradox l?sen kann, ohne dass man an eine mysteri?se Eigenschaft des menschlichen Gehirns appellieren müsse, die kein Computer jemals werde nachahmen k?nnen.

In dem besagten Mathematik-Buch vertritt Gowers die Ansicht, dass die Computer in den n?chsten gut hundert Jahren mehr und mehr leisten werden, was heute noch nur Mathematiker k?nnen, und dass die Maschinen schliesslich uns Menschen ersetzen werden.

An den Grenzen von Berechnung und Beweis

Im Detail geht es um die M?glichkeiten und Grenzen der algorithmischen Methode und um spezifische Fragen der so genannten Berechenbarkeitstheorie und der Beweistheorie – zwei Forschungsgebiete, die sowohl die Mathematik als auch Logik und Informatik betreffen.

?Ich pers?nlich bin neugierig, mit welchen neuen Ideen zu diesen beiden Theorien Gowers das Publikum überraschen will?, sagt Rahul Pandharipande, ETH-Professor für Mathematik und Gastgeber der diesj?hrigen Wolfgang-Pauli-Vorlesungen.

Wom?glich liegt die Antwort nicht in einer Gegenüberstellung von Menschen und Computern, sondern in einer Arbeitsteilung? Auf seinem Mathematik-Blog ?externe SeiteGowers's Weblog. Mathematics related discussions? hat Gowers 2009 jedenfalls dazu aufgerufen, dass sich sehr viele Mathematiker online zusammenschliessen und informell miteinander kooperieren sollten, um auf diese Weise den jeweils besten Weg zur L?sung von besonders schwierigen mathematischen Probleme zu finden. Tats?chlich hat das Polymath-Projekt neue Ergebnisse geliefert.

In seinem popul?rwissenschaftlichen Buch beantwortet Gowers die Frage: ?Wie ist Forschung in der Mathematik m?glich?? damit, dass die mathematischen Probleme gerade so schwierig sein sollten, dass sie noch ein Fünkchen Hoffnung gew?hrten, wirklich l?sbar zu sein.
 

Wolfgang-Pauli-Vorlesungen

Die Wolfgang-Pauli-Vorlesungen sind eine j?hrliche Ringvorlesung der ETH Zürich, die sich der Physik, Mathematik und Biologie widmet. Sie sind nach dem Physiker und Nobelpreistr?ger Wolfgang Pauli benannt, der von 1928 bis 1958 ETH-Professor war. Eingeladen werden Spitzenforschende, die jeweils ihre Perspektiven und Ideen für den wissenschaftlichen Fortschritt vorstellen.

Den ?ffentlichen Hauptvortrag
der Wolfgang-Pauli-Vorlesungen 2018 h?lt Timothy Gowers
zum Thema ?Why isn’t mathematical research impossible??
am Mittwoch, 12. Dezember 2018, um 17:15 Uhr
im Auditorium Maximum (HG F 30) des ETH-Hauptgeb?udes statt.
Nach dem Vortrag gibt es einen Apéro im Foyer E-Nord.

Weitere Informationen inkl. Vorlesungen für ein Fachpublikum (auf Englisch): www.pauli-lectures.ethz.ch .

Aufzeichnung der Vorlesung (1:13:32)

Literaturhinweis

Timothy Gowers. Mathematik. Stuttgart: Reclam Sachbuch, 2011.

Titel der englischen Originalausgabe: Mathematics. A very short introduction. New York: Oxford University Press, 2002.

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